Betriebsratsmitglieder werden für die gesamte Dauer der Amtszeit des Betriebsrats gewählt, also in der Regel für 4 Jahre. Die Mitgliedschaft im Betriebsrat kann aber auch vorzeitig enden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen wird. Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann ein Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn es seine gesetzlichen Pflichten in grober Weise verletzt hat.
Voraussetzungen für die Amtsenthebung
Für die Amtsenthebung eines Betriebsratsmitglieds ist ein Antrag beim Arbeitsgericht und ein ausreichender Grund für den Ausschluss aus dem Betriebsrat erforderlich.
Antrag auf Ausschluss
Der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat setzt zunächst voraus, dass bei dem zuständigen Arbeitsgericht ein entsprechender Antrag gestellt wird. Denn ein Betriebsratsmitglied kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden. Der Betriebsrat kann z.B. nicht eines seiner Mitglieder durch einen Betriebsratsbeschluss ausschließen.
Wichtig
Ein Betriebsratsmitglied kann nur durch ein Gericht aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden.
Der Antrag muss von jemandem gestellt werden, der dazu berechtigt ist. Einen Antrag auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat können nur stellen:
- der Betriebsrat
- mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer
- eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft
- der Arbeitgeber
Wird der Antrag vom Betriebsrat gestellt, muss dazu ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss vorliegen. Für diesen Beschluss reicht die Mehrheit der Stimmen der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder aus (einfache Mehrheit). Das betroffene Betriebsratsmitglied darf an der Beschlussfassung und der vorausgehenden Beratung nicht teilnehmen. Ihm muss allerdings Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Anstelle des betroffenen Betriebsratsmitglieds nimmt das zuständige Ersatzmitglied an der Beratung und Beschlussfassung über den Ausschlussantrag teil.
Der Arbeitgeber ist nur dann berechtigt, den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat zu beantragen, wenn er sein Ausschlussbegehren auf eine Pflichtverletzung stützt, die das Betriebsratsmitglied ihm gegenüber begangen hat. Wirft er dem Betriebsratsmitglied lediglich eine Pflichtverletzung gegenüber dem Betriebsrat oder gegenüber der Belegschaft vor, kann er keinen Ausschlussantrag stellen.
Ausschlussgrund: Grobe Pflichtverletzung
Damit ein Mitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden darf, muss dieses eine „grobe Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten“ begangen haben (§ 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
Das Betriebsratsmitglied muss eine Pflicht aus dem Betriebsratsamt verletzt haben. Zu den Pflichten aus dem Betriebsratsamt zählen insbesondere sämtliche Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Beispiele für Pflichten aus dem Betriebsratsamt
- Pflicht zur Teilnahme an den Betriebsratssitzungen
- Schweigepflicht aus § 79 Abs. 1 BetrVG
- Abmeldepflicht bei Verlassen des Arbeitsplatzes zur Ausübung einer Betriebsratstätigkeit
Ein Antrag auf Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat kann nicht darauf gestützt werden, dass das Betriebsratsmitglied eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat.
Beispiele für Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
- Pünktliches Erscheinen zur Arbeit
- Erbringen der geschuldeten Arbeitsleistung
- Befolgung von Arbeitsanweisungen
Wenn ein Betriebsratsmitglied mit einem Fehlverhalten gleichzeitig eine Pflicht aus dem Betriebsratsamt und aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, kommt ein Ausschluss aus dem Betriebsrat in Betracht.
Die Pflichtverletzung muss in der laufenden Amtszeit des Betriebsrats begangen worden sein. Auf eine Pflichtverletzung aus einer vergangenen Amtsperiode kann ein Ausschlussantrag nicht gestützt werden.
Das Betriebsratsmitglied muss die Pflicht schuldhaft verletzt haben. Das bedeutet, das Mitglied muss vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig gehandelt haben.
Nach dem Gesetzeswortlaut muss es sich um eine „grobe“ Pflichtverletzung handeln. Eine leichte Pflichtverletzung reicht für einen Ausschluss deshalb nicht aus. Die Pflichtverletzung muss vielmehr offensichtlich schwerwiegend sein. Die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds muss unter Berücksichtigung aller Umstände untragbar erscheinen.
Beispiele
Grobe Pflichtverletzungen eines Betriebsratsmitglieds und damit Gründe für eine Amtsenthebung können z.B. in den folgenden Fällen vorliegen:
- Grobe und böswillige Beleidigungen oder Beschimpfungen anderer Betriebsratsmitglieder
- Tätlichkeit gegenüber anderen Betriebsratsmitgliedern
- ständiges unentschuldigtes Fehlen bei Betriebsratssitzungen
- schwerwiegende Verletzung der Schweigepflicht
Eine vorherige Abmahnung ist, anders als grundsätzlich bei einer Kündigung, bei dem Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat nicht erforderlich.
Ausschlussverfahren
Eine große Bedeutung für die Amtsenthebung eines Betriebsratsmitglieds hat das gerichtliche Ausschlussfahren und insbesondere dessen Dauer. Denn der Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wird erst dann wirksam, wenn dem Ausschlussantrag vom Gericht stattgegeben und diese Entscheidung rechtskräftig worden ist.
Ablauf des gerichtlichen Verfahrens
Das gerichtliche Ausschlussverfahren beginnt mit der Einreichung des Ausschlussantrags beim Arbeitsgericht. Anschließend kommt es in der Regel zunächst zu einem Gütetermin beim Arbeitsgericht, in dem die Möglichkeiten einer gütlichen Einigung besprochen werden. Falls eine solche nicht zustande kommt, folgt einige Monate später ein zweiter Gerichtstermin. Im Anschluss an diesen zweiten Termin fällt das Arbeitsgericht in der Regel seine Entscheidung. Damit ist die erste Instanz abgeschlossen. Insgesamt dauert das Verfahren vor dem Arbeitsgericht im Regelfall zwischen 3 und 9 Monaten.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts kann von dem Beteiligten, der den Prozess verloren hat, mit einer Beschwerde beim Landesarbeitsgericht angegriffen werden. Dann geht das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht weiter. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ebenfalls angegriffen werden. Dann wird das Bundesarbeitsgericht zuständig.
Insgesamt kann das Ausschlussverfahren so über zwei oder sogar drei Jahre lang dauern.
Das Ausschlussverfahren ist erst dann beendet, wenn die gerichtliche Entscheidung über den Ausschlussantrag rechtskräftig geworden ist. Erst mit Eintritt der Rechtskraft der dem Ausschlussantrag stattgebenden Gerichtsentscheidung wird der Ausschluss wirksam.
Die Entscheidungen der Arbeitsgerichte und der Landesarbeitsgerichte werden dann rechtskräftig, wenn der Beteiligte, der den Prozess verloren hat, nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung der Entscheidungsgründe die Entscheidung des Gerichts angefochten hat. Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts werden mit ihrer Verkündung sofort rechtskräftig.
Was passiert, wenn zwischendurch die Amtszeit des Betriebsrats abläuft?
Da das gerichtliche Ausschlussverfahren sehr lange dauern kann, kommt es häufig vor, dass in der Zwischenzeit die Amtszeit des Betriebsrats abgelaufen und ein neuer Betriebsrat gewählt worden ist.
Wenn das von dem Ausschlussantrag betroffene Betriebsratsmitglied nicht mehr in den neuen Betriebsrat gewählt worden ist, verliert der Antrag seine Bedeutung. Denn ein Ausschluss eines (ehemaligen) Betriebsratsmitglieds aus einem Gremium, das gar nicht mehr existiert, ist nicht möglich. Wenn das Mitglied erneut in den Betriebsrat gewählt worden ist, könnte der Antragsteller zwar seinen Antrag umstellen und den Ausschluss des Mitglieds aus dem neu gewählten Gremium beantragen. Dieser Antrag hätte aber keine Erfolgsaussicht. Denn ein Betriebsratsmitglied kann nicht wegen einer in der abgelaufenen Amtszeit begangenen Pflichtverletzung aus dem neu gewählten Betriebsrat ausgeschlossen werden (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.07.2016 – 7 ABR 14/15).
Wichtig
Der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds ist nach Ablauf der Amtsperiode nicht mehr möglich.
Aus diesen Gründen hat ein von einem Ausschlussantrag bedrohtes Betriebsratsmitglied häufig auch dann gute Karten, seinem gerichtlichen Ausschluss aus dem Betriebsrat zu entgehen, wenn ihm an sich eine grobe Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Denn wenn das Betriebsratsmitglied alle Möglichkeiten ausschöpft, wird das Ausschlussverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss in der Regel zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Jahren dauern. Sorgen vor einem gerichtlichen Ausschluss aus dem Betriebsrat muss sich ein Betriebsratsmitglied deshalb eigentlich nur dann machen, wenn der Ausschlussantrag noch in der ersten Hälfte der Amtszeit des Betriebsrats bei Gericht eingereicht wird.
Ausschluss im Eilverfahren?
Das Amtsenthebungsverfahren ist ein normales arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, das – wie oben beschrieben – seine Zeit dauert. Ein Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds im Eilverfahren ist nicht möglich.
Denkbar ist aber die Beantragung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Betriebsratsmitglied vom Arbeitsgericht die weitere Amtsausübung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Amtsenthebungsverfahrens untersagt wird. Ein solches Verfahren kann in wenigen Tagen oder Wochen abgeschlossen sein. Voraussetzung für die vorläufige gerichtliche Untersagung der weiteren Amtsausübung ist aber, dass die weitere Amtsausübung durch das Betriebsratsmitglied nicht einmal mehr vorübergehend zumutbar erscheint. Bei der Prüfung dieser Frage gilt ein strenger Maßstab.
Kann ein Betriebsratsmitglied seinem Ausschluss zuvorkommen?
Ja, das Betriebsratsmitglied kann dem Amtsenthebungsverfahren dadurch die Grundlage entziehen, dass es sein Betriebsratsamt niederlegt. Gegenüber einem gerichtlichen Ausschluss aus dem Betriebsrat hat der freiwillige Rücktritt den Vorteil, dass das Betriebsratsmitglied in diesem Fall noch ein Jahr lang einen nachwirkenden Kündigungsschutz genießt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG).
Kosten
In dem gerichtlichen Amtsenthebungsverfahren entstehen keine Gerichtskosten. Da sich die an dem Verfahren Beteiligten in der Regel durch Rechtsanwälte vertreten lassen, entstehen durch das Verfahren aber meistens Anwaltskosten. Diese Anwaltskosten hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. Dies gilt zunächst für die Anwaltskosten des an dem Verfahren immer auch beteiligten Betriebsrats.
Aber auch das Betriebsratsmitglied, das aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden soll, kann sich auf Kosten des Arbeitgebers einen Anwalt nehmen.
Folgen
Der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat hat verschiedene rechtliche Folgen.
Ende der Mitgliedschaft im Betriebsrat
Mit dem rechtskräftigen Ausschluss endet natürlich die Mitgliedschaft des Betriebsratsmitglieds im Betriebsrat. Für das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied rückt ein Ersatzmitglied nach.
Mit der Beendigung der Mitgliedschaft im Betriebsrat enden auch alle Funktionen und Ämter des Mitglieds innerhalb des Betriebsrats (z.B. das Amt als Betriebsratsvorsitzender). Ebenso endet damit auch eine etwaige Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat, im Konzernbetriebsrat sowie im Wirtschaftsausschuss.
Verlust des besonderen Kündigungsschutzes
Mit dem Ausscheiden aus dem Betriebsratsamt verliert das Betriebsratsmitglied auch seinen besonderen Kündigungsschutz. Im Gegensatz zu Betriebsratsmitgliedern, die aus anderen Gründen aus dem Amt ausscheiden (z.B. durch Rücktritt), hat ein Betriebsratsmitglied, das aus dem Betriebsrat ausgeschlossen wird, keinen nachwirkenden Kündigungsschutz (§ 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG).
Mit dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat endet des Weiteren der besondere Schutz vor Versetzungen (vgl. § 103 Abs. 3 BetrVG).
Wiederwahl
Ein Betriebsratsmitglied, das aus dem Betriebsrat ausgeschlossen worden ist, kann bei der nächsten Betriebsratswahl aber problemlos wiedergewählt werden. Es verliert durch seinen Ausschluss nicht die Wählbarkeit für zukünftige Betriebsratswahlen.