Betriebsrat: Mitreden bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§ 90 und § 91 BetrVG)

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Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung mit einzubeziehen. Er muss den Betriebsrat rechtzeitig über die Planung diesbezüglicher Maßnahmen informieren und die vorgesehenen Maßnahmen und deren Auswirkungen mit dem Betriebsrat beraten. Wenn die Arbeitnehmer durch eine Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablauf oder der Arbeitsumgebung besonders belastet werden, kann der Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen auch Gegen- oder Ausgleichsmaßnahmen verlangen.

Warum ist der Betriebsrat bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung zu beteiligen?

Grund für die Einbeziehung des Betriebsrats bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung ist, dass der Betriebsrat auf die Schaffung möglichst positiver und menschenwürdiger Umstände für die Erbringung der Arbeitsleistung hinwirken können soll.

Gegenstände des Informations- und Beratungsrechts des Betriebsrats

Nach § 90 Abs. 1 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat informieren über die Planung 

  • von Bauvorhaben,
  • von technischen Anlagen,
  • von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen und
  • der Arbeitsplätze.

Außerdem muss der Arbeitgeber die vorgesehenen Maßnahmen und deren Auswirkungen mit dem Betriebsrat beraten.

Bauvorhaben

Nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung von Bauvorhaben von und an betrieblichen Räumen unterrichten und diese mit dem Betriebsrat beraten.

Dies gilt sowohl für 

  • Neubauten, als auch für
  • Umbauten und 
  • Erweiterungsbauten.

Die Informations- und Beratungspflicht des Arbeitgebers besteht sowohl dann, wenn es um ein gesamtes Gebäude geht.

Beispiele:

  • Neubau eines Verwaltungsgebäudes
  • Umbau einer Werkhalle oder Lagerhalle

Aber auch über Baumaßnahmen, die sich nur auf einzelne Räume eines Gebäudes beziehen, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat informieren und mit ihm beraten.

Beispiele für Arbeitsräume:

  • Büros
  • Labore
  • Lagerräume
  • Werkstätten

Beispiele für Sozialräume:

  • Kantine
  • Aufenthaltsräume
  • Umkleideräume
  • Waschräume
  • Toiletten

Die Unterrichtungs- und Beratungspflicht nach § 90 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BetrVG besteht nur bei Baumaßnahmen, nicht aber bei bloßen Renovierungsmaßnahmen oder Reparaturarbeiten.

Ebenfalls nicht zu beteiligen ist der Betriebsrat vor reinen Abbrucharbeiten.

Umstritten ist, ob die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei nur kleinen baulichen Veränderungen bestehen (Beispiel: Brechen einer neuen Tür). Nach einer in der juristischen Literatur vertretenen Auffassung muss der Betriebsrat auch vor kleinen baulichen Veränderungen beteiligt werden, wenn durch diese der Baukörper verändert wird.

Technische Anlagen

Nach § 90 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung von technischen Anlagen informieren und diese mit dem Betriebsrat beraten.

Mit technischen Anlagen sind technische Geräte, Einrichtungen und Hilfsmittel gemeint, die im weitesten Sinne dem Arbeitsablauf dienen.

Das sind zunächst einmal solche technischen Gegenstände, die von den Arbeitnehmern im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Arbeitsleistung eingesetzt werden.

Beispiele:

  • Maschinen
  • Fertigungsanlagen
  • Montagebänder
  • Roboter
  • Computer, IT-Systeme
  • Bildschirme

Aber auch solche technischen Einrichtungen, die nur mittelbar dem Arbeitsablauf dienen, insbesondere Einrichtungen, mit denen die Betriebsgebäude oder die betrieblichen Räume ausgestattet sind, sind technische Anlagen im Sinne von § 90 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

Beispiele:

  • Fahrstühle
  • Klimaanlagen
  • Beleuchtungsanlagen

Eine bestimmte Größe muss ein Gerät bzw. eine Einrichtung nicht haben, um als technische Anlage zu gelten. Es muss sich auch nicht um eine stationäre Einrichtung handeln, sondern diese kann auch beweglich sein. 

Nicht unter den Begriff “technische Anlagen” fallen aber einfache Werkzeuge wie z.B. Hammer und Schraubendreher.

Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe

Nach § 90 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen informieren und darüber mit ihm beraten.

Arbeitsverfahren

Bei den Arbeitsverfahren geht es um die technische Art und Weise, mit der eine Arbeitsaufgabe erledigt wird. Hier geht es insbesondere um die Frage, welche technischen Hilfsmittel im Arbeitsprozess eingesetzt werden und auf welche Weise.

Beispiele:

  • Fließbänder
  • Maschinen, Roboter
  • IT-Systeme, Software-Anwendungen
  • Künstliche Intelligenz

Arbeitsablauf

Mit Arbeitsablauf ist die räumliche und zeitliche Folge des Zusammenwirkens von Mensch, Arbeitsmittel, Stoff, Energie und Information in einem Arbeitssystem gemeint (DIN 33400). Es geht hier vor allem um die Frage, wie die Erfüllung der Arbeitsaufgaben in

  • organisatorischer,
  • räumlicher und
  • zeitlicher Hinsicht

gestaltet wird.

Das betrifft insbesondere Fragestellungen

  • zum Arbeitsort,
  • zur Arbeitszeit,
  • zum Arbeitstempo- und -rhytmus und
  • zur Art und Weise der Zusammenarbeit (z.B. Einzelarbeit, Gruppenarbeit).

Aktuelle Themen, die hier dazugehören, können z.B. sein:

  • Agile Arbeit
  • Crowdsourcing/Crowdworking
  • Lean Production
  • Mobile Arbeit
  • Desksharing
  • Qualitätsmanagement-Systeme

Eine Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen, an der der Betriebsrat zu beteiligen ist, liegt bereits dann vor, wenn der Arbeitgeber eine teilweise Änderung an Arbeitsverfahren oder Arbeitsabläufen beabsichtigt. Eine völlige Neuplanung ist nicht erforderlich.

Arbeitsplätze

Nach § 90 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung der Arbeitsplätze informieren und darüber mit dem Betriebsrat beraten.

Mit dem Arbeitsplatz ist hier der konkrete Ort gemeint, an dem ein einzelner Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt. Bei der Planung der Arbeitsplätze geht es um die Gestaltung dieses Ortes und dabei insbesondere auch um dessen Ausstattung mit Mobiliar (z.B. Stuhl, Schreibtisch, Arbeitsflächen) und Arbeitsmitteln (z.B. mit Maschinen, Werkzeugen, PC und sonstige digitale Arbeitsmittel).

Wann besteht das Informations- und Beratungsrecht des Betriebsrats bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung?

Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung von Bauvorhaben, technischen Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen sowie der Arbeitsplätze unterrichten und die vorgesehenen Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten.

Das Informations- und Beratungsrecht des Betriebsrats aus § 90 BetrVG bezieht sich damit auf zukünftige Maßnahmen. Es wird nur ausgelöst, wenn es nach dem Willen des Arbeitgebers zu Baumaßnahmen oder zur Einführung neuer oder zur Änderung an bestehenden technischen Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen oder Arbeitsplätzen kommen soll. Der Betriebsrat kann mit Hilfe seiner Beteiligungsrechte aus § 90 BetrVG dagegen keine Änderung der bestehenden Verhältnisse verlangen. Der Betriebsrat hat hier – anders als z.B. bei den Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG – kein Initiativrecht. Er kann also nach § 90 BetrVG nicht die Planung von Baumaßnahmen, technischen Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze durch den Arbeitgeber verlangen.

Allerdings kann dem Betriebsrat aus anderen gesetzlichen Vorschriften das Recht zustehen, gegenüber dem Arbeitgeber Maßnahmen durchzusetzen, die zu einer anderen Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung führen können. In Betracht kommt hier insbesondere das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Bei der Einführung neuer oder der Änderung an bestehenden technischen Anlagen wird häufig auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) greifen.

Es ist auch denkbar, dass der Arbeitgeber aufgrund von gesetzlichen Vorschriften dazu verpflichtet ist, bestimmte Maßnahmen zur Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung vorzunehmen, z.B. aufgrund der Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung. In diesem Fall könnte der Betriebsrat aufgrund seiner Aufgabe, den Arbeitgeber hinsichtlich der Einhaltung arbeitnehmerschützender Vorschriften zu überwachen, beim Arbeitgeber darauf drängen, die vorgeschriebenen Maßnahmen zu planen und umzusetzen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). 

Und nicht zuletzt hat der Betriebsrat selbstverständlich immer das Recht, dem Arbeitgeber im Hinblick auf die Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung Vorschläge zu machen (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Wenn dem Betriebsrat allerdings hinsichtlich der von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen nur ein Vorschlagsrecht zusteht und kein darüber hinausgehendes weiteres Recht, und der Arbeitgeber auch nicht aufgrund bestimmter gesetzlicher Regelungen dazu verpflichtet ist, die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen, ist die Umsetzung der Vorschläge des Betriebsrats für den Arbeitgeber freiwillig.

Wie muss der Arbeitgeber den Betriebsrat informieren?

Wenn der Arbeitgeber Bauvorhaben oder die Einführung neuer oder Änderungen an bestehenden technischen Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen oder Arbeitsplätzen plant, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat darüber rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Diese Unterrichtung hat der Arbeitgeber unaufgefordert von sich aus vorzunehmen, ohne dass der Betriebsrat die Unterrichtung vom Arbeitgeber verlangen müsste.

Rechtzeitig

Der Betriebsrat ist schon im Planungsstadium vom Arbeitgeber zu informieren, bevor die Planung abgeschlossen ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Betriebsrat frühzeitig auf die Belange der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit den Vorhaben des Arbeitgebers hinweisen kann, so dass diese Belange optimal berücksichtigt werden können. 

Würde der Betriebsrat erst nach Abschluss der Planung durch den Arbeitgeber beteiligt und würde der Betriebsrat erst dann die Belange der Arbeitnehmer einbringen, müssten gegebenenfalls nachträglich Änderungen an der Planung vorgenommen werden. Dies würde die Berücksichtigung der Belange der Arbeitnehmer umständlicher und damit auch unwahrscheinlicher machen.

Auf jeden Fall zu spät wäre eine Unterrichtung durch den Arbeitgeber, wenn bereits mit Maßnahmen zur Umsetzung der Planung begonnen worden ist.

Das Informationsrecht des Betriebsrats setzt andererseits erst dann ein, wenn der Arbeitgeber mit der Planung beginnt. Das ist z.B. noch nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber erst ermittelt, ob in einer bestimmten Angelegenheit ein Handlungsbedarf besteht. Mit der Planung beginnt der Arbeitgeber erst, wenn er sich ein bestimmtes Ziel gesetzt hat bzw. er sich ein bestimmtes Vorhaben vorgenommen hat und dann Überlegungen dazu anstellt, wie das Ziel bzw. Vorhaben erreicht oder umgesetzt werden kann, welche Möglichkeiten und Lösungsalternativen es gibt, usw. 

Da eine Planung in der Regel ein fortlaufender Prozess ist, kann es sein, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat bei ein und demselben Vorhaben mehrfach informieren muss. Wenn die Planung voranschreitet, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über den Fortgang der Planung auf dem Laufenden halten. Insbesondere muss der Betriebsrat über Änderungen an ursprünglichen Zielen oder Vorhaben des Arbeitgebers informiert werden.

Umfassend

Der Betriebsrat ist vom Arbeitgeber über die Planung umfassend zu informieren. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat seine Ziele und die Maßnahmen, die er sich vorstellt, ausführlich erläutern und dabei insbesondere auch darauf eingehen, welche Auswirkungen sich daraus für die Arbeitnehmer ergeben können und welche Möglichkeiten es gibt, die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Durch die Information muss der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Die Information muss deshalb in für den Betriebsrat verständlicher Form erfolgen. 

Unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen

Der Arbeitgeber kann seine Informationspflicht schriftlich oder mündlich erfüllen. Allerdings muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch die “erforderlichen” schriftlichen Unterlagen vorlegen, damit sich der Betriebsrat ein möglichst genaues Bild von den Planungen und deren Auswirkungen machen kann.

Solche Unterlagen können z.B. sein:

  • technische Zeichnungen
  • Baupläne
  • Bedienungsanleitungen

Die Unterlagen sind dem Betriebsrat vom Arbeitgeber von sich aus unaufgefordert vorzulegen.

Die Unterlagen müssen dem Betriebsrat entweder bis zum Abschluss der Planung überlassen werden oder bis dahin zumindest zur Einsichtnahme für den Betriebsrat bereitgehalten werden.

Das Beratungsrecht des Betriebsrats

Nach der Unterrichtung hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, insbesondere auf die Art ihrer Arbeit sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer zu beraten (§ 90 Abs. 2 BetrVG). Unterrichtung und Beratung sind zwei verschiedene Vorgänge. Auch die Beratung hat der Arbeitgeber unaufgefordert von sich aus zu initiieren.

Umfang des Beratungsrechts

Der Zweck der Beratung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat besteht darin, eine für beide Seiten angemessene Lösung zu finden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich die Vorschläge und Argumente des Betriebsrats anzuhören, diese gewissenhaft zu prüfen und das Für und Wider der Vorschläge des Betriebsrats und der von ihm selbst beabsichtigten Maßnahmen gemeinsam mit dem Betriebsrat zu erörtern.

Am Ende ist der Arbeitgeber aber in seiner Entscheidung frei. Der Betriebsrat kann mit seinem Beratungsrecht die vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen nicht verhindern und er kann auch keine Änderungen an diesen erzwingen. Wenn die Arbeitnehmer durch die beabsichtigten Maßnahmen aber in besonderer Weise belastet werden und auch die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift des § 91 BetrVG vorliegen, kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen.

Außerdem sollte der Betriebsrat immer auch prüfen, ob ihm nicht neben dem Beratungsrecht aus § 90 Abs. 2 BetrVG und ggf. dem Mitbestimmungsrecht aus § 91 BetrVG auch noch weitergehendere Rechte zustehen. Zu denken ist hier insbesondere wieder an das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) und beim Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Die Planungen des Arbeitgebers können unter Umständen auch eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG darstellen mit der Folge, dass der Betriebsrat das Recht hat, mit dem Arbeitgeber über einen Interessenausgleich zu verhandeln und er bei zu befürchtenden finanziellen Nachteilen für die Arbeitnehmer sogar einen Sozialplan verlangen kann.

Zeitpunkt der Beratung

Nach der Unterrichtung über die Planung durch den Arbeitgeber benötigt der Betriebsrat in der Regel zunächst einmal Zeit, um sich intern mit den erhaltenen Informationen zu befassen und sich als Gremium eine Meinung zu bilden, bevor die Beratung mit dem Arbeitgeber beginnen kann. 

Die Beratung muss dann aber so rechtzeitig erfolgen, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigt werden können. Die Beratung muss also noch im Planungsstadium stattfinden, bevor die Planung abgeschlossen ist.

Gegenstände der Beratung

Nach dem Gesetzeswortlaut hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, insbesondere auf die Art ihrer Arbeit sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer zu beraten. Bei dieser Beratung sollen auch die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit berücksichtigt werden.

Vorgesehene Maßnahmen und Auswirkungen auf die Arbeitnehmer

Arbeitgeber und Betriebsrat sollen bei ihrer Beratung insbesondere eingehen auf die Auswirkungen, die die Maßnahmen 

  • auf die Art der Arbeit haben
  • sowie auf die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer.

Auswirkungen auf die Arbeitnehmer durch die vorgesehenen Maßnahmen können sich z.B. ergeben im Hinblick auf

  • die Arbeitszeit,
  • die Arbeitsplätze,
  • das Arbeitsentgelt und
  • die Personalplanung.

Dabei sollten vor allem auch die Fragen erörtert werden,

  • ob sich für die Arbeitnehmer Belastungen oder sonstige Nachteile ergeben können und
  • ob die Arbeitnehmer den geänderten Anforderungen gewachsen sind oder ob z.B. Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen erforderlich sind.

Berücksichtigung der gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit

Inhaltlich sollen Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Beratung auch die “gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit” berücksichtigen.

Diese Erkenntnisse lassen sich unter anderem finden in 

  • einschlägigen DIN-Normen und 
  • den Forschungsberichten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), abrufbar unter www.baua.de.

Die Normen DIN EN ISO 9241-2 (für Bürotätigkeiten) und DIN EN ISO 10075-2 beschreiben beispielsweise Anforderungen an menschengerecht gestaltete Arbeitsbedingungen und können als gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse gelten (Wittig-Goetz, Menschengerechte Arbeitsgestaltung oder Merkmale guter Arbeit, 2006, abrufbar unter https://www.boeckler.de/pdf/mbf_as_arbeitsgestaltung_2006.pdf). 

Nach der DIN EN ISO 9241-2 sind bei der menschengerechten Gestaltung der Arbeit insbesondere zu vermeiden:

  • Über- oder Unterforderung 
  • unangemessene Wiederholung immer gleicher Arbeitsvorgänge
  • schädlicher Zeitdruck
  • isoliertes Arbeiten ohne Gelegenheit zu sozialen Kontakten

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei besonderer Belastung der Arbeitnehmer

Wenn die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet werden, kann der Betriebsrat nach § 91 BetrVG angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Sofern sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf solche Maßnahmen nicht einigen können, würde auf Antrag die Einigungsstelle entscheiden. Unter den genannten Voraussetzungen steht dem Betriebsrat also ein echtes Mitbestimmungsrecht zu.

Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts

Für das Bestehen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung nach § 91 BetrVG müssen die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  1. Eine Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung
  2. Ein offensichtlicher Widerspruch zu den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit
  3. Eine Belastung der Arbeitnehmer in besonderer Weise

Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung

Erste Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist eine Änderung

  • an Arbeitsplätzen,
  • am Arbeitsablauf oder
  • an der Arbeitsumgebung.

Zu den Begriffen Arbeitsplatz und Arbeitsablauf siehe oben.

Unter Arbeitsumgebung sind alle äußeren Gegebenheiten zu verstehen, die auf die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen einwirken. Dazu gehören z.B.:

  • die Beleuchtungsverhältnisse
  • die Luftverhältnisse (Rauch, Staub, Dämpfe usw.)
  • Geräusche (Lärm)
  • Temperatur (Hitze, Kälte)
  • die Raumgestaltung (Architektur, Farbe)
  • Nässe
  • Schmutz

Eine Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung liegt dann vor, wenn der bestehende Zustand verändert wird. Bei bloßen Renovierungs- oder Reparaturmaßnahmen, durch die der ursprüngliche Zustand nur aufrechterhalten, aber nicht verändert wird, handelt es sich nicht um eine Änderung in diesem Sinne.

Offensichtlicher Widerspruch zu den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit

Das Mitbestimmungsrecht setzt des Weiteren voraus, dass die vom Arbeitgeber beabsichtigten oder bereits umgesetzten Maßnahmen den “gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit” (siehe dazu oben) offensichtlich widersprechen.

Ein Widerspruch zu diesen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen ist offensichtlich, wenn er für einen Fachmann/Arbeitswissenschaftler ohne Weiteres erkennbar ist.

Belastung der Arbeitnehmer in besonderer Weise

Durch die Änderungen müssen die Arbeitnehmer in besonderer Weise belastet werden. 

Das Eintreten einer solchen besonderen Belastung wird bei Maßnahmen, die den “gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit” offensichtlich widersprechen, in der Regel anzunehmen sein. In der juristischen Literatur wird deshalb zum Teil auch die Auffassung vertreten, dass diese Voraussetzung gar nicht gesondert geprüft werden muss.

Eine Belastung ist eine äußere Einwirkung auf den Menschen. Es kann sich dabei um eine körperliche Belastung handeln.

Beispiele:

  • negative Umwelteinflüsse (z.B. durch Hitze, Kälte, Lärm, Vibrationen, Schadstoffe)
  • Arbeit in Zwangshaltung
  • einseitige körperliche Beanspruchung

Aber auch eine psychische Belastung ist denkbar.

Beispiele:

  • Überforderung
  • Unterforderung
  • Monotones Arbeiten
  • Übermäßige Überwachung oder Kontrolle (durch Vorgesetzte)
  • isoliertes Arbeiten, Wegfall sozialer Interaktion mit Kollegen

Damit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgelöst wird, muss es sich um eine “besondere” Belastung handeln. Dazu muss die Belastung das normale Maß überschreiten. 

Nicht erforderlich ist aber, dass eine Gefahr für die Gesundheit der Arbeitnehmer oder die Gefahr des Eintritts eines sonstigen Schadens besteht.

Ausübung des Mitbestimmungsrechts

Anders als bei vielen anderen Mitbestimmungsrechten müssen sich Arbeitgeber und Betriebsrat bei dem Mitbestimmungsrecht nach § 91 BetrVG nicht vorher einigen, bevor der Arbeitgeber die von ihm beabsichtigten Maßnahmen umsetzen darf. Der Arbeitgeber darf auch ohne eine Einigung mit dem Betriebsrat mit der Umsetzung der Maßnahmen beginnen. Wenn die Voraussetzungen dieses Mitbestimmungsrechts gegeben sind, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber lediglich angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen.

Mit Maßnahmen zur Abwendung der Belastung sind Maßnahmen gemeint, die die Belastung vollständig beseitigen. Beispiele:

  • Rückgängigmachen der Änderung
  • Einsatz technischer Hilfsmittel
  • Beseitigung/Verhinderung negativer Umwelteinflüsse durch technische Maßnahmen

Maßnahmen zur Milderung der Belastung sind solche, die die Belastung teilweise beseitigen. Beispiele:

  • Einführung von Erholungszeiten
  • Wechselnde Tätigkeiten
  • Ausgleichstätigkeiten
  • Verkürzung der Belastung durch Ablösung
  • Einsatz technischer Hilfsmittel

Falls die Belastung nicht oder nur teilweise abgewendet bzw. gemildert werden kann, kommen Ausgleichsmaßnahmen in Betracht. Beispiele:

  • Verkürzung der Arbeitszeit
  • Sonderurlaub
  • ggf. auch Erschwerniszulagen (z.B. Lärm-, Schmutz-, Nachtschichtzulagen) 

Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung einigen können, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, die Einigungsstelle einzuschalten. Dann würde die Einigungsstelle für Arbeitgeber und Betriebsrat rechtsverbindlich über diese Maßnahmen entscheiden.

Was sind die Folgen einer Verletzung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats?

Wenn der Arbeitgeber das Informations-, Beratungs- oder Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung nicht beachtet, kann dies verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen.

Verstoß gegen das Informationsrecht oder Beratungsrecht

Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht, nicht rechtzeitig, wahrheitswidrig oder unvollständig über die Planung von Bauvorhaben, technischen Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze informiert, begeht er eine Ordnungswidrigkeit. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 10.000,- Euro geahndet werden.

Der Betriebsrat kann sowohl seinen Anspruch auf Unterrichtung als auch seinen Anspruch auf Beratung über die Planung von Bauvorhaben, technischen Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen sowie der Arbeitsplätze auch mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen. In Betracht kommt hier auch ein Antrag des Betriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Umstritten ist, ob dem Betriebsrat bei Verletzung seines Informations- und Beratungsrechts ein Unterlassungsanspruch zusteht, ob er also mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen kann, dass der Arbeitgeber die von ihm beabsichtigten Maßnahmen so lange nicht umsetzen darf, bis der Betriebsrat ausreichend informiert worden ist und die Beratung über die Maßnahmen abgeschlossen ist.

“Verstoß” gegen das Mitbestimmungsrecht

Wenn der Arbeitgeber dem Verlangen des Betriebsrats nach angemessenen Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung nicht nachkommt, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle einschalten. Dann würde die Einigungsstelle für Arbeitgeber und Betriebsrat rechtsverbindlich über diese Maßnahmen entscheiden.

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

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