Auflösung des Betriebsrats

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Der Betriebsrat hat eine Vielzahl an Rechten, aber auch viele Pflichten. Wenn der Betriebsrat in grober Weise gegen seine gesetzlichen Pflichten verstößt, kann dies zu seiner Auflösung führen. Die Auflösung des Betriebsrats wegen einer Pflichtverletzung kann aber nur durch das Arbeitsgericht erfolgen. Eine Abwahl des Betriebsrats durch die Arbeitnehmer des Betriebs ist nicht möglich.

Antrag auf Auflösung des Betriebsrats

Die Auflösung des Betriebsrats setzt einen entsprechenden Antrag voraus, der beim Arbeitsgericht eingereicht werden muss. Dieser Antrag kann nur von den in § 23 Abs. 1 BetrVG genannten Antragsberechtigten gestellt werden.

Antragsberechtigt sind:

  • mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebs
  • der Arbeitgeber
  • eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft

Wird der Auflösungsantrag von Arbeitnehmern gestellt, muss die erforderliche Mindestanzahl an Antragstellern (ein Viertel der Belegschaft) während der gesamten Dauer des Gerichtsverfahrens vorhanden sein. Eine vorübergehende Unterschreitung von kurzer Dauer sollte aber unproblematisch sein.

Der Arbeitgeber kann einen Auflösungsantrag nur auf die Verletzung von solchen Pflichten des Betriebsrats stützen, die gerade gegenüber ihm als Arbeitgeber bestehen. Er kann seinen Antrag dagegen z.B. nicht damit begründen, dass der Betriebsrat eine gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebs bestehende Pflicht verletzt habe.

Grobe Pflichtwidrigkeit des Betriebsrats

Voraussetzung für die Auflösung des Betriebsrats ist, dass diesem eine grobe Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten vorgeworfen werden kann. Zu den gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats zählen insbesondere die Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), aber auch Pflichten aus allen anderen Gesetzen.

Nicht erforderlich ist ein schuldhaftes Verhalten des Betriebsrats. Die Auflösung des Betriebsrats setzt kein Verschulden voraus.

Die Pflichtverletzung muss vom Betriebsrat als Gremium begangen worden sein (z.B. durch Fassen eines Beschlusses). Eine Pflichtverletzung, die lediglich von den Mitgliedern des Betriebsrats begangen worden ist, genügt nicht, auch wenn die Pflichtverletzung von sämtlichen Betriebsratsmitgliedern zeitgleich begangen worden ist. In derartigen Fällen kommt nur eine Amtsenthebung der einzelnen Betriebsratsmitglieder in Betracht, nicht aber eine Auflösung des Betriebsrats als Gremium.

Die Pflichtverletzung muss außerdem gerade von dem Betriebsratsgremium begangen worden sein, dessen Auflösung erfolgen soll. Ein Auflösungsantrag kann deshalb immer nur auf solche Pflichtverletzungen gestützt werden, die in der laufenden Amtsperiode des Betriebsrats erfolgt sind.

Eine vom Betriebsrat begangene Pflichtverletzung kann dessen Auflösung nur dann rechtfertigen, wenn diese grob ist. Es muss sich um eine erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung handeln. Ob eine Pflichtverletzung als grob anzusehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Weil die Auflösung des Betriebsrats eine besonders einschneidende Sanktion darstellt, ist eine Pflichtverletzung nur dann grob, wenn die weitere Amtsausübung des Betriebsrats unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles untragbar erscheint. Dabei sind insbesondere die betrieblichen Gegebenheiten und der Anlass der Pflichtverletzung zu berücksichtigen. Es ist die Frage zu stellen, ob der Betriebsrat aufgelöst werden muss, um die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung zu sichern oder wiederherzustellen. Die Arbeitsgerichte haben bei der Prüfung der Frage, ob eine Pflichtverletzung grob ist, einen gewissen Beurteilungsspielraum.

Eine einmalige grobe Pflichtverletzung genügt für die Auflösung des Betriebsrats. Es ist nicht erforderlich, dass der Betriebsrat mehrfach grobe Pflichtverletzung begangen hat. Die Auflösung des Betriebsrats setzt auch keine vorherige Abmahnung voraus, wie dies etwa bei einer verhaltensbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers grundsätzlich der Fall ist.

Der Betriebsrat kann seine Pflichten sowohl durch ein aktives Tun als auch durch ein Dulden oder ein Unterlassen in grober Weise verletzen. Eine grobe Pflichtverletzung kann darin bestehen, dass der Betriebsrat die ihm zustehenden Rechte und Befugnisse überschreitet, aber auch darin, dass der Betriebsrat die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nicht wahrnimmt oder vernachlässigt. Der Betriebsrat kann seine Pflichten außerdem dadurch grob verletzen, dass er ein gesetzwidriges Handeln seiner Ausschüsse oder Mitglieder duldet bzw. billigt.

Grobe Pflichtverletzungen des Betriebsrats können – je nach den Umständen des Einzelfalls – z.B. sein:

  • Nichtdurchführung erforderlicher Betriebsratssitzungen
  • Nichtbestellung eines Betriebsratsvorsitzenden und Stellvertreters
  • Nichtbestellung der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats
  • Unterlassen der Bildung eines Betriebsausschusses
  • Unterlassen der Errichtung eines Wirtschaftsausschusses
  • Unterlassen der Einberufung von Betriebsversammlungen und der Erstattung von Tätigkeitsberichten
  • Nichtberücksichtigung der betrieblichen Belange und der Interessen der Belegschaft bei der Festlegung der zeitlichen Lage von Betriebsversammlungen
  • Behandlung unzulässiger Themen auf Betriebsversammlungen
  • Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die erkennbar gegen den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG verstößt
  • Fassen von Beschlüssen, die gegen Schutzvorschriften verstoßen (z.B. gegen das Arbeitszeitgesetz)
  • Fassen von Beschlüssen, die gegen Tarifverträge verstoßen
  • Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot
  • Verletzung der Geheimhaltungspflicht
  • missbräuchliche Ausübung von Mitbestimmungsrechten zum Nachteil der Belegschaft oder einzelner Arbeitnehmer

Keine Pflichtverletzung des Betriebsrats liegt vor, wenn der Betriebsrat die ihm vom Betriebsverfassungsgesetz eingeräumten Rechte ausschöpft und energisch und konsequent verfolgt.

Auflösungsverfahren

Das Auflösungsverfahren wird durch die Einreichung eines Auflösungsantrags beim Arbeitsgericht eingeleitet. Das Arbeitsgericht hat über den Auflösungsantrag in einem “normalen” Beschlussverfahren zu entscheiden. Ein Eilverfahren (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) ist nicht möglich.

Der Betriebsrat ist erst dann aufgelöst, wenn die gerichtliche Entscheidung über die Auflösung rechtskräftig geworden ist. Eine gerichtliche Entscheidung ist erst dann rechtskräftig, wenn sie nicht (mehr) mit einem Rechtsbehelf angegriffen werden kann.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Auflösungsantrag kann mit der Beschwerde beim Landesarbeitsgericht angegriffen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann – sofern vom Gericht zugelassen – mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden, andernfalls mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Für beide Rechtsbehelfe ist das Bundesarbeitsgericht zuständig. Wenn das Bundesarbeitsgericht entscheidet, besteht grundsätzlich keine Möglichkeit, dessen Entscheidung anzugreifen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird sofort rechtskräftig.

Mit der dem Auflösungsantrag stattgebenden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts, des Landesarbeitsgerichts oder des Bundesarbeitsgerichts ist der Betriebsrat aufgelöst.

Das Auflösungsverfahren wird auch dann weitergeführt und die Gerichte haben auch dann über den Auflösungsantrag zu entscheiden, wenn der Betriebsrat zwischenzeitlich zurückgetreten sein sollte. Denn der zurückgetretene Betriebsrat führt die Geschäfte weiter, bis ein neuer Betriebsrat gewählt worden ist.

Wenn aber die Amtszeit des Betriebsrats während des Auflösungsverfahrens endet, kann der Betriebsrat nicht mehr aufgelöst werden. Der Auflösungsantrag geht dann ins Leere und müsste vom Gericht zurückgewiesen werden.

Folgen der Auflösung des Betriebsrats

Mit der Auflösung des Betriebsrats hört dieser auf zu existieren. Der Betrieb ist betriebsratslos und es ist ein neuer Betriebsrat zu wählen. Zur Einleitung der Neuwahl hat das Arbeitsgericht von Amts wegen unverzüglich einen Wahlvorstand zu bestellen.

Die Betriebsratsmitglieder verlieren mit der Auflösung des Betriebsrats ihr Betriebsratsamt und damit zugleich ihren besonderen Kündigungsschutz. Anders als bei einem “normalen” Ende der Amtszeit haben die (ehemaligen) Mitglieder des gerichtlich aufgelösten Betriebsrats keinen nachwirkenden Kündigungsschutz.

Mit dem Verlust des Betriebsratsamts verlieren die Betriebsratsmitglieder zugleich ihre ggf. bestehenden Ämter im Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat und Wirtschaftsausschuss.

Die ehemaligen Mitglieder des aufgelösten Betriebsrats können aber bei der Neuwahl des Betriebsrats kandidieren und wiedergewählt werden.

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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