Betriebsratsmitglied: Berufliche Absicherung – Tätigkeitsschutz (§ 37 Abs. 5 BetrVG)

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Betriebsratsmitglieder üben ihre Betriebsratsamt ehrenamtlich und unentgeltlich anstelle ihrer normalen Arbeit aus. Während Betriebsratsmitglieder mit der Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben beschäftigt sind, können sich andere Arbeitnehmer, die kein Betriebsratsamt übernommen haben, ganz ihrer beruflichen Tätigkeit widmen. Im Gegensatz zu Betriebsratsmitgliedern können sich die anderen Arbeitnehmer während der vierjährigen Amtszeit des Betriebsrat uneingeschränkt beruflich weiterentwickeln, die Karriereleiter hinaufklettern und ihr Gehalt steigern. Es ist aber das erklärte Ziel des Gesetzgebers, dass Betriebsratsmitglieder durch die Übernahme des Betriebsratsamts keine Nachteile erleiden sollen. Betriebsratsmitglieder sollen am Ende ihrer Amtszeit – und auch während der Amtszeit – nicht schlechter dastehen als andere Arbeitnehmer, die kein Betriebsratsamt übernommen haben.

Das Gesetz will deshalb einerseits verhindern, dass Betriebsratsmitglieder hinsichtlich ihres Einkommens Nachteile erleiden. Diesem Ziel dient die Entgeltsicherung für Betriebsratsmitglieder. Der Gesetzgeber will Betriebsratsmitglieder aber nicht nur vor finanzieller Benachteiligung schützen. Auch im Hinblick auf die vom Betriebsratsmitglied auszuübende Arbeitstätigkeit soll eine Benachteiligung verhindert werden. Diesem Ziel dient der in § 37 Abs. 5 BetrVG geregelte Tätigkeitsschutz (Tätigkeitsgarantie) für Betriebsratsmitglieder.

Beschäftigung nur mit gleichwertigen Tätigkeiten

Nach § 37 Abs. 5 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder nur mit solchen Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten gleichwertig sind, die vergleichbare Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Entwicklung ausüben. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn zwingende betriebliche Notwendigkeiten der Zuweisung einer gleichwertigen Tätigkeit entgegenstehen.

Vergleichbarer Arbeitnehmer

Vergleichbar sind die Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren. Wenn es keinen vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb gibt, ist der Arbeitnehmer als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, der am ehesten vergleichbar ist.

Betriebsübliche Entwicklung

Betriebsüblich ist die Entwicklung, die die vergleichbaren Arbeitnehmer bei normaler betrieblicher und personeller Entwicklung im Betrieb genommen haben. Es ist vor allem zu untersuchen, wie sich die Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer entwickelt hat.

Gleichwertige Tätigkeiten

Bei der Frage, ob eine Tätigkeit gegenüber einer anderen Tätigkeit gleichwertig ist, ist zu prüfen, ob die Tätigkeiten von den beteiligten Berufsgruppen als gleichwertig angesehen werden. Wenn die Tätigkeiten unterschiedlich hoch bezahlt werden, spricht dies gegen eine Gleichwertigkeit. Aber auch wenn die Tätigkeiten gleich bezahlt werden, müssen sie nicht unbedingt gleichwertig sein.

Verbot der Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit

Die Vorschrift des § 37 Abs. 5 BetrVG verbietet es dem Arbeitgeber grundsätzlich, einem Betriebsratsmitglied eine geringerwertige Tätigkeit zuzuweisen als die Tätigkeit, die das Betriebsratsmitglied im Zeitpunkt der Amtsübernahme ausgeübt hat. Die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit wäre nur zulässig, wenn vergleichbare Arbeitnehmer aufgrund betriebsüblicher Entwicklung eine geringerwertige Tätigkeit leisten als zuvor. Dies dürfte allerdings nur in ganzen seltenen Ausnahmefällen einmal vorkommen.

Wichtig!

Betriebsratsmitgliedern darf grundsätzlich keine geringerwertige Tätigkeit zugewiesen werden!

Ein Betriebsratsmitglied wird durch § 37 Abs. 5 BetrVG also vor Versetzungen auf einen geringerwertigen Arbeitsplatz geschützt.

Anspruch auf Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit

§ 37 Abs. 5 BetrVG verbietet aber nicht nur die Zuweisung von geringerwertigen Tätigkeiten. Aus dieser Vorschrift kann auch der Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit folgen.

Dahinter steht der Gedanke, dass andere Arbeitnehmer, die keine Betriebsratstätigkeit ausüben, sich während der vierjährigen Amtszeit des Betriebsratsmitglieds in ihrem Berufsfeld uneingeschränkt weiterentwickeln können. Oft werden ihnen im Laufe der Zeit höherwertige Aufgaben übertragen. Diese berufliche Weiterentwicklung hätte in vielen Fällen auch das Betriebsratsmitglied mitgemacht, wenn es sich voll und ganz seiner beruflichen Tätigkeit hätte widmen können und nicht mit der Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben beschäftigt gewesen wäre. Auch diesen Nachteil will der Gesetzgeber ausgleichen.

Wenn vergleichbare Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung mittlerweile höherwertige Aufgaben wahrnehmen, hat deshalb auch ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf Übertragung dieser höherwertigen Aufgaben.

Beispiel

Das Betriebsratsmitglied Herr Schmidt war vor seiner Wahl zum freigestellten Betriebsratsmitglied als einfacher Sachbearbeiter tätig. Im Zeitpunkt der Amtsübernahme des Herrn Schmidt gab es im Betrieb auf derselben Hierarchieebene noch zwei weitere Sachbearbeiter, die im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten wie Herr Schmidt ausübten und die ähnlich qualifiziert waren. Diese zwei weiteren Sachbearbeiter sind mit Herrn Schmidt vergleichbar.

Zwei Jahre nach der Amtsübernahme des Herrn Schmidt überträgt der Arbeitgeber den zwei vergleichbaren Sachbearbeitern die Tätigkeit eines Teamleiters. Die Übertragung der Teamleiter-Tätigkeit entspricht bei den mit Herrn Schmidt vergleichbaren Arbeitnehmern der betriebsüblichen Entwicklung, da der Arbeitgeber allen vergleichbaren Arbeitnehmern diese Funktion übertragen hat. Herr Schmidt hat deshalb ebenfalls Anspruch auf die Zuweisung einer Teamleiter-Tätigkeit.

Kein Anspruch, wenn zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen

Der Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Zuweisung einer gleichwertigen Tätigkeit besteht nicht, wenn der Zuweisung einer derartigen Tätigkeit zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen. Zwingende betriebliche Notwendigkeiten sind Umstände, aufgrund derer die Zuweisung der gleichwertigen Tätigkeit ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn im Betrieb kein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden ist. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu schaffen. Allerdings hat das Betriebsratsmitglied bei Fehlen eines gleichwertigen Arbeitsplatzes dann wegen der Entgeltgarantie trotzdem einen Anspruch auf Bezahlung nach der höherwertigen Tätigkeit, auch wenn es diese gar nicht ausübt (§ 37 Abs. 4 BetrVG).

Die Zuweisung einer gleichwertigen Tätigkeit kann z.B. auch dann ausgeschlossen sein, wenn das Betriebsratsmitglied nicht über eine zwingend erforderliche Zusatzqualifikation verfügt.

Beispiel

Das Betriebsratsmitglied Frau Müller ist Altenpflegerin. Der Arbeitgeber überträgt mehreren Arbeitnehmern, die mit Frau Müller vergleichbar sind, die Tätigkeit einer Pflegedienstleiterin. Die Tätigkeit als Pflegedienstleiterin setzt aufgrund einer gesetzlichen Regelung die erfolgreiche Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßname voraus. Diese Weiterbildungsmaßname hat Frau Müller bislang noch nicht absolviert. Ihrer Beschäftigung als Pflegedienstleiterin stehen deshalb zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegen.

Bei der Prüfung der Frage, ob der Zuweisung einer Tätigkeit zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, gilt zugunsten des Betriebsratsmitglieds ein strenger Maßstab. Der Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf die Zuweisung einer bestimmten gleichwertigen Tätigkeit soll nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen sein. Bloße betriebliche Bedürfnisse oder Interessen reichen nicht aus, um den Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auszuschließen.

Im Streitfall muss der Arbeitgeber das Vorliegen der zwingenden betrieblichen Notwendigkeiten beweisen, die der Zuweisung der gleichwertigen Tätigkeit entgegenstehen sollen.

Zeitraum des Tätigkeitsschutzes

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, einem Betriebsratsmitglied gleichwertige Tätigkeiten zuzuweisen, gilt während der gesamten Amtszeit des Betriebsratsmitglieds und noch für einen Zeitraum von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit.

Die zeitliche Begrenzung des Tätigkeitsschutzes bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied ein Jahr nach Ablauf seiner Amtszeit einfach wieder geringerwertige Tätigkeiten zuweisen darf. Die Zulässigkeit der Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit nach dem Ende des Zeitraums des Tätigkeitsschutzes richtet sich vielmehr nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln. In den allermeisten Fällen wird deshalb die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit nach Ablauf des Tätigkeitsschutzes unzulässig sein.

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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