Sachlicher Geltungsbereich
In sachlicher Hinsicht müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, die zum einen die Art des Betriebes, zum anderen seine Größe betreffen. Zur Art des Betriebes gibt es zwei wichtige Ausnahmen, in denen das Betriebsverfassungsgesetz nicht anwendbar ist.
Ausnahme 1: Öffentliche Betriebe
Auf Betriebe des öffentlichen Dienstes findet das Betriebsverfassungsgesetz ausnahmslos keine Anwendung (§ 130 Betriebsverfassungsgesetz). Diese Bereichsausnahme greift immer, wenn der Rechtsträger der Staat selbst oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Für solche Betriebe gelten die entsprechenden Personalvertretungsgesetze.
Beispiele: sämtliche öffentlichen Schulen, Universitäten, Bundesagentur für Arbeit, Sparkassen, Deutsche Bundesbank, Verwaltungen der Gemeinden und Landkreise, Bundes- und Landesbehörden.
Aufgrund verfassungsrechtlicher Regelungen können sich Religionsgemeinschaften ebenfalls als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisieren. Beispiele hierfür sind:
- die Bistümer und der Diözesenverband bei der römisch-katholischen Kirche,
- der Zusammenschluss der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),
- die evangelischen Freikirchen,
- der Zentralrat der Juden in Deutschland.
Ausnahme 2: Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen
Auf eventuell privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften findet das Betriebsverfassungsgesetz ebenfalls keine Anwendung. Ebenso sind ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen von seinem Geltungsbereich ausgenommen (§ 118 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz). Wegen der vielfachen öffentlich-rechtlichen Organisation von Religionsgemeinschaften, hat diese Ausnahme insbesondere für ihre Einrichtungen Bedeutung. Es seien als Beispiele genannt:
- Kindergärten,
- Krankenhäuser, Altenheime und Waisenhäuser,
- das Diakonische Werk,
- der Caritasverband.
Eingeschränkte Geltung für Tendenzbetriebe
Begriff des Tendenzbetriebes
In den sogenannten Tendenzbetrieben gibt es eine Einschränkung der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes. Nach der gesetzlichen Definition (§ 118 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz) sind Tendenzbetriebe solche, die unmittelbar und überwiegend
- politischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dienen,
(also z.B.: die politischen Parteien und ihre Verwaltung, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Vertriebenenverbände, Deutsches Rotes Kreuz, Privatschulen, Theater, Symphonieorchester),
- oder Betriebe, die im Rahmen der Pressefreiheit Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen
Hierunter fallen sämtliche Massenmedien, also z.B. Radio- und Fernsehsender, Betriebe von Herausgebern von Zeitungen, Zeitschriften sowie Zeitungsverlage.
Nicht unter diese Vorschriften fallen die Geschäfte des Buch- und Zeitschriftenhandels. Sie werden nur als Verkäufer tätig, nehmen aber auf den Inhalt ihrer Ware keinen Einfluss. Eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer über den Betriebsrat kann in diesen Betrieben die Tendenzsetzung nicht beeinträchtigen, da der bloße Verteiler keine eigene Tendenz setzt.
Grund der Einschränkung
In § 118 Absatz 1 Satz 1 heißt es weiter, dass das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung findet, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes entgegensteht. Der Grund für diese Regelung klang bereits im letzten Beispiel an. Die Verbreitung von bestimmten Weltanschauungen und Meinungen findet in organisierter Form unter dem Einsatz von Arbeitnehmern statt. Diese Zwecksetzung muss der Arbeitgeber wirksam verfolgen können und dürfen. Diese vom Arbeitgeber gesetzte Tendenz darf nicht durch ein Einwirken des Betriebsrates abgeschwächt oder gar beseitigt werden.
So muss es z.B. dem Herausgeber eine Zeitung möglich sein, dieser eine bestimmte politische Richtung zu geben. Hier ist es nötig, die normalen Beteiligungsrechte des Betriebsrates, z.B. bei der Einstellung von Redakteuren, einzuschränken, um die Tendenzverwirklichung zu ermöglichen.
Die Frage nach dem zulässigen Umfang der Einschränkung des Betriebsverfassungsgesetzes lässt sich nicht allgemeingültig in einer Aussage zusammenfassen. Fest steht aber eines: Die Wahl und Einrichtung eines Betriebsrates sind auch in Tendenzbetrieben immer zulässig. Die Einschränkung kann sich also erst bei der konkreten mitbestimmenden Arbeit des Betriebsrates bemerkbar machen.
Größe des Betriebes
Im Betrieb müssen ferner mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer ständig beschäftigt sein. Von diesen müssen wiederum drei auch gewählt werden können (§ 1 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz). Diese umständlich wirkende Formulierung erklärt sich aus den Regeln zur Wahlberechtigung. Diese sollen ausführlich weiter unten behandelt werden. Zum besseren Verständnis aber hier eine kurze Erläuterung:
Den Betriebsrat mitwählen dürfen alle Arbeitnehmer ab dem 18. Lebensjahr (§ 7 Betriebsverfassungsgesetz). In den Betriebsrat gewählt werden dürfen aber nur Arbeitnehmer, die wahlberechtigt, sprich über 18. Jahre alt sind, und bereits ein halbes Jahr dem Betrieb angehören (§ 8 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz).
Beispiel: Ein Betrieb, der schon einige Jahre besteht, hat seitdem nur drei Arbeitnehmer (A, B und C). In ihm kann also kein Betriebsrat gewählt werden. Werden nun mindestens zwei weitere Arbeitnehmer (E und F) eingestellt, so kann auch umgehend ein Betriebsrat errichtet werden. Mitwählen dürfen alle fünf Arbeitnehmer. Für die Mitgliedschaft im Betriebsrat kandidieren dürfen aber nur A, B und C. (Anmerkung: Bei Betrieben bis 20 Mitarbeitern besteht der Betriebsrat nur aus einer Person).
Den Betriebsrat mitwählen kann also jeder volljährige Arbeitnehmer, um einen Sitz darf sich aber nur bewerben, wer schon ein halbes Jahr im Betrieb tätig ist. Sinn der Regelung ist es, dass Betriebsratsmitglieder schon etwas vertraut mit dem Abläufen innerhalb des Betriebes sein sollen. Nur wer die Verhältnisse vor Ort bereits etwas besser kennt, hat auch die Möglichkeit hier als Betriebsratsmitglied sachgerecht im Interesse der Arbeitnehmer mitzuwirken.
Ausnahme bei Neugründungen von Betrieben
Werden Betriebe mit mindestens fünf Arbeitnehmern neu gegründet, so müssten diese nach dem oben Gesagten also wenigstens ein halbes Jahr warten, bevor sie einen Betriebsrat einrichten könnten. Eine derartige Schwächung der Mitbestimmung wird durch eine Ausnahmeregel vermieden (§ 8 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz).
In neugegründeten Betrieben, die noch kein halbes Jahr bestehen, kann jeder Arbeitnehmer in den Betriebsrat gewählt werden. Sinn der Regelung ist es, die umgehende Einrichtung eines Betriebsrates zu ermöglichen.
Persönlicher Geltungsbereich
Ist nach der Art des Betriebes keiner der dargestellten Ausschlussgründe gegeben und hat er die genügende Anzahl an Mitarbeitern, stellt sich die Frage, welche Mitarbeiter das Betriebsverfassungsgesetz einbezieht. Nur diese können an der Betriebsratswahl teilnehmen und von seiner Mitwirkung letztlich profitieren.
Arbeitnehmer
Das Betriebsverfassungsgesetz gilt nur für Arbeitnehmer. Dieses ergibt sich aus seinem gerade dargestellten § 1. Dieser setzt die Wahl des Betriebsrates durch die Arbeitnehmer voraus.
Arbeitnehmerbegriff
Dabei setzt das Betriebsverfassungsgesetz den Arbeitnehmerbegriff ohne weitere eigene Erläuterung als gegeben voraus. Die allgemeine Ansicht zum Arbeitnehmer formuliert folgendermaßen: Arbeitnehmer ist, wer
- sich durch einen privatrechtlichen Vertrag
- zur Leistung von Diensten verpflichtet
- und diese in unselbständiger Arbeit verrichtet
Das prägende Merkmal ist die zuletzt angesprochene Unselbständigkeit. Diese ist gegeben, wenn über Zeit und Ort der Leistungserbringung im wesentlichen nicht selbst bestimmt werden kann.
Natürlich kann es bei den vielen Formen der heutigen Beschäftigungsverhältnisse im Einzelfall sehr schwierig sein zu beurteilen, ob jemand Arbeitnehmer ist oder nicht. Dadurch hat sich zu dem Arbeitnehmerbegriff eine sehr umfassende Rechtsprechung entwickelt. Dieser werden zum Teil wiederum weitere Kriterien zur Bestimmung der Eigenschaft als Arbeitnehmer entnommen. Für die betriebsverfassungsrechtliche Betrachtung sei auf die Grundformel verwiesen.
Der § 5 Betriebsverfassungsgesetz trifft nun über insgesamt vier Absätze zahlreiche Regelungen dazu, wer im Sinne dieses Gesetzes als Arbeitnehmer anzusehen ist und wer nicht. In seinem ersten Absatz nennt es die Arbeiter und Angestellten, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten und einige Beschäftigte, die außerhalb des Betriebes tätig sind.
Arbeiter und Angestellte
Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten ist mittlerweile eine rein sprachliche. Sie hat keinerlei rechtliche Bedeutung mehr. Sowohl bei Arbeitern als auch bei Angestellten handelt es sich um Arbeitnehmer.
Leiharbeitnehmer
Als Leiharbeitnehmer werden diejenigen bezeichnet, die bei einem Zeitarbeitsunternehmen angestellt sind und einem anderen Arbeitgeber zur Ausübung der Arbeit überlassen werden. Sie dürfen den Betriebsrat mitwählen, wenn sie volljährig sind und dem Betrieb mindestens 3 Monate angehören (§ 7 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz). Um einen Sitz im Betriebsrat bewerben können sich die Leiharbeitnehmer jedoch nicht (§ 14 Absatz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz). Typischerweise wechseln die Einsatzorte der Leiharbeitnehmer in kürzeren Abständen, sodass sie nicht dauerhaft und wirkungsvoll im Betriebsrat mitwirken könnten, der grundsätzlich für vier Jahre gewählt wird (§ 13 Betriebsverfassungsgesetz).
Auszubildende
Ferner stellt das Gesetz klar, dass die im Rahmen einer Berufsausbildung Beschäftigten als Arbeitnehmer anzusehen sind und somit in den persönlichen Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes fallen. Diese Regelung wurde aufgenommen, weil es zweifelhaft ist, dass Auszubildende nach dem allgemeinen Arbeitnehmerbegriff unter diese Gruppe fallen.
Beschäftigte außerhalb des räumlichen Betriebsbereiches
Ferner nennt das Gesetz noch die Gruppen der Beschäftigten, die außerhalb des räumlichen Bereiches des Betriebes arbeiten. Dieses sind die
- im Außendienst Beschäftigten,
- mit Telearbeit Beschäftigte,
- die in Heimarbeit Beschäftigten, wenn sie in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten.
Die Angehörigen dieser Gruppen werden in den Arbeitnehmerbegriff einbezogen und sind damit berechtigt, an der Wahl des Betriebsrates teilzunehmen.
Ausschluss des persönlichen Geltungsbereiches
In seinen Absätzen 2 und 3 nimmt das Betriebsverfassungsgesetz mehrere Personengruppen aus seinem persönlichen Geltungsbereich heraus.
Der § 5 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz ordnet an, dass folgende Personen keine Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind:
- in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist.
Dieses sind z.B. die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, oder der Geschäftsführer einer GmbH.
- die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben.
Hierbei handelt es sich z.B. um die vertretungsberechtigten Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (oHG) oder einer Kommanditgesellschaft (KG).
Bei diesen zwei Personengruppen wird es sich regelmäßig bereits nach der allgemeinen Definition nicht um Arbeitnehmer handeln. Das Betriebsverfassungsgesetz will sie aber sicher von den durch den Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmern ausgenommen wissen. Dieses auch mit gutem Grund: Die genannten Gesellschaften (GmbH, AG, oHG, KG) sind nämlich allesamt selbst Arbeitgeber. Um handlungsfähig zu sein, müssen sie von den genannten Personen vertreten werden. Es ist aber sinnlos, wenn Vertreter des Arbeitgebers zugleich auf der Seite der Arbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich mitwirken könnten.
Danach sind noch drei weitere Personengruppen aufgeführt, auf die das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung findet:
- Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist (z.B. Mönche und Ordensschwestern).
- Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden (z.B. Kranke, körperlich behinderte Menschen).
Grund der Ausnahme ist bei diesen Gruppen, dass sie keine eigentliche Erwerbsabsicht verfolgen, wie der normale Arbeitnehmer. Ihre Absicherung ist durch ihre Zugehörigkeit zum Kloster gewährleistet bzw. bei der zweiten Gruppe durch die Organisation der arbeitstherapeutischen Maßnahme. Zu beachten ist, dass die normalen Krankenschwestern nicht unter die erste Gruppe fallen. Neben karitativen Beweggründen spielt für sie auch der Erwerb eine Rolle, weil sie von diesem ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.
Zuletzt sind genannt:
- der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.
Hier liegt der Ausschluss des Betriebsverfassungsgesetzes auf der Hand. Wer z.B. als Ehepartner des Arbeitgebers als Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist, könnte nicht ohne Interessenskonflikt die Beschäftigten im Betriebsrat vertreten.
Keine Anwendung auf leitende Angestellte
Nach § 5 Absatz 3 ist das Betriebsverfassungsgesetz nicht auf leitende Angestellte anzuwenden. Es folgt eine ausführliche Definition. Danach ist leitender Angestellter, wer
- zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
- Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
- regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt […]. Dazu, wann solche Aufgaben regelmäßig wahrgenommen werden, gibt es noch eine eigene ausführliche Regelung für Zweifelsfälle (§ 5 Absatz 4 Betriebsverfassungsgesetz).
Deutlich wird, dass es leitende Angestellte geben kann, die nach ihrer Funktion eher dem Arbeitgeber nahe stehen. Sie sind zwar rechtlich Arbeitnehmer, nehmen aber Arbeitgeberaufgaben wahr. Damit werden sie sich auch regelmäßig nicht auf der Seite des Betriebsrates sehen. Folglich dürfen sie diesen nicht mitwählen, um entsprechende Interessenskonflikte zu vermeiden. Zur Vertretung ihrer Belange können die leitenden Angestellten gegebenenfalls einen sogenannten Sprecherausschuss wählen.
Das Betriebsverfassungsgesetz nimmt also einige Gruppen von seinem Geltungsbereich aus. Auch innerhalb der Arbeitnehmer, auf die es anzuwenden ist, unterscheidet es noch verschiedene Belegschaftsgruppen. Diese spielen eine Rolle für die Organisation der Betriebsverfassung, welcher der folgende Abschnitt gewidmet ist.