Wenn der Betriebsrat als Gremium eine Pflicht verletzt und es sich dabei nicht nur um eine “einfache”, sondern um eine “grobe” Pflichtverletzung handelt, kann der Betriebsrat aufgelöst werden. In diesem Artikel gehen wir 5 Pflichtverletzungen eines Betriebsrats durch, die in der Rechtsprechung oder in der juristischen Literatur als mögliche Gründe für die Auflösung eines Betriebsrats anerkannt sind.
Nichterledigung organisatorischer Pflichtaufgaben
Ein Grund für die Auflösung eines Betriebsrats kann die Nichterledigung organisatorischer Pflichtaufgaben sein, die ein Betriebsratsgremium hat.
Jedes Betriebsratsgremium hat bestimmte organisatorische Pflichtaufgaben, die unbedingt erledigt werden müssen. Dazu gehört z.B. die unverzügliche Wahl eines Betriebsratsvorsitzenden, immer dann, wenn diese Positionen gerade unbesetzt sind. Weitere Beispiele für organisatorischen Pflichtaufgaben, die ein Betriebsratsgremium haben kann, und die dann auch unbedingt erledigt werden müssen, sind, die Bildung eines Betriebsausschusses, wenn der Betriebsrat aus mindestens 9 Mitgliedern besteht und die Bestellung der Mitglieder für den Gesamtbetriebsrat, wenn es einen Gesamtbetriebsrat gibt.
Wenn der Betriebsrat eine dieser organisatorischen Pflichtaufgaben, die unbedingt erledigt werden müssen, nicht erledigt, ist das eine Pflichtverletzung, die die Auflösung des Betriebsrats rechtfertigen kann.
Grund dafür ist, dass der Betriebsrat ohne die Erledigung dieser Pflichtaufgaben einfach nicht in der Lage ist, seine gesetzlichen Aufgaben im Interesse der Belegschaft so wahrzunehmen, wie es sich der Gesetzgeber vorstellt. Ohne einen Betriebsratsvorsitzenden ist der Betriebsrat z.B. praktisch gar nicht handlungsfähig und ohne die Bestellung von Gesamtbetriebsratsmitgliedern wird die Belegschaft des Betriebs nicht auf Unternehmensebene repräsentiert.
Weigerung der Zusammenarbeit mit dem zuständigen Personalleiter
Ein weiterer möglicher Grund für die Auflösung eines Betriebsrats hat etwas mit der wechselseitigen Pflicht von Arbeitgeber und Betriebsrat zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zu tun. Diese Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit bedeutet insbesondere, dass Arbeitgeber und Betriebsrat eigentlich immer wechselseitig zu Gesprächen bereit sein müssen. Keine Seite darf den Dialog mit der anderen Seite verweigern.
Jetzt kann es aber sein, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat für bestimmte Themen einen Ansprechpartner nennt, mit dem der Betriebsrat vielleicht nur ungern zusammenarbeitet. In einem solchen Fall ist es wichtig zu beachten, dass der Betriebsrat grundsätzlich dazu verpflichtet ist, mit den ihm vom Arbeitgeber genannten Ansprechpartnern zusammenzuarbeiten. Das gilt jedenfalls dann, wenn der jeweilige Ansprechpartner bei dem entsprechenden betriebsverfassungsrechtlichen Thema über eine ausreichende Sachkompetenz und eventuell auch über eine gewisse Entscheidungsbefugnis verfügt, wie das z.B. bei einem Personalleiter normalerweise der Fall sein dürfte.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat deshalb bereits einmal entschieden, dass in der nachhaltigen Weigerung eines Betriebsrats, mit dem Personalleiter zusammenzuarbeiten, eine grobe Pflichtverletzung liegen kann, die die Auflösung des Betriebsrats rechtfertigt.
Umgekehrt dürfte sich aber natürlich auch der Arbeitgeber nicht weigern, mit bestimmten Betriebsratsmitgliedern zusammenzuarbeiten. Wenn der Betriebsrat z.B. einen Personalausschuss gebildet hat, dann ist der Vorsitzende dieses Personalausschusses der Ansprechpartner für den Arbeitgeber in den personellen Angelegenheiten, die der Betriebsrat dem Ausschuss zur selbständigen Erledigung übertragen hat und der Arbeitgeber muss dann den Personalausschussvorsitzenden in diesen Angelegenheiten als Ansprechpartner akzeptieren.
Abschluss einer Betriebsvereinbarung entgegen § 77 Abs. 3 BetrVG
Ein weiterer Grund für die Auflösung eines Betriebsrats kann dann vorliegen, wenn ein Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber abschließt und in dieser Betriebsvereinbarung ein Thema geregelt wird, das schon in einem Tarifvertrag geregelt ist. Denn durch den Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung könnte der Betriebsrat gegen den sogenannten “Vorrang des Tarifvertrages” verstoßen.
Nach § 77 Abs. 3 BetrVG ist es Arbeitgebern und Betriebsräten verboten, in einer Betriebsvereinbarung Dinge zu regeln, die schon in einem Tarifvertrag geregelt sind. Dieses Verbot gilt natürlich auf jeden Fall dann, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist und deshalb im Betrieb ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt. Es kann aber sogar auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist und im Betrieb deshalb auch gar kein Tarifvertrag angewendet wird.
Bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber gilt der Vorrang des Tarifvertrages dann, wenn der Betrieb in den räumlichen, fachlichen und betrieblichen Geltungsbereich eines existierenden Tarifvertrags fällt und das trifft auf ganz viele Betriebe zu.
Und wenn das der Fall ist, dann würde z.B. ein Betriebsrat, der mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung abschließen würde, in der z.B. die regelmäßige Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden festgelegt wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen den Tarifvorrang aus § 77 Abs. 3 verstoßen und damit eine Pflichtverletzung begehen, weil der Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit ein Thema ist, das in einem Tarifvertrag eigentlich immer geregelt ist.
Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die gegen den Vorrang des Tarifvertrages verstößt, ist in der Rechtsprechung und in der juristischen Literatur als grobe Pflichtverletzung anerkannt, die die Auflösung des Betriebsrats rechtfertigen kann.
Keine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers vor Stellungnahme zu einer Kündigung
Wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen will, hat der Betriebsrat die wichtige Aufgabe, eine Stellungnahme zu der beabsichtigten Kündigung abzugeben. Diese Stellungnahme des Betriebsrats – wenn sie denn zugunsten des Arbeitnehmers ausfällt – soll den Arbeitgeber noch einmal zum Nachdenken bewegen und ihn dazu veranlassen, vielleicht doch noch von der Kündigung abzusehen.
Bevor der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber zu einer beabsichtigten Kündigung Stellung nimmt, soll der Betriebsrat dem betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, seinerseits gegenüber dem Betriebsrat Stellung zu nehmen. Dazu heißt es im Gesetz:
§ 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG
“Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören.”
In Fällen einer betriebsbedingten Kündigung mag es häufig so sein, dass es aus Betriebsratssicht nicht unbedingt erforderlich erscheint, vorher eine Stellungnahme des Arbeitnehmers einzuholen. Denn hier kommt der Kündigungsgrund ja ausschließlich aus der Sphäre des Arbeitgeber. Wenn die Kündigung aber auf personenbedingte oder verhaltensbedingte Gründe gestützt wird, dann wird eine vorherige Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers in der Regel angebracht sein.
Und in der juristischen Literatur kann man nachlesen, dass ein Betriebsrat, der es wiederholt versäumt, betroffene Arbeitnehmer vor Abgabe seiner Stellungnahme zu einer Kündigung anzuhören, eine grobe Pflichtverletzung begeht.
Unterlassen der Veranstaltung der regelmäßigen Betriebsversammlungen
Jeder Betriebsrat hat eine regelmäßig wiederkehrende Pflicht zu erfüllen, die mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden sein kann und das ist die Pflicht zur Veranstaltung von Betriebsversammlungen.
Die regelmäßige Veranstaltung von Betriebsversammlungen ist eine echte Pflichtaufgabe eines jede Betriebsrats, wie man ganz klar dem Gesetzeswortlaut entnehmen kann:
§ 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
“Der Betriebsrat hat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten.”
Ein Betriebsrat, der in einem Quartal nicht die vorgeschriebene Betriebsversammlung durchführt, begeht schon eine Pflichtverletzung. Wenn das aber eine Ausnahme ist und nur ein Mal vorkommt, dann wäre das wohl noch keine grobe Pflichtverletzung, die gleich die Auflösung des Betriebsrats rechtfertigen würde. Und auch wenn der Betriebsrat im nächsten Quartal wieder keine Betriebsversammlung durchführen würde, wenn also der Betriebsrat zwei Mal nicht seiner Pflicht nachgekommen wäre, eine Betriebsversammlung durchzuführen, wäre es fraglich, ob man dann bereits von einer groben Pflichtverletzung sprechen könnte.
Aber spätestens dann, wenn der Betriebsrat drei Betriebsversammlungen in Folge ausfallen lässt, wird man wohl sagen müssen, dass der Betriebsrat eine grobe Pflichtverletzung begangen hat, die zur Auflösung des Betriebsrats führen kann. Denn Betriebsversammlungen werden vom Gesetzgeber als sehr wichtige Pflichtveranstaltungen angesehen, die der Betriebsrat im Interesse der Belegschaft durchführen muss, damit es zu einem regelmäßigen Informations- und Meinungsaustausch zwischen Betriebsrat und Belegschaft kommt.
Droht einem Betriebsrat bei einer Pflichtverletzung wirklich gleich die Auflösung?
Selbst wenn ein Betriebsrat einmal eine grobe Pflichtverletzung begangen haben sollte, heißt das aber noch lange nicht, dass dieser Betriebsrat dann auch tatsächlich aufgelöst wird.
Denn damit ein Betriebsrat tatsächlich aufgelöst wird, müsste erst einmal ein entsprechendes Arbeitsgerichtsverfahren geführt werden. Ein Betriebsrat kann natürlich nicht einfach durch eine Entscheidung der Belegschaft oder auf Anweisung des Arbeitgebers aufgelöst werden, sondern nur durch eine Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Und das Arbeitsgericht wird hier nur tätig, wenn jemand dort einen Antrag auf Auflösung des Betriebsrats einreicht. Einen solchen Antrag können nur bestimmte Personen einreichen, und zwar der Arbeitgeber, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft und die Arbeitnehmer des Betriebs, wobei sich aber mindestens ein Viertel der Arbeitnehmer des Betriebs zusammentun müssten. Einzelne Arbeitnehmer können den Antrag auf Auflösung des Betriebsrats nicht stellen.