Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung vorzunehmen, zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden. Diese Vorschrift gibt dem Betriebsrat eine Art allgemeinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Einhaltung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen. Dabei handelt es sich um eine Auffangvorschrift, die ergänzend zu den anderen Rechten des Betriebsrats sichern soll, dass sich der Arbeitgeber gemäß der Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes verhält. Andere Rechte des Betriebsrats werden durch § 23 Abs. 3 BetrVG nicht ausgeschlossen, sondern bestehen daneben und können parallel gerichtlich durchgesetzt werden. Die Vorschrift ist aber insbesondere für die Fälle von Bedeutung, in denen kein (eigenes) gerichtlich durchsetzbares Recht des Betriebsrats verletzt ist.
Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 23 Abs. 3 BetrVG
Ein Anspruch des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG setzt einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen dessen betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtungen voraus.
Verstoß gegen Pflichten
Der Arbeitgeber muss zunächst gegen eine betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung verstoßen haben. Der Arbeitgeber hat eine Verpflichtung, wenn sich aus dem Gesetz ergibt, dass er irgendetwas tun, dulden oder unterlassen muss. Auch wenn § 23 Abs. 3 BetrVG von Verpflichtungen „aus diesem Gesetz“ spricht, muss die Pflicht, gegen die der Arbeitgeber verstoßen hat, nicht unbedingt im Betriebsverfassungsgesetz geregelt sein. Die Vorschrift erfasst alle betriebsverfassungsrechtliche Pflichten des Arbeitgeber,s auch wenn diese in einem anderen Gesetz geregelt sind (z.B. § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz).
Des Weiteren können sich Verpflichtungen im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG aus Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat (Betriebsvereinbarungen, Regelungsabreden) und aus Einigungsstellensprüchen ergeben.
Grober Verstoß
Für einen Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG reicht aber ein einfacher Verstoß des Arbeitgebers gegen eine Verpflichtung nicht aus, es muss vielmehr ein “grober” Verstoß vorliegen. Ein Verstoß ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann als grob anzusehen, wenn er objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Bereits die einmalige Verletzung der Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz kann grob im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG sein, wenn sie nur schwerwiegend genug ist. Leichtere Verstöße können zu einem groben Verstoß werden, wenn der Arbeitgeber sie wiederholt begeht.
Keine Voraussetzung für die Annahme eines groben Verstoßes ist, dass durch die Pflichtverletzung der Betriebsfrieden, die Amtsausübung des Betriebsrats oder die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gefährdet ist. Auch ist kein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers erforderlich. Der Annahme eines groben Verstoßes kann allerdings entgegenstehen, dass der Arbeitgeber nach seiner Rechtsauffassung keine Pflichtverletzung begeht und diese Rechtsauffassung zumindest vertretbar ist.
Für das Vorliegen eines groben Verstoßes spricht es dagegen, wenn für den Arbeitgeber am Bestehen der Verpflichtung kein Zweifel besteht und er sich über eine eindeutige gesetzliche Anordnung hinweggesetzt und diese für sich als nicht verbindlich erachtet.
Hat der Arbeitgeber in grober Weise gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen, begründet dies in aller Regel die hinreichende Gefahr dafür, dass es in Zukunft zu einer vergleichbaren Pflichtverletzung kommen kann. Der Anspruch des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG setzt deshalb grundsätzlich nicht das Vorliegen einer zusätzlichen besonderen Wiederholungsgefahr voraus. Dies kann aber dann ausnahmsweise anders sein, wenn aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen ist, dass es in absehbarer Zeit zu einem erneuten Verstoß kommt.
Beispiele für grobe Pflichtverletzungen des Arbeitgebers: |
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Folgen
Je nachdem, worin die begangene Pflichtverletzung besteht, kann der Betriebsrat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber verschiedene Verhaltensweisen aufzugeben.
Wenn die Pflichtverletzung darin besteht, dass der Arbeitgeber entgegen den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes eine bestimmte Handlung durchgeführt hat (z.B. Anordnung von Überstunden), hat der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch. Er kann beim Arbeitsgericht den Antrag stellen, dem Arbeitgeber aufzugeben, derartige Handlungen in Zukunft zu unterlassen. Besteht die Pflichtverletzung darin, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Handlung des Betriebsrats nicht zulässt (z.B. Aufsuchen von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz, Durchführung einer Betriebsratssitzung), kann der Betriebsrat verlangen, dem Arbeitgeber aufzugeben, diese Handlung zu dulden (Duldungsanspruch). Befolgt der Arbeitgeber die entsprechende Entscheidung des Gerichts nicht, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, ein Ordnungsgeld gegen den Arbeitgeber zu verhängen, um die Beachtung des Gerichtsbeschlusses zu erzwingen. Bei jeder weiteren Zuwiderhandlung kann erneut ein Ordnungsgeld gegen den Arbeitgeber verhängt werden.
Falls die Pflichtverletzung des Arbeitgebers darin besteht, dass dieser eine Handlung nicht durchgeführt hat (z.B. keine Weiterleitung von Post an den Betriebsrat), kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die entsprechende Handlung vorzunehmen. Nimmt der Arbeitgeber die Handlung trotz Vorliegens eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses nicht vor, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Arbeitgeber durchsetzen.