Arbeitsbefreiung von Betriebsräten
Beispiel
Der Vorsitzende des Betriebsrats der Autozulieferer Schmidt GmbH lädt zu einer Betriebsratssitzung ein. Die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung ist eine konkrete Betriebsratstätigkeit. Aus diesem Anlass dürfen alle Betriebsratsmitglieder vorübergehend ihre Arbeit unterbrechen und an der Betriebsratssitzung teilnehmen.
Voraussetzungen für die Arbeitsbefreiung
- Vorliegen einer Betriebsratsaufgabe
- Erforderlichkeit der Freistellung zur Erledigung der Betriebsratsaufgabe
Betriebsratsaufgabe
- Betriebsratssitzungen
- Sitzungen der Ausschüsse des Betriebsrats
- Betriebs- und Abteilungsversammlungen
- Betriebsbegehungen
- Besprechungen mit Gewerkschaften und Behörden
- Besprechungen mit dem Arbeitgeber
- Sitzungen einer Einigungsstelle
- Vorbereitung und Nachbereitung von Sitzungen, Besprechungen und Veranstaltungen
- Erstellen von Unterlagen und Berichten
- Durchführung der Sprechstunde des Betriebsrats
- die in § 80 BetrVG aufgezählten „allgemeinen“ Aufgaben
- Aufsuchen eines Rechtsanwalts zur Vorbereitung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens
- Unterstützung und Betreuung einzelner Arbeitnehmer im Rahmen der Zuständigkeit des Betriebsrats
- Gespräche und Beratungen mit einzelnen Arbeitnehmern zu betrieblichen Angelegenheiten
- Entgegennahme und Bearbeitung von Beschwerden der Arbeitnehmer
- Besuch auswärtiger Betriebsteile und Betriebsstätten
- Aneignung von Wissen, das für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist
Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung
“Muss das jetzt sein?”
Die Frage, ob die Arbeitsbefreiung zur Erledigung der Betriebsratsaufgabe erforderlich ist, bezieht sich eher auf den Zeitpunkt der Arbeitsbefreiung als auf die Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung an sich. Denn Betriebsratsmitglieder können nicht gleichzeitig arbeiten und Betriebsratsaufgaben erledigen. Deshalb ist eine Arbeitsbefreiung zwingend erforderlich, wenn ein Betriebsratsmitglied eine Betriebsratsaufgabe erledigen will. Und Betriebsratsaufgaben müssen nun einmal erledigt werden. Die eigentlich zu stellende Frage bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung lautet deshalb: “Muss das jetzt sein?” Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass die Erledigung von Betriebsratsaufgaben grundsätzlich- während der Arbeitszeit stattzufinden und
- Vorrang vor den normalen Arbeitsaufgaben hat.
Beurteilungsspielraum des Betriebsrats
Bei der Prüfung der Frage, ob die Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung einer Betriebsratsaufgabe erforderlich ist, steht dem Betriebsratsmitglied ein eigener Beurteilungsspielraum zu. Die Arbeitsbefreiung ist erforderlich, wenn das Betriebsratsmitglied bei gewissenhafter Überlegung und bei ruhiger und vernünftiger Würdigung aller Umstände die Arbeitsversäumnis für erforderlich halten darf, um den gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die Arbeitsbefreiung doch nicht notwendig war, ist dies nicht weiter schlimm. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsratsmitglied in diesem Fall trotzdem das Gehalt in voller Höhe zahlen. Er darf das Betriebsratsmitglied auch nicht wegen Arbeitsversäumnis abmahnen. Denn das Betriebsratsmitglied hat keine Pflichtverletzung begangen.Verfahren bei der Arbeitsbefreiung
Wichtig!
Ein Betriebsratsmitglied muss sich bei seinem Vorgesetzten abmelden, wenn es seinen Arbeitsplatz verlassen will, um Betriebsratsaufgaben zu erledigen. Nach der Erledigung der Betriebsratsaufgaben muss es sich wieder bei seinem Vorgesetzten zurückmelden.
Abmeldung
Inhalt der Abmeldung
Das Betriebsratsmitglied muss seinem Vorgesetzten bei der Abmeldung mitteilen, dass es Betriebsratsaufgaben erledigen will und deshalb nicht arbeiten wird. Dabei muss es nur die folgenden Angaben machen:- voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit
- Ort der Tätigkeit
Art und Weise der Abmeldung
Ein Betriebsratsmitglied kann selbst entscheiden, wie es sich abmeldet. Die Abmeldung kann schriftlich, mündlich, telefonisch oder auch per E-Mail erfolgen. Das Betriebsratsmitglied muss sich nicht persönlich abmelden. Es kann sich auch durch eine andere Person abmelden lassen, z.B. durch ein anderes Betriebsratsmitglied. Wichtig ist, dass sich das Betriebsratsmitglied rechtzeitig abmeldet. Der Arbeitgeber muss so frühzeitig von der Abwesenheit des Betriebsratsmitglieds erfahren, dass er noch die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen treffen kann.Wichtig!
Die Abmeldung muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Arbeitgeber in die Lage versetzt wird, die Arbeitsabläufe wegen der Abwesenheit des Betriebsratsmitglieds in geeigneter Weise umzuorganisieren, um Störungen im Betriebsablauf zu vermeiden.
Rückmeldung
Folgen bei nicht ordnungsgemäßer Abmeldung oder Rückmeldung
Anspruch auf Bezahlung des Gehalts
- Überstunden- und Mehrarbeitszuschläge,
- Nachtzuschläge und Nachtschichtzulagen,
- Sonn- und Feiertagszuschläge,
- Erschwerniszulagen,
- Leistungszulagen,
- Sozialzulagen.
- Urlaubsgeld,
- Weihnachtsgeld,
- sonstige Gratifikationen,
- vermögenswirksame Leistungen,
- Anwesenheitsprämien,
- Sonderzahlungen,
- Gewinnbeteiligungen,
- Provisionen.
Spezielle Fragen zur Arbeitsbefreiung von Betriebsräten
Arbeitsbefreiung, weil Arbeitsleistung wegen Betriebsratstätigkeit unzumutbar?
Beispiel
Das Betriebsratsmitglied Frau Meier ist zur Nachtschicht eingeteilt. Die Nachtschicht dauert von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Am Mittwoch findet von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr eine Betriebsratssitzung teil, an der Frau Meier teilnehmen muss.
In solchen Fällen kann es sein, dass das Betriebsratsmitglied vor bzw. nach der Betriebsratstätigkeit nicht “normal” arbeiten muss. Denn ein Betriebsratsmitglied kann bezahlte Arbeitsbefreiung verlangen, wenn es ihm wegen außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit geleisteter Betriebsratstätigkeit unmöglich oder unzumutbar ist, seine davor oder danach liegende Arbeitszeit einzuhalten (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07. Juni 1989 – 7 AZR 500/88).
Ob und in welchem zeitlichen Umfang ein Betriebsratsmitglied vor und/oder nach der Ausübung von Betriebsratstätigkeit wegen Unzumutbarkeit von der Arbeitsleistung befreit ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wesentliche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Dauer der ausgeübten Betriebsratstätigkeit.
Außerdem ist die gesetzliche Wertung des § 5 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift müssen Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben. Ein Betriebsratsmitglied darf deshalb die Arbeit an einem Arbeitstag grundsätzlich vorzeitig beenden, wenn zwischen dem eigentlich vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung der Arbeit und dem Beginn einer Betriebsratstätigkeit am folgenden Arbeitstag ein Zeitraum von weniger als elf Stunden liegen würde. Deshalb ist z.B. ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten an einer Betriebsratssitzung teilnehmen muss, berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht zu einem Zeitpunkt zu beenden, der eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag ermöglicht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2017 – 7 AZR 224/15). In dieser Erholungszeit hat das Betriebsratsmitglied weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen.
Beispiel
Das Betriebsratsmitglied Frau Meier ist zur Nachtschicht eingeteilt. Sie hat am Mittwoch von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen. Frau Meier darf ihre Arbeit in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch um 02:00 Uhr beenden, um bis zum Beginn der Betriebsratssitzung eine Erholungszeit von elf Stunden zu haben.
Haben auch Ersatzmitglieder Anspruch auf Arbeitsbefreiung?
- wenn sie für ein ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat dauerhaft nachgerückt sind (“Nachrücker”) oder
- wenn sie ein reguläres Betriebsratsmitglied wegen dessen zeitweiliger Verhinderung vorübergehend vertreten.
Arbeitsbefreiung zur Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung?
Können teilweise freigestellte Betriebsratsmitglieder zusätzlich einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung haben?
- Herr Müller wird für die Betriebsratstätigkeit an jedem Freitag einer Woche freigestellt.
- Frau Meier ist für jeden Dienstag und Donnerstag in der Zeit von 14:00 Uhr bis 16:00 Uhr zur Ausübung von Betriebsratstätigkeiten freigestellt.