
In der heutigen Arbeitswelt sind digitale Kommunikationsmethoden allgegenwärtig, und viele Betriebsräte haben sich bereits daran gewöhnt, ihre Sitzungen online abzuhalten. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gibt hierzu klare Vorgaben. Doch wie verhält es sich bei Betriebsversammlungen? Können auch diese online per Videokonferenz stattfinden? Dieser Artikel beleuchtet die rechtliche Lage und diskutiert die Vor- und Nachteile einer solchen Durchführung.
von Rechtsanwalt Dr. jur. Henning Kluge
Was sind Betriebsversammlungen und welchen Zweck haben sie?
Betriebsversammlungen sind Veranstaltungen des Betriebsrats für die Arbeitnehmer eines Betriebs. Sie dienen dazu, die Belegschaft über die Arbeit des Betriebsrats zu informieren und den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, Feedback zu geben, Fragen zu stellen und Anregungen zu äußern. Sie sind ein zentrales Instrument für den Informations- und Meinungsaustausch zwischen Betriebsrat und Belegschaft.
Laut Gesetz muss jeder Betriebsrat mindestens einmal pro Quartal eine solche Versammlung abhalten. Dies unterstreicht die Bedeutung dieser Treffen für den Betrieb.
Die Idee einer Betriebsversammlung per Videokonferenz
Die Durchführung von Betriebsversammlungen als Präsenzveranstaltung bringt einige Herausforderungen mit sich. Räume müssen organisiert werden, und es entstehen eventuell hohe Kosten für Anreise und Verpflegung. Eine Online-Versammlung könnte hier Abhilfe schaffen, indem sie Kosten reduziert und mehr Arbeitnehmer zur Teilnahme motiviert.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Während das BetrVG in § 30 Abs. 2 explizit die Durchführung von Betriebsratssitzungen per Videokonferenz regelt, fehlt eine solche klare Regelung für Betriebsversammlungen. Zwar erlaubte § 129 BetrVG während der COVID-19-Pandemie temporär die Durchführung von Betriebsversammlungen mittels audiovisueller Einrichtungen, diese Regelung ist jedoch mittlerweile ausgelaufen. Aktuell gibt es keine gesetzliche Bestimmung, die Betriebsversammlungen per Videokonferenz ausdrücklich erlaubt oder verbietet.
Juristische Meinungen und Unsicherheiten
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Thema ist bislang nicht vorhanden, und in der juristischen Literatur gibt es unterschiedliche Ansichten. Während einige Autoren die virtuelle Durchführung von Betriebsversammlungen generell für unzulässig halten, argumentieren andere, dass eine solche Versammlung möglich sei, solange die Teilnahme unbefugter Personen ausgeschlossen wird.
Persönliche Einschätzung und Empfehlung
Meiner Meinung nach ist es nach der aktuellen Gesetzeslage nicht zulässig, Betriebsversammlungen per Videokonferenz durchzuführen. Verschiedene Indizien, wie die gesetzlichen Regelungen zur Erstattung von Fahrtkosten und zur Vergütung der Anreisezeit sowie die temporäre Sonderregelung während der Pandemie, deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber Betriebsversammlungen als Präsenzveranstaltungen betrachtet. Der direkte persönliche Austausch und die Wahrnehmung der Stimmung in der Belegschaft sind auf einer Präsenzveranstaltung intensiver und unmittelbarer.
Ein weiteres Problem könnte die Einhaltung der Nichtöffentlichkeit der Betriebsversammlung darstellen. Bei einer Videokonferenz ist es schwieriger zu kontrollieren, ob tatsächlich nur berechtigte Personen teilnehmen.
Fazit
Solange die rechtliche Lage nicht eindeutig geklärt ist, empfehle ich Betriebsräten, Betriebsversammlungen weiterhin als Präsenzveranstaltungen durchzuführen. Das Risiko, dass eine Online-Durchführung als Pflichtverletzung angesehen wird, ist derzeit zu groß. Ein persönlicher Austausch von Angesicht zu Angesicht bietet zudem unersetzliche Vorteile, die eine Videokonferenz nicht bieten kann.