Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Gehaltserhöhungen

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Betriebsratsmitglieder sollen durch die Übernahme des Betriebsratsamts keine Nachteile erleiden. Das gilt insbesondere in finanzieller Hinsicht. Der Gesetzgeber will unbedingt sicherstellen, dass Betriebsratsmitglieder – was ihr Gehalt angeht – nicht schlechter dastehen als “normale” Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt.  Das kann dazu führen, dass Betriebsratsmitglieder sogar einen Anspruch auf Gehaltserhöhungen haben.

Betriebsratsmitglieder haben, obwohl sie nicht während ihrer gesamten Arbeitszeit Arbeitsleistungen erbringen, sondern zumindest während eines Teils ihrer Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten erledigen, trotzdem immer Anspruch auf genau das Gehalt, das sie bekommen würden, wenn sie mit 100% ihrer Arbeitszeit “normal” arbeiten würden. Dadurch ist schonmal sichergestellt, dass Betriebsratsmitglieder durch ihre Betriebsratsarbeit nicht plötzlich weniger verdienen als vorher.

Der Gesetzgeber will aber nicht nur verhindern, dass sich das Gehalt von Betriebsratsmitgliedern durch die Betriebsratstätigkeit verringert, der Gesetzgeber will auch sicherstellen, dass Betriebsratsmitglieder durch die Übernahme des Betriebsratsamts keine Erhöhung ihres Gehalts verpassen. Denn ein finanzieller Nachteil kann einem Betriebsratsmitglied ja auch dadurch entstehen, dass es vom Arbeitgeber – anders als andere Arbeitnehmer – keine Gehaltserhöhung bekommt. Man muss bedenken, dass sich Betriebsratsmitglieder im Vergleich zu ihren Kollegen ohne Betriebsratsamt nur eingeschränkt beruflich weiterentwickeln können und sie sich gegenüber dem Arbeitgeber nur eingeschränkt mit ihren beruflichen Leistungen bemerkbar machen können, weil Betriebsratsmitglieder einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeiten verwenden. Und das kann dazu führen, dass Betriebsratsmitglieder bei Gehaltserhöhungen leer ausgehen.

Der Gesetzgeber will aber sicherstellen, dass sich das Gehalt eines Betriebsratsmitglieds auch im Hinblick auf Gehaltserhöhungen genauso entwickelt wie das Gehalt eines vergleichbaren Arbeitnehmers ohne Betriebsratsamt. In § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG heißt es deshalb:

“Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.”

Nach dieser Vorschrift hat ein Betriebsratsmitglied während der Dauer seiner Amtszeit und sogar auch noch ein Jahr darüber hinaus einen Anspruch auf Gehaltserhöhungen in genau dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden.

Damit ein Betriebsratsmitglied einen solchen Anspruch auf eine Gehaltserhöhung hat, müssen 2 Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es muss eine Gehaltserhöhung gegeben haben bei Arbeitnehmern, die mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbar sind.
  2. Es muss sich bei der Gehaltserhöhung um eine “betriebsübliche Entwicklung” handeln.

Schauen wir uns diese beiden Voraussetzungen einmal etwas näher an.

1. Gehaltserhöhung bei vergleichbaren Arbeitnehmern

Als erste Voraussetzung für einen Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf eine Gehaltserhöhung nach § 37 Abs. 4 BetrVG muss es eine Gehaltserhöhung bei einem oder mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern gegeben haben.

Um das Vorliegen dieser Voraussetzung prüfen zu können, müssen wir in einem ersten Schritt erst einmal Arbeitnehmer identifizieren, die mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbar sind.

Vergleichbar mit dem Betriebsratsmitglied sind die Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren. Wenn es keinen solchen vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb geben sollte, kann man den Arbeitnehmer als Vergleichsmaßstab heranziehen, der am ehesten vergleichbar ist.

Wenn wir einen oder mehrere vergleichbare bzw. am ehesten vergleichbare Arbeitnehmer identifiziert haben, brauchen wir die Situation, dass es bei mindestens einem dieser Arbeitnehmer eine Gehaltserhöhung gegeben hat, und zwar in dem Zeitfenster ab der Amtsübernahme des Betriebsratsmitglieds bis hin zu einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit.

2. Betriebsübliche Entwicklung

Wenn es bei einem oder mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern in diesem Zeitfenster eine Gehaltserhöhung gegeben hat, setzt der Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Erhöhung auch seines Gehalts als zweites voraus, dass die Gehaltserhöhung bei dem oder den vergleichbaren Arbeitnehmern eine “betriebsübliche Entwicklung” darstellt.

Davon wird man normalerweise immer dann ausgehen können, wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer eine Gehaltserhöhung bekommen hat. Wenn also mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer, die wir im ersten Schritt als mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbare Arbeitnehmer identifiziert haben, eine Gehaltserhöhung bekommen haben, dann kann man in der Regel sagen, dass diese Gehaltserhöhungen eine “betriebsübliche Entwicklung” darstellen, so dass auch die zweite Voraussetzung für einen Anspruch des Betriebsratsmitglieds darauf, ebenfalls eine Gehaltserhöhung zu bekommen, erfüllt ist.

Höhe des Anspruchs

Wenn die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Gehaltserhöhung nach § 37 Abs. 4 BetrVG erfüllt sind, dann hat das Betriebsratsmitglied aber keinen Anspruch auf genau das Gehalt in Euro und Cent, das die vergleichbaren Arbeitnehmer bekommen, sondern das Betriebsratsmitglied hat einen Anspruch darauf, dass sein Gehalt um den Prozentsatz erhöht wird, um den die Gehälter der vergleichbaren Arbeitnehmer erhöht worden sind. Wenn also z.B. die Gehälter der vergleichbaren Arbeitnehmer um 5% erhöht worden sind, hat auch das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Erhöhung seines Gehalts um 5%. In Euro und Cent ausgedrückt können das Gehalt des Betriebsratsmitglieds und die Gehälter der vergleichbaren Arbeitnehmer weit auseinanderliegen.

Grund dafür ist, dass mit der Vorschrift des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht dafür gesorgt werden soll, dass ein Betriebsratsmitglied exakt das gleiche Gehalt bekommt wie vergleichbare Arbeitnehmer, sondern dafür, dass sich das Gehalt eines Betriebsratsmitglieds in Relation gesehen genauso entwickelt, wie das Gehalt vergleichbarer Arbeitnehmer.

Falls die Gehälter der vergleichbaren Arbeitnehmer in unterschiedlicher Höhe erhöht worden sind, dann richtet sich die Höhe des Gehaltserhöhungsanspruchs des Betriebsratsmitglieds entweder danach, in welcher prozentualen Höhe die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben worden sind oder nach dem Durchschnitt der Gehaltserhöhunge, die den vergleichbaren Arbeitnehmern gewährt worden sind.

Allgemeine Zuwendungen

Nach § 37 Abs. 4 Satz 2 BetrVG sind von dem Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Anpassung seines Gehalts an das Gehalt vergleichbarer Arbeitnehmer auch sogenannte allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers umfasst. Mit allgemeinen Zuwendungen sind Zahlungen gemeint, die der Arbeitgeber entweder allen Arbeitnehmern oder aber jedenfalls den mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmern zusätzlich zum normalen Arbeitsentgelt zukommen lässt, wie z.B. Zulagen, Jahressonderzahlungen, Weihnachtsgeld, ein 13. Gehalt, Urlaubsgeld, Gewinnbeteiligungen usw.

Auch Betriebsratsmitglieder haben Anspruch auf diese zusätzlichen Leistungen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber zu den Zahlungen rechtlich gar nicht verpflichtet ist, es sich also um “freiwillige” Leistungen handelt.

Durchsetzung des Anspruchs

Der Arbeitgeber ist eigentlich kraft Gesetzes dazu verpflichtet, das Gehalt eines Betriebsratsmitglieds fortlaufend um den Prozentsatz zu erhöhen, um den er das Gehalt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung erhöht. Wenn der Arbeitgeber dieser Verpflichtung aber nicht nachkommt, muss sich das Betriebsratsmitglied selbst darum kümmern, seinen Anspruch durchzusetzen.

Ein Problem hierbei kann aber natürlich sein, dass ein Betriebsratsmitglied es gar nicht mitbekommt, wenn der Arbeitgeber das Gehalt von vergleichbaren Arbeitnehmern erhöht oder es nicht weiß, in welcher Höhe vergleichbare Arbeitnehmer eine Gehaltserhöhung bekommen haben.. Für dieses Problem gibt es aber eine Lösung:

Damit ein Betriebsratsmitglied prüfen kann, ob ihm eventuell ein Anspruch auf eine Gehaltserhöhung zusteht, hat es einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber. Es kann vom Arbeitgeber eine Auskunft darüber verlangen, wie sich das Gehalt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung seit der Amtsübernahme des Betriebsratsmitglieds entwickelt hat. Damit der Arbeitgeber zu einer entsprechenden Auskunft verpflichtet ist, muss das Betriebsratsmitglied ihm aber erst einmal vergleichbare Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung benennen.

Video: Betriebsratsmitglied: Anspruch auf Gehaltserhöhungen

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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