Betriebsräte haben oft das Ziel, sicherzustellen, dass die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer korrekt erfasst werden. Eine exakte Arbeitszeiterfassung ist von entscheidender Bedeutung, um die gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitszeit einzuhalten, Überstunden zu dokumentieren und unbezahlte Mehrarbeit zu vermeiden. In diesem Artikel klären wir, ob und wie der Betriebsrat Maßnahmen ergreifen kann, um eine systematische Dokumentation der Arbeitszeiten im Betrieb durchzusetzen.
von Rechtsanwalt Dr. jur. Henning Kluge
Die Erfassung von Arbeitszeiten ist für vielen Betriebsräten ein wichtiges Anliegen. Ein Grund dafür ist, dass nur durch eine präzise Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden die Einhaltung gesetzlicher Arbeitszeitvorschriften überprüft werden kann. Darüber hinaus dient die Arbeitszeiterfassung dazu, Überstunden transparent zu machen und unbezahlte Mehrarbeit zu verhindern. Sie ist somit ein wichtiger Faktor für den Gesundheitsschutz der Belegschaft und sorgt gleichzeitig für Fairness und Transparenz im Betrieb.
In der Praxis stellt sich jedoch oft die Frage, wie der Betriebsrat die korrekte Arbeitszeiterfassung gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen kann – vor allem dann, wenn der Arbeitgeber zögert oder sich weigert, ein entsprechendes System einzuführen.
Ist ein Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeiten verpflichtet?
Zum aktuellen Zeitpunkt existiert in Deutschland noch kein Gesetz, das Arbeitgeber ausdrücklich dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter systematisch zu erfassen. Ein entsprechendes Gesetz, das eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung explizit vorschreiben soll, ist zwar in Arbeit, doch der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist bislang unklar. Das bedeutet jedoch nicht, dass Arbeitgeber derzeit keine Verpflichtung zur Zeiterfassung haben.
Bereits 2022 hat das Bundesarbeitsgericht in einem richtungsweisenden Urteil entschieden, dass Arbeitgeber auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet sind. Diese Verpflichtung ergibt sich aus einer Generalklausel des Arbeitsschutzgesetzes (§ 3 Abs. 2). Das Gericht stellte klar, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung eine notwendige Maßnahme ist, um den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer sicherzustellen. Arbeitgeber müssen daher ein System einführen, das die täglichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten dokumentiert, einschließlich Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie Überstunden.
Warum viele Arbeitgeber zögern
Trotz dieses Urteils setzen viele Arbeitgeber die Arbeitszeiterfassung nur unzureichend um. Oft wird argumentiert, dass ein Zeiterfassungssystem mit hohen Kosten und Verwaltungsaufwand verbunden sei. Einige Arbeitgeber befürchten zudem, dass eine strenge Zeiterfassung die Flexibilität und Agilität im Arbeitsalltag einschränkt. Für Arbeitnehmer, die beispielsweise Vertrauensarbeitszeit genießen, könnten solche Systeme als störend oder hinderlich empfunden werden.
Auf der anderen Seite steht jedoch das Interesse der Arbeitnehmer und des Betriebsrats an Transparenz und an der Einhaltung der Arbeitszeitgesetze. Ohne eine verlässliche Arbeitszeiterfassung können Überstunden schnell unter den Tisch fallen und es droht die Gefahr von unbezahlter Mehrarbeit. Das kann nicht nur die Motivation der Mitarbeiter mindern, sondern auch zu gesundheitlichen Belastungen führen, da keine klaren Grenzen zwischen Arbeits- und Ruhezeiten gezogen werden.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats: Kann er den Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung zwingen?
Wenn ein Arbeitgeber die Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer nicht erfasst, stellt sich für den Betriebsrat die Frage: Kann der Betriebsrat den Arbeitgeber zur Einführung einer Arbeitszeiterfassung zwingen?
Um dies zu beantworten, muss zunächst geklärt werden, ob der Betriebsrat in diesem Bereich ein Mitbestimmungsrecht hat. Ein solches Mitbestimmungsrecht würde dem Betriebsrat die Möglichkeit geben, eine Betriebsvereinbarung vom Arbeitgeber zu verlangen, die eine verbindliche Regelung zur Zeiterfassung enthält.
Das „Ob“ der Arbeitszeiterfassung: Keine Mitbestimmung des Betriebsrats
Bezüglich der Frage, ob überhaupt eine Zeiterfassung im Betrieb eingeführt werden muss, hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Das liegt daran, dass die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten gesetzlich vorgeschrieben ist, wie das Bundesarbeitsgericht 2022 entschieden hat. Zwingende gesetzliche Vorgaben, die für alle Arbeitgeber verbindlich sind, unterliegen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Für den Betriebsrat besteht also keine Möglichkeit, über das grundsätzliche „Ob“ der Arbeitszeiterfassung zu verhandeln oder diese Verpflichtung für den Arbeitgeber abzuwenden.
Das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung: Hier greift das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Ganz anders verhält es sich jedoch bei der Frage, wie die Arbeitszeiterfassung umgesetzt wird. Es ist zwar gesetzlich vorgeschrieben, dass Arbeitszeiten erfasst werden müssen, der Arbeitgeber hat jedoch einen Spielraum bei der Frage, welche Methode zur Erfassung verwendet wird. Hierbei hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen mitzubestimmen, die den Gesundheitsschutz betreffen und die der Arbeitgeber aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift treffen muss. Und eine solche Situation haben wir hier. Der Arbeitgeber muss aufgrund der Rahmenvorschrift des § 3 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer erfassen.
Wie kann der Betriebsrat die Arbeitszeiterfassung durchsetzen?
Wenn der Betriebsrat der Ansicht ist, dass im Betrieb keine ausreichende Regelung zur Arbeitszeiterfassung existiert, kann er vom Arbeitgeber verlangen, gemeinsam eine Betriebsvereinbarung zu erarbeiten. Diese Betriebsvereinbarung könnte genau festlegen, wie die Arbeitszeiten erfasst werden sollen – etwa durch elektronische Zeiterfassungssysteme, handschriftliche Aufzeichnungen oder Apps.
Sollte der Arbeitgeber sich weigern, eine solche Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abzuschließen, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, ein Einigungsstellenverfahren einzuleiten. Die Einigungsstelle ist ein Schlichtungsgremium, das aus Vertretern des Betriebsrats und des Arbeitgebers sowie einem neutralen Vorsitzenden besteht. Sollte es im Verlauf dieses Verfahrens zu keiner Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kommen, wird die Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung durch einen Einigungsstellenspruch aufstellen.
Zwang zur Einhaltung der Betriebsvereinbarung
Sobald eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung aufgestellt ist, ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich an die darin festgelegten Regelungen zu halten. Sollte der Arbeitgeber die Vereinbarung missachten oder sich weigern, diese umzusetzen, kann der Betriebsrat rechtliche Schritte einleiten und den Arbeitgeber notfalls mit Hilfe des Arbeitsgerichts zur Einhaltung der Betriebsvereinbarung zwingen.