Die wichtigsten Gerichtsentscheidungen zum Verbot der Störung und Behinderung des Betriebsrats

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Nach § 78 Satz 1 BetrVG dürfen die Betriebsratsmitglieder in der Ausübrung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Durch diese Vorschrift werden nicht nur die einzelnen Betriebsratsmitglieder, sondern auch der Betriebsrat als Gremium geschützt. Wir stellen Euch die wichtigsten Gerichtsentscheidungen zum Verbot der Störung und Behinderung des Betriebsrats vor.

Verbot der Störung und der Behinderung der Betriebsratstätigkeit richtet sich an jedermann

Nicht nur dem Arbeitgeber ist es verboten, den Betriebsrat in seiner Tätigkeit zu stören oder zu behindern. Das Verbot richtet sich an jedermann, also z.B. auch an Arbeitskollegen und sogar an nicht betriebsangehörige Personen.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – 7 ABR 74/12:

„Das Verbot der Störung und der Behinderung der Betriebsratstätigkeit richtet sich nicht nur gegen den Arbeitgeber und die für ihn handelnden Personen, sondern es besteht gegenüber jedermann; es richtet sich also auch gegen außerbetriebliche Personen und Stellen.“

Unterlassungsanspruch bei Störung oder Behinderung der Betriebsratsätigkeit

Sowohl der Betriebsrat als auch die einzelnen Betriebsratsmitglieder haben einen Anspruch auf Unterlassung gegen die Person, die die Betriebsratstätigkeit stört bzw. behindert.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12. November 1997 – 7 ABR 14/97:

„Dem Betriebsrat steht bei einer Störung oder einer Behinderung der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch ist in § 78 Satz 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Er folgt jedoch aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern  und kann als selbständig einklagbarer Nebenleistungsanspruch auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung bestehen.“

Bekanntgabe von Betriebsratskosten durch den Arbeitgeber

Ein Arbeitgeber verstößt gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratstätigkeit, wenn er die vom Betriebsrat verursachten Kosten gegenüber der Belegschaft in einer Art und Weise bekannt macht, die die Betriebsratsmitglieder in einem unberechtigten negativen Licht erscheinen lässt.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12. November 1997 – 7 ABR 14/97:

„Gibt der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratstätigkeit in einer Weise bekannt, die nicht in Einklang mit dem Betriebsverfassungsgesetz steht, hat der Betriebsrat einen Anspruch auf Unterlassung.“

Schlechtmachen des Betriebsrats gegenüber der Belegschaft

Ein Arbeitgeber stört und behindert den Betriebsrat in seiner Tätigkeit, wenn er sich gegenüber der Belegschaft herabsetzend über den Betriebsrat äußert.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 06. April 2004 – 1 TaBV 64/03:

„Eine objektive Beeinträchtigung der Betriebsratstätigkeit iSv § 78 S 1 BetrVG durch herabsetzenden Äußerungen der Arbeitgeberin in Aushängen uä ist nicht durch die Meinungsfreiheit in Art 5 Abs 1 S 1 GG gedeckt. Der Betriebsrat kann insoweit Unterlassung von Arbeitgeberin verlangen.“

Verweigerung des Zugangs zum Betriebsgelände

Wenn der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied den Zutritt zum Betriebsgelände verweigert, stellt dies in der Regel eine unzulässige Behinderung der Betriebsratstätigkeit dar.

Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 28. September 2005 – 9 TaBV 58/05:

„Grundsätzlich hat nicht nur der Betriebsrat in seiner Gesamtheit, sondern ebenso jedes einzelne Betriebsratsmitglied ein materielles Recht auf ungestörte Amtsausübung; dies folgt aus § 78 BetrVG. Daraus resultiert nach ganz herrschender Meinung auch ein Anspruch auf Zutrittsgewährung zum Betrieb. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Person, für die das Zutrittsrecht geltend gemacht wird, dem Betriebsrat noch angehört und der Arbeitgeber nicht ausnahmsweise zur Zutrittsverweigerung berechtigt ist .

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Oktober 1999 – 7 ABR 37/98:

„Dem Betriebsrat steht bei einer Störung oder Behinderung seiner Arbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch ist zwar in § 78 Satz 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Er folgt jedoch aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern. Hiernach kann im Einzelfall die Zutrittsverweigerung durch die Arbeitgeberin eine unzulässige Behinderung der Amtstätigkeit des Betriebsrats darstellen und einen Anspruch des Betriebsrats auf Duldung des Zutritts begründen.“

Anbrüllen von Betriebsratsmitgliedern

Auch durch das Anschreiben von Betriebsratsmitgliedern kann ein Arbeitgeber gegen das Verbot der Störung und Behinderung der Betriebsratstätigkeit verstoßen.

Arbeitsgericht Frankfurt, Beschluss vom 14. Januar 1999 – 13 BV 17/97:

„Der Betriebsrat hat mit Recht der Arbeitgeberin aufgegeben, es zu unterlassen, Betriebsratsmitglieder bei Ausübung ihres Mandats anzubrüllen. […] Die Arbeitgeberin hat es ferner zu unterlassen, Betriebsratsmitglieder bei der Ausübung ihres Mandats daran zu hindern, Räume zu verlassen. […] Ein derartiges Verhalten der Arbeitgeberin kann in keiner Weise hingenommen werden.“

Anweisungen des Arbeitgebers zur Abmeldung für Betriebsratstätigkeit

Anweisungen eines Arbeitgebers dazu, wie sich ein Betriebsratsmitglied abzumelden und wieder zurückzumelden hat, wenn es Betriebsratstätigkeiten ausüben will, verstoßen gegen das Verbot der Störung bzw. Behinderung der Betriebsratstätigkeit.

Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Beschluss vom 26. November 2013 – 7 TaBV 74/13:

„Der Begriff der Störung bzw. Behinderung der Betriebsratstätigkeit nach § 78 Satz 1 BetrVG ist sehr weitgehend: Er umfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit, wobei ein Verschulden oder eine Absicht zur Behinderung nicht erforderlich ist. Hieraus folgt, dass Anweisungen der Arbeitgeberin, die sich nicht im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Normen halten, in der Regel als Störung der Betriebsratsarbeit zu qualifizieren sind. Die Anweisung der Arbeitgeberin vom 06.07.2012 zur Buchung von Anmeldeverpflichtungen wegen Betriebsratsarbeit hat keine gesetzliche oder vertragliche Grundlage. […] Nach alledem muss es dabei verbleiben, dass eine wirksame Anweisung der Arbeitgeberin zur Ausgestaltung der Ab- und Anmeldepflichten für Betriebsratstätigkeit nicht erfolgen kann.“

Arbeitgeber verklagt einzelne Betriebsratsmitglieder

Wenn ein Arbeitgeber zu Unrecht einzelne Betriebsratsmitglieder verklagt, kann dies einen Verstoß gegen das Verbot der Störung bzw. Behinderung der Betriebsratstätigkeit darstellen.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 04. Juli 2012 – 13 TaBV 4/12:

„Der Betriebsrat kann seinen Unterlassungsanspruch auf § 78 Satz 1 BetrVG stützen. Das vom Betriebsrat beanstandete Verhalten der Arbeitgeberin stellt eine Behinderung seiner Amtstätigkeit dar. […] Die Belastung der einzelnen Mitglieder des Betriebsrats mit individualrechtlichen Klageverfahren wegen vom Betriebsrat als Organ abgegebener Äußerungen stellt eine rechtlich unzulässige Erschwerung der Betriebsratsarbeit dar. Bereits oben wurde dargelegt, dass der von der Arbeitgeberin in einem individualrechtlichen Klageverfahren gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder verfolgte Unterlassungsanspruch rechtlich unbegründet war.“

Androhung der Streichung von Vergünstigungen

Es kann eine Störung der Betriebsratstätigkeit darstellen, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat damit droht, bestimmte Vergünstigungen für die Arbeitnehmer ganz abzuschaffen, wenn darüber keine Einigung ohne Einschaltung der Einigungsstelle zustande kommt.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 31. Juli 2008 – 9/4 TaBV 24/08:

Das vom Betriebsrat beanstandete Verhalten des Arbeitgebers stellt eine Behinderung seiner Amtstätigkeit dar. […] Eine Behinderung kann auch bereits in Äußerungen des Arbeitgebers zur Betriebsratsarbeit und deren Folgen liegen. […]

Die Beteiligte zu 2) [die Arbeitgeberin] drohte den Mitgliedern des Betriebsrats und den vom Betriebsrat bestellten Mitgliedern der Einigungsstelle durch ihren Personalleiter F an, zukünftig keine kostenlosen Parkplätze im ersten Untergeschoss der Tiefgarage mehr zur Verfügung zu stellen und diese kostenpflichtig zu vermieten, falls es nicht ohne Einigungsstelle zu einer Einigung kommt. Diese angedrohte Einschränkung der kostenlosen Parkplatznutzung für die Mitarbeiter gegenüber dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern stellt den Versuch dar, diese von der rechtmäßigen Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten abzuhalten. Benutzungsregelungen für Parkplätze sind mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Es handelt sich um die beabsichtigte Maßregelung der Belegschaft durch die Streichung von Vergünstigungen, für die der Betriebsrat bzw. die von ihm bestellten Einigungsstellenmitglieder verantwortlich gemacht werden, weil sie nicht zu einer Einigung ohne Einigungsstelle bereit waren. Dies ist ein massiver Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrVG und stellt eine Störung der Betriebsratstätigkeit dar.“

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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