Aufgaben und Rechte des Betriebsrats bei Personalabbau

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Eine der wichtigsten Aufgaben eines Betriebsrats besteht darin, für die Sicherung und den Erhalt von Arbeitsplätzen im Betrieb zu sorgen und – falls ein Arbeitsplatzabbau doch einmal unumgänglich sein sollte – diesen so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.

Wenn der Arbeitgeber Arbeitsplätze abbauen und Mitarbeiter entlassen will, können dem Betriebsrat dabei verschiedene Mitspracherechte zustehen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sind.

Die Stärke der Rechtsposition des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber hängt vom Umfang des geplanten Personalabbaus ab, also von der Frage, wie viele Arbeitsplätze wegfallen sollen bzw. wie viele Arbeitnehmer entlassen werden sollen. Jeder Betriebsrat hat hier einen „magischen“ Schwellenwert, der entscheidet, ob der Betriebsrat in einer starken Rechtsposition ist und aktiv werden muss.

Der Schwellenwert für einen Betriebsrat hängt von der Anzahl der Mitarbeiter im Betrieb ab.

In Betrieben mit bis zu 59 Mitarbeitern liegt der Schwellenwert bei 6 Mitarbeitern, in Betrieben mit 60 bis 260 Mitarbeitern bei 10% der Gesamtzahl der Mitarbeiter, in Betrieben mit 261 bis 499 Mitarbeitern bei 26 Mitarbeitern, in Betrieben mit 500 bis 600 Mitarbeitern bei 30 Mitarbeitern und für Betriebe mit mehr als 600 Mitarbeitern gibt es sogar 2 Schwellenwerte: der erste liegt bei 30 Mitarbeitern und der zweite bei 5% der Gesamtzahl der Mitarbeiter des Betriebs.

Wenn es also zu einem Personalabbau im Betrieb kommen soll, besteht die allererste Aufgabe eines Betriebsrats darin, zu klären, wie viele Arbeitsplätze denn abgebaut werden sollen. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass es nicht nur darauf ankommt, wie vielen Mitarbeitern der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigen will, sondern auch darauf, wie viele Arbeitsplätze der Arbeitgeber abbauen will, indem er Arbeitsverträge mit Mitarbeitern aktiv vorzeitig beendet.

Bei der Ermittlung des Schwellenwerts zählen deshalb auch die Arbeitsplätze mit, die der Arbeitgeber durch den Abschluss von freiwilligen Aufhebungsverträgen abbauen will. Auch bei Personalabbaumaßnahmen, bei denen der Arbeitgeber gar keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen will, sondern die er ausschließlich mit freiwilligen Aufhebungsverträgen umsetzen will, stehen dem Betriebsrat entsprechend starke Mitspracherechte zu, wenn der für den Betrieb geltende Schwellenwert erreicht wird.

Nun zu den konkreten Rechten, die einem Betriebsrat bei einem Personalabbau zustehen können:

Wenn der für den Betrieb geltende Schwellenwert nicht erreicht wird, hat der Betriebsrat im Hinblick auf die Personalabbaumaßnahme des Arbeitgebers erst einmal nur Informations-, Vorschlags- und Beratungsrechte nach den §§ 92, 92a BetrVG.

Falls es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt und dabei eine Sozialauswahl erforderlich ist, hat der Betriebsrat außerdem das Recht, bei der Sozialauswahl mitzubestimmen. Was das genau bedeutet, schauen wir uns gleich noch näher an.

Wenn der maßgebliche Schwellenwert erreicht wird, hat der Betriebsrat noch weitergehende Rechte. Neben den Informations- und Beratungsrechten aus dem BetrVG hat der Betriebsrat dann ein spezielles Informations- und Beratungsrecht nach dem Kündigungsschutzgesetz.

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber gezwungen, mit dem Betriebsrat über einen sogenannten Interessenausgleich zu verhandeln.

Außerdem kann dem Betriebsrat, wenn der Schwellenwert erreicht ist, das Recht zustehen, mit dem Arbeitgeber einen sogenannten Sozialplan zu vereinbaren, in dem insbesondere Abfindungen für die Mitarbeiter festgelegt werden, die ihren Arbeitsplatz verlieren.

All diese Rechte schauen wir uns jetzt im Detail näher an.

Informations-, Vorschlags- und Beratungsrechte nach §§ 92, 92a BetrVG

Egal, wie viele Arbeitsplätze der Arbeitgeber abbauen möchte, der Betriebsrat hat immer das Recht, über geplante Personalabbaumaßnahmen informiert zu werden. Dadurch kann der Betriebsrat Vorschläge machen, wie der Personalabbau möglicherweise vermieden werden könnte, und mit dem Arbeitgeber darüber beraten.

Gemäß § 92a BetrVG hat der Betriebsrat ausdrücklich das Recht, dem Arbeitgeber Vorschläge zu machen, wie Arbeitsplätze im Betrieb erhalten bleiben können. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, mit dem Betriebsrat über diese Vorschläge zu beraten. Falls der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats für ungeeignet hält, muss er dies dem Betriebsrat gegenüber begründen. In Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern muss die Begründung sogar schriftlich erfolgen.

Informations- und Beratungsrecht nach § 17 KSchG

Wenn der zuvor erwähnte Schwellenwert bei der Personalabbaumaßnahme erreicht wird, hat der Betriebsrat zusätzlich zu den Informations- und Beratungsrechten aus dem BetrVG ein spezielles Informations- und Beratungsrecht gemäß § 17 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).

Das Informationsrecht aus § 17 Abs. 2 KSchG unterscheidet sich in zwei Punkten vom Informationsrecht aus dem BetrVG: Erstens muss der Arbeitgeber den Betriebsrat schriftlich informieren, während mündliche Informationen nach dem BetrVG ausreichen können. Zweitens ist der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 2 KSchG ausdrücklich aufgefordert, bestimmte Informationen an den Betriebsrat weiterzugeben, wie beispielsweise Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer oder Informationen zur Berechnung von Abfindungen.

Das Beratungsrecht aus dem KSchG unterscheidet sich ebenfalls vom Beratungsrecht aus dem BetrVG: Beim Beratungsrecht nach § 92a BetrVG muss der Betriebsrat die Initiative ergreifen und Vorschläge zur Vermeidung des Arbeitsplatzabbaus machen, damit der Arbeitgeber zu Beratungen verpflichtet ist. Beim Beratungsrecht aus dem KSchG muss der Arbeitgeber von sich aus auf den Betriebsrat zugehen, um über die geplanten Maßnahmen zu beraten.

Eine Verletzung des Informations- und Beratungsrechts des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG hätte gravierendere Rechtsfolgen als eine Verletzung des Informations- und Beratungsrechts aus dem BetrVG. Denn eine Verletzung des Informations- und Beratungsrechts nach § 17 Abs. 2 KSchG würde dazu führen, dass alle im Zusammenhang mit der Personalabbaumaßnahme ausgesprochenen Kündigungen unwirksam wären.

Allerdings gilt das Informations- und Beratungsrecht des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG nur dann, wenn die für den maßgeblichen Schwellenwert erforderliche Anzahl an Kündigungen und Aufhebungsverträgen innerhalb eines Zeitfensters von 30 Kalendertagen erreicht wird. Innerhalb dieses Zeitfensters müssen die erforderlichen Kündigungen und Aufhebungsverträge ausgesprochen oder abgeschlossen werden.

Interessenausgleich

Wenn der für den Betrieb maßgebliche Schwellenwert bei der Personalabbaumaßnahme erreicht wird – unabhängig davon, ob die erforderliche Anzahl von Arbeitsplätzen innerhalb von 30 Kalendertagen oder über einen längeren Zeitraum abgebaut wird – hat der Betriebsrat gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz das Recht, mit dem Arbeitgeber über einen sogenannten Interessenausgleich zu verhandeln.

Bei den Verhandlungen über einen Interessenausgleich geht es darum, ob der vom Arbeitgeber geplante Personalabbau tatsächlich umgesetzt werden soll und wenn ja, wie dies geschehen soll. Das beinhaltet unter anderem den Zeitpunkt der Umsetzung, den Umfang und die Art und Weise der Maßnahmen.

Für den Betriebsrat besteht oft das Ziel, entweder den geplanten Personalabbau vollständig zu verhindern – was leider oft nicht gelingen wird – oder im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer Änderungen an den Plänen des Arbeitgebers zu erreichen. Zum Beispiel könnte der Personalabbau zu einem späteren Zeitpunkt als ursprünglich geplant erfolgen oder es könnten weniger Arbeitsplätze abgebaut werden als ursprünglich vorgesehen.

Es ist wichtig zu betonen, dass ein Interessenausgleich für den Arbeitgeber immer freiwillig ist! Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber nicht zwingen, den geplanten Personalabbau zu stoppen oder Änderungen an den ursprünglichen Plänen vorzunehmen.

Trotzdem muss der Arbeitgeber ernsthaft mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandeln. Denn wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht einigen können, müssen die Verhandlungen in der Einigungsstelle fortgesetzt werden, bis es zu einer Einigung über den Interessenausgleich kommt oder bis die Verhandlungen auch dort scheitern. Erst dann darf der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Personalabbaumaßnahmen beginnen.

Sozialplan

Wenn es wirklich ernst wird, ist das aus der Sicht der betroffenen Arbeitnehmer wohl wichtigste Recht des Betriebsrats das Recht, gemeinsam mit dem Arbeitgeber einen Sozialplan aufzustellen.

Mit einem Sozialplan sollen die wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen oder abgemildert werden, die den betroffenen Arbeitnehmern entstehen und das geschieht normalerweise dadurch, dass in dem Sozialplan festgelegt wird, dass die Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren, eine Abfindung bekommen.

Der Grundbetrag einer solchen Abfindung berechnet sich häufig nach der Formel “Bruttomonatsgehalt x Jahre der Betriebszugehörigkeit x ein bestimmter Faktor”.

Wenn dieser Faktor bei 1 liegt, würde dann also ein Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatsgehalt von 4.000 € und einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren als Abfindung einen Grundbetrag in Höhe von 80.000 € bekommen. Dazu kommen dann häufig noch weitere Beträge, z.B. wenn ein Arbeitnehmer Kinder hat.

Im Gegensatz zu einem Interessenausgleich ist ein Sozialplan für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht freiwillig, das heißt zum Abschluss eines Sozialplans kann der Arbeitgeber vom Betriebsrat gezwungen werden, falls erforderlich, über ein Einigungsstellenverfahren.

Das gilt allerdings mit einer Einschränkung: Wenn es sich bei der vom Arbeitgeber geplanten Maßnahme um eine reine Personalabbaumaßnahme handelt, die nicht mit weiteren Maßnahmen verbunden ist bzw. die nicht in anderen Maßnahmen des Arbeitgebers ihre Ursache hat, wie z.B. in Umstrukturierungen, Abteilungsschließungen oder dem Einsatz neuer IT-Systeme wie zB. dem Einsatz von künstlicher Intelligenz, dann kann der Betriebsrat den Arbeitgeber gegen dessen Willen nur dann zu einem Sozialplan zwingen, wenn – je nach Betriebsgröße – eine bestimmte Mindestanzahl an Arbeitnehmern entlassen werden soll, wobei diese Zahl über die Schwellenwerte, die wir schon kennengelernt haben, deutlich hinausgeht.

Wenn es sich um eine reine Personalabbaumaßnahme handelt, die nicht mit anderen Maßnahmen in Zusammenhang steht, kann der Betriebsrat den Arbeitgeber gegen dessen Willen nur dann zu einem Sozialplan zwingen, wenn der Arbeitgeber in einem Betrieb, in dem bis zu 59 Mitarbeiter beschäftigt sind, mindestens 20 % der Arbeitnehmer entlassen will, mindestens aber 6 Arbeitnehmer, in einem Betrieb mit 60 bis 249 Mitarbeitern müssen es ebenfalls mindestens 20 % sein oder aber mindestens 37 Arbeitnehmer,
in einem Betrieb mit 250 bis 499 Mitarbeitern muss der Arbeitgeber mindestens 15%, oder aber mindestens 60 Arbeitnehmer entlassen wollen, in Betrieben mit
500 bis 599 Arbeitnehmern mindestens 60 und in Betrieben ab 600 Arbeitnehmern mindestens 10%.

Wenn diese besonderen Schwellenwerte nicht erreicht sind und es sich wirklich um eine reine Personalabbaumaßnahme handelt, wäre ein Sozialplan für den Arbeitgeber freiwillig. Der Betriebsrat sollte dann aber noch einmal ganz genau prüfen, ob es sich bei der Maßnahme des Arbeitgebers wirklich um einen reinen Personalabbau handelt, oder ob der Personalabbau nicht vielleicht doch mit anderen Maßnahmen in Zusammenhang steht.

Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen

Wenn der Personalabbau ganz oder teilweise durch den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen umgesetzt werden soll, hat der Betriebsrat noch ein weiteres Mitspracherecht, das völlig unabhängig von der Anzahl betroffenen Mitarbeiter besteht, also auch dann, wenn nur ganz wenige Mitarbeiter eine betriebsbedingte Kündigung bekommen sollen oder vielleicht sogar auch nur ein einziger Mitarbeiter.

Dieses Mitspracherecht besteht aber andererseits nur dann, wenn der Arbeitgeber bei der Vornahme der betriebsbedingten Kündigungen eine Auswahlentscheidung treffen muss, wenn also für die Kündigung mehr Mitarbeiter in Betracht kommen als am Ende tatsächlich gekündigt werden sollen. Der Betriebsrat hat dann nämlich ein Mitspracherecht bei dieser Auswahlentscheidung.

Wenn ein Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen aussprechen will, für die Kündigungen aber mehr Mitarbeiter in Betracht kommen als am Ende tatsächlich gekündigt werden sollen, dann muss der Arbeitgeber eine Auswahlentscheidung nach sozialen Auswahlkriterien treffen, er muss eine sogenannte Sozialauswahl durchführen. Er darf am Ende nur den Mitarbeitern betriebsbedingt kündigen, die unter sozialen Gesichtspunkten am wenigsten schutzwürdig sind. 

Und nach dem Gesetz gibt es jetzt 4 soziale Kriterien, die der Arbeitgeber dabei berücksichtigen muss, und zwar das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, eventuelle Unterhaltspflichten der Mitarbeiter und eine eventuelle Schwerbehinderung.

Der Betriebsrat hat jetzt das Recht und auch die Aufgabe, gleichberechtigt mit dem Arbeitgeber darüber mitzuentscheiden, wie diese sozialen Auswahlkriterien im Verhältnis zueinander zu gewichten sind, was also z.B. wichtiger sein soll, eine lange Betriebszugehörigkeit oder ein hohes Lebensalter.

Video: Rechte des Betriebsrats bei Entlassungen und Stellenabbau

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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