Ein Betriebsrat steht häufig vor Aufgaben, für deren Erledigung echtes Expertenwissen nötig ist, über das die einzelnen Betriebsratsmitglieder oftmals nicht verfügen.
Wenn der Betriebsrat z.B. mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung zum Einsatz eines bestimmten IT-Systems abschließen will, dann muss der Betriebsrat einschätzen können, wie genau das IT-System funktioniert und dazu kann spezielles IT-Fachwissen erforderlich sein. Oder: wenn der Betriebsrat gemeinsam mit dem Arbeitgeber regeln will, wie die Gefährdungsbeurteilungen im Betrieb durchgeführt werden sollen, dann kann dazu arbeitsmedizinisches Fachwissen erforderlich sein.
Und nicht zuletzt steht ein Betriebsrat im Zusammenhang mit bestimmten Betriebsratsaufgaben oft vor schwierigen rechtlichen Fragen, die er sich selbst nicht beantworten kann, weil die einzelnen Betriebsratsmitglieder trotz der Teilnahme an Betriebsratsschulungen nunmal keine Juristen sind.
Wenn der Betriebsrat vor einer Aufgabe steht, für die bestimmtes Fachwissen erforderlich ist, über das keines der Betriebsratsmitglieder verfügt, dann kann der Betriebsrat das Recht haben, sich auf Kosten des Arbeitgebers von externen Sachverständigen beraten zu lassen, damit er seine Aufgabe sachgerecht erledigen kann. Gesetzlich geregelt ist das Recht des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines externen Sachverständigen in § 80 Abs. 3 Satz 1 geregelt. Dort heißt es:
“Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.”
Wer kann Sachverständiger für den Betriebsrat sein?
Sachverständiger für den Betriebsrat kann jede Person sein, die dem Betriebsrat fehlende Kenntnisse vermitteln soll, die der Betriebsrat für die Wahrnehmung einer bestimmten Betriebsratsaufgabe braucht. Das können Personen aus den unterschiedlichsten Fachgebieten sein, z.B.
- IT-Experten,
- Arbeitswissenschaftler,
- Arbeitsmediziner,
- betriebswirtschaftliche Sachverständige,
- aber z.B. auch Rechtsanwälte.
Die Beauftragung eines Rechtsanwalts als Sachverständiger kann z.B. dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat eine komplexen Betriebsvereinbarung vorgeschlagen hat, zu der der Betriebsrat rechtliche Fragen hat, die er selbst nicht beantworten kann.
Der Betriebsrat kann einen Sachverständigen aber nicht nur für die Beantwortung einzelner Fragen hinzuziehen, sondern z.B. auch zur Unterstützung bei einem gesamten Projekt. Wenn der Betriebsrat z.B. die Aufgabe in Angriff nehmen möchte, mit dem Arbeitgeber ein neues Entgeltsystem zu vereinbaren, nach dem sich die Gehälter der Arbeitnehmer richten sollen, könnte er auf die Idee kommen, einen Experten für Arbeitsentgeltsysteme und Gehaltsfragen hinzuzuziehen, der den Betriebsrat bei dem gesamten Projekt “Neues Entgeltsystem” unterstützt.
Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nötig
Bevor der Betriebsrat einen externen Sachverständigen beauftragen darf, muss er sich darüber mit dem Arbeitgeber verständigen. Denn im Gesetz heißt es ja, dass der Betriebsrat Sachverständige “nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber” hinzuziehen kann.
Wenn der Betriebsrat also einen externen Sachverständigen beauftragen will, muss er darüber erst einmal den Arbeitgeber informieren und den Arbeitgeber fragen, ob dieser damit einverstanden ist. Dabei muss der Betriebsrat dem Arbeitgeber mitteilen, zu welchem konkreten Thema er einen Sachverständigen hinzuziehen will, wen er als Sachverständigen beauftragen will – also den Namen des Sachverständigen -, und welche Kosten dadurch anfallen werden.
Damit der Betriebsrat den Arbeitgeber über die entstehenden Kosten informieren kann, sollte er sich vorab ein entsprechendes Angebot des Sachverständigen einholen, den der Betriebsrat beauftragen will.
Wen genau der Betriebsrat als Sachverständigen beauftragen will, kann sich der Betriebsrat selbst aussuchen. Wenn es verschiedene geeignete Sachverständige gibt, muss sich der Betriebsrat nicht unbedingt für den günstigsten entscheiden. Der Betriebsrat kann sich auch für einen teureren Sachverständigen entscheiden, wenn der Betriebsrat begründen kann, dass der teurere Sachverständige ihn besser unterstützen kann als ein anderer Sachverständiger, der weniger kosten würde.
Gerade bei den mitbestimmungspflichtigen Themen erklären sich viele Arbeitgeber oft ohne größere Gegenwehr damit einverstanden, dass ein Betriebsrat zu seiner Unterstützung einen externen Sachverständigen beauftragen darf. Das liegt u.a. daran, dass ein Arbeitgeber es häufig einseht, dass ein Betriebsrat bei schwierigen Themen ohne externe Hilfe nicht richtig weiterkommt und dass der Arbeitgeber bei den mitbestimmungspflichtigen Themen ja oft auf eine Einigung mit dem Betriebsrat angewiesen ist. Und ein Arbeitgeber muss befürchten, dass eine solche Einigung in die Ferne rückt, wenn er den Wunsch des Betriebsrats nach Hinzuziehung eines externen Sachverständigen ablehnt.
Und ein weiterer Grund dafür, warum es Arbeitgeber ihren Betriebsräten oftmals unproblematisch gestatten, einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen, ist, dass ein Arbeitgeber im Falle der Verweigerung der Übernahme der Kosten für einen Sachverständigen unter Umständen mit noch viel höheren Kosten rechnen muss. Denn wenn der Betriebsrat keinen externen Sachverständigen hinzuziehen darf, erhöht dies bei mitbestimmungspflichtigen Themen die Wahrscheinlichkeit, dass es früher oder später zu einem Einigungsstellenverfahren kommt und ein solches Einigungsstellenverfahren wird in der Regel noch viel höhere Kosten verursachen als ein externer Sachverständiger.
Sicherlich gibt es aber häufig auch Situationen, in denen der Betriebsrat gerne einen externen Sachverständigen hinzuziehen würde, der Arbeitgeber damit jedoch nicht einverstanden ist. In einem solchen Fall muss sich der Betriebsrat dann näher mit der Frage befassen, ob ihm in der konkreten Situation wirklich das Recht auf Hinzuziehung eines externen Sachverständigen zusteht und der Arbeitgeber dementsprechend auch gegen seinen Willen dazu verpflichtet ist, sich mit der Hinzuziehung eines externen Sachverständigen einverstanden zu erklären.
Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen
Voraussetzung dafür, dass dem Betriebsrat nach dem Gesetz auch gegen den Willen des Arbeitgebers das Recht zusteht, auf Kosten des Arbeitgebers einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen, ist, dass die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen aus Betriebsratssicht “erforderlich” ist.
Die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen ist dann “erforderlich”, wenn der Betriebsrat eine bestimmte ihm gesetzlich übertragene Aufgabe wahrnehmen muss oder wahrnehmen will, wenn ihm die nötigen Kenntnisse fehlen, um diese Aufgabe ordnungsgemäß wahrnehmen zu können und wenn es für den Betriebsrat keine zumutbare kostengünstigere Möglichkeit gibt, um sich die nötigen Kenntnisse zu verschaffen.
Das Bundesarbeitsgericht ist bei der Frage, wann für einen Betriebsrat die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen “erforderlich” ist, leider ziemlich streng. Bevor der Betriebsrat auch gegen den Willen des Arbeitgebers das Recht hat, einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen, müsste der Betriebsrat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts normalerweise erst einmal die folgenden Schritte unternehmen:
- Der Betriebsrat müsste den Arbeitgeber erst einmal auffordern, ihm sämtliche Informationen zukommen zu lassen, die der Betriebsrat für die ordnungsgemäße Erledigung der konkreten Betriebsratsaufgabe benötigt und der Betriebsrat müsste dem Arbeitgeber die Fragen stellen, die der Betriebsrat im Zusammenhang mit der Betriebsratsaufgabe hat und die er sich nicht selbst beantworten kann.
- Wenn die vom Arbeitgeber gelieferten Informationen und Antworten für den Betriebsrat nicht ausreichend oder nicht verständlich sein sollten, müsste der Betriebsrat noch einmal beim Arbeitgeber nachhaken und weitere Informationen bzw. Antworten verlangen.
- Der Betriebsrat müsste darüber hinaus alle betriebsinternen Informationsquellen ausschöpfen, insbesondere müsste der Betriebsrat auch auf etwaige “betriebliche Auskunftspersonen” zurückgreifen, also auf Arbeitnehmer des Betriebs, die bei dem entsprechenden Thema über besondere Fachkenntnisse verfügen. Wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat anbietet, ihm Arbeitnehmer mit besonderen Fachkenntnissen zu dem jeweiligen Thema zur Beantwortung der Fragen des Betriebsrats zur Verfügung zu stellen, dürfte der Betriebsrat dieses Angebot nicht einfach ablehnen.
- Unter Umständen müsste der Betriebsrat sogar auch versuchen, sich die für die Wahrnehmung seiner Aufgabe erforderlichen Kenntnisse durch die Teilnahme an einer Schulung oder im Selbststudium anzueignen, falls dies möglich und zumutbar ist.
Erst wenn der Betriebsrat diese Schritte unternommen hat und er dann aber immer noch nicht über die nötigen Kenntnisse verfügt, um seine Aufgabe ordnungsgemäß wahrnehmen zu können, hätte der Betriebsrat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen echten Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Abschluss einer Vereinbarung über die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen und die entsprechende Kostenübernahme durch den Arbeitgeber. Diesen Anspruch könnte der Betriebsrat dann auch mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen, falls dies nötig sein sollte.
Hinzuziehung eines Sachverständigen im Zusammenhang mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz
Selbst wenn der Arbeitgeber damit aber eigentlich nicht einverstanden sein sollte, ist die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen für den Betriebsrat immer dann relativ unproblematisch, wenn es um eine Aufgabe des Betriebsrats geht, bei der der Einsatz von Künstlicher Intelligenz eine Rolle spielt. Denn in § 80 Abs. 3 Satz 2 heißt es:
“Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich.”
Wenn es um den Einsatz von künstlicher Intelligenz geht, muss der Betriebsrat also nicht erst alle eventuell kostengünstigeren Informationsquellen ausschöpfen, bevor er vom Arbeitgeber verlangen kann, einen externen Sachverständigen hinzuziehen zu dürfen. Denn bei dem Einsatz künstlicher Intelligenz unterstellt das Gesetz, dass hier die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen erforderlich ist, damit der Betriebsrat seine Aufgabe ordnungsgemäß erledigen kann.