Fällt Betriebsratsarbeit unter das Arbeitszeitgesetz?

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Ist Betriebsratsarbeitszeit Arbeitszeit im Sinne des ArbZG?

Eine spannende rechtliche Frage, mit der ich als Betriebsratsanwalt zuletzt häufiger konfrontiert worden bin, ist die Frage, ob Betriebsratsarbeitszeit eigentlich Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist, mit der Folge, dass Betriebsratsmitglieder bei ihren Betriebsratstätigkeiten die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes einhalten müssen.

Und eine damit zusammenhängende Frage ist, ob der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied Betriebsratstätigkeiten verbieten kann, wenn das Betriebsratsmitglied mit seinen Betriebsratstätigkeiten die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes überschreiten würde.

Vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden

Vom Bundesarbeitsgericht ist diese Frage bislang noch nicht geklärt worden. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage bislang immer ausdrücklich offengelassen. Was das Bundesarbeitsgericht aber schon entschieden hat, ist, dass die Wertungen des Arbeitszeitgesetzes zum Schutz von Betriebsratsmitgliedern auf Betriebsratstätigkeiten entsprechend zu übertragen sind mit der Folge, dass Betriebsratsmitglieder einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung gegenüber dem Arbeitgeber haben können, wenn normale Arbeitszeit und die Zeiten von Betriebsratstätigkeiten zusammengerechnet dazu führen würden, dass Grenzen des Arbeitszeitgesetzes nicht eingehalten wären.

Dazu mal ein Beispiel:

Stellen wir uns ein Betriebsratsmitglied vor, das Nachtschicht hat, und zwar von 22 Uhr bis 6 Uhr am nächsten Morgen. Und jetzt ist für den nächsten Tag eine Betriebsratssitzung angesetzt, die um 10 Uhr beginnt.

Wenn jetzt das Betriebsratsmitglied nach seiner Nachtschicht um 10 Uhr an der Betriebsratssitzung teilnehmen würde, dann hätte das Betriebsratsmitglied nach dem Ende seiner Schicht gerade mal 4 Stunden frei. 

Und das würde in einem Widerspruch mit dem Gedanken der Regelung des Arbeitszeitgesetzes stehen, nach der Arbeitnehmer nach dem Ende eines Arbeitstages grundsätzlich eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben müssen.

Und das Bundesarbeitsgericht sagt jetzt, das ein Betriebsratsmitglied in einem solchen Fall das Recht hat, seine Nachtschicht vorzeitig zu beenden, so dass das Betriebsratsmitglied zwischen dem Ende der Nachtschicht  und dem Beginn der Betriebsratssitzung eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden hat.

In dem Beispiel, in dem die Betriebsratssitzung um 10 Uhr beginnt, könnte das Betriebsratsmitglied deshalb schon am Vorabend um 23 Uhr Feierabend machen.

Zu diesem Ergebnis kommt das Bundesarbeitsgericht aber nicht deshalb weil es sagt, dass Betriebsratsarbeitszeit Arbeitszeit im Sinn des Arbeitszeitgesetzes ist, sondern weil es sagt, dass die Wertungen des Arbeitszeitgesetzes bei der Frage zu berücksichtigen sind, ob einem Betriebsratsmitglied unter Berücksichtigung von geleisteten oder noch zu leistenden Betriebsratstätigkeiten “normale” Arbeit zuzumuten ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat es – wie schon gesagt – bislang ausdrücklich offengelassen, ob Betriebsratsarbeitszeit Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist.

Betriebsratsarbeit fällt nicht unter das Arbeitszeitgesetz

Ausdrücklich entschieden hat diese Frage aber z.B. schon einmal das Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsens hat entschieden, dass Betriebsratsarbeitszeit nicht unter das Arbeitszeitgesetz fällt und ich persönlich finde diese Entscheidung völlig richtig, denn man muss sagen, dass unter dem Strich die deutlich besseren Argumente dafür sprechen, Betriebsratsarbeitszeit nicht als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen.

Für mich ist das entscheidende Argument, dass mit dem Begriff “Arbeitszeit” im Arbeitszeitgesetz die Inanspruchnahmen des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber von anderen Inanspruchnahmen des Arbeitnehmers abgegrenzt werden sollen und nach diesem Zweck der Arbeitszeitdefinition fallen die Zeiten von Betriebsratstätigkeiten nicht unter den Begriff Arbeitszeit. Denn während der Ausübung von Betriebsratstätigkeiten wird ein Betriebsratsmitglied nicht vom Arbeitgeber in Anspruch genommen.

Der entscheidende Unterschied zwischen Betriebsratstätigkeiten und “normaler” Arbeit besteht darin, dass ein Betriebsratsmitglied während der Arbeit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, was während der Ausübung von Betriebsratstätigkeiten nicht der Fall ist.

Ob und wie lange ein Betriebsratsmitglied eine Betriebsratstätigkeit ausübt, kann es grundsätzlich selbst entscheiden und es muss deshalb keine Regeln zum Schutz des Betriebsratsmitglieds vor einer zeitlichen Überbeanspruchung geben.

Ob und wie lange ein Betriebsratsmitglied arbeitet, kann es dagegen nicht selbst entscheiden, weil es hier dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Aus diesem Grund sind Regeln erforderlich, die diese Zeiten begrenzen.

Video: Kann der Arbeitgeber vom Betriebsrat die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes fordern?

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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