Betriebsrat: Einsichtnahme in die Gehaltslisten

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Der Betriebsrat hat das Recht zu erfahren, was genau die einzelnen Kollegen vom Arbeitgeber an Gehalt bezahlt bekommen. Der Betriebsrat darf zu diesem Zweck Einsicht in die vom Arbeitgeber geführten Gehaltslisten nehmen.  Warum der Betriebsrat wissen muss, was genau der Arbeitgeber an die einzelnen Mitarbeiter an Gehalt zahlt, wie die Gehaltslisten aussehen müssen, in die der Arbeitgeber dem Betriebsrat Einsicht gewähren muss und wie die Einsichtnahme des Betriebsrats in diese Listen abläuft, das erfahrt ihr in diesem Artikel.

Schauen wir uns erst einmal kurz an, wie das Recht des Betriebsrats auf Einsichtnahme in die Gehaltslisten im Gesetz geregelt ist. Dazu müssen wir in § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG schauen. Dort heißt es:

“Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen.”

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift steht das Recht auf Einsichtnahme in die Gehaltslisten nicht dem Betriebsrat als solchem zu, sondern nur dem Betriebsausschuss oder einem nach § 28 gebildeten Ausschuss des Betriebsrats. Grund für diese Einschränkung ist, dass der Gesetzgeber die Zahl der Betriebsratsmitglieder, die sich die Gehälter direkt ansehen dürfen, begrenzen wollte, weil es sich bei den Gehaltsdaten der Mitarbeiter um sehr sensible Informationen handelt. 

Einen Betriebsausschuss kann es jetzt aber nur dann geben, wenn der Betriebsrat aus mindestens 9 Mitgliedern besteht. Und einen Ausschuss nach § 28 kann ein Betriebsrat nur dann bilden, wenn im Betrieb mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Was ist jetzt mit einem Betriebsrat, der aus weniger als 9 Betriebsratsmitgliedern besteht? 

Die gute Nachricht: Es ist in der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass in kleineren Betrieben, in denen ein Betriebsausschuss wegen der zu geringen Anzahl an Mitarbeitern nicht gebildet werden kann, der Betriebsrat einfach ein Betriebsratsmitglied – z.B. den Betriebsratsvorsitzenden – mit der Einsichtnahme in die Gehaltslisten beauftragen kann. Auch kleinere Betriebsratsgremien haben also das Einsichtsrecht in die Gehaltslisten.

Warum hat der Betriebsrat ein Einsichtsrecht in die Gehaltslisten?

Der Betriebsrat hat insbesondere deshalb das Recht, sich die Gehaltslisten anzusehen, weil er Informationen über die vom Arbeitgeber gezahlten Gehälter braucht, um die Einhaltung verschiedener arbeitnehmerschützender Vorschriften überprüfen zu können.

Ein wichtiges Gesetz, dessen Einhaltung der Betriebsrat zu überwachen hat, ist z.B. das Mindestlohngesetz. Um prüfen zu können, ob sich der Arbeitgeber an das Mindestlohngesetz hält, muss der Betriebsrat wissen, wie hoch die Gehälter sind, die der Arbeitgeber zahlt.

Eine weitere sehr wichtige arbeitnehmerschützende Vorschrift, deren Einhaltung der Betriebsrat überwachen muss, ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer schlechter zu behandeln als andere Arbeitnehmer, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keinen sachlichen Grund gibt. Wenn der Arbeitgeber z.B. einigen Mitarbeitern ein Weihnachtsgeld zahlt, anderen aber nicht, und es keinen ausreichenden Grund gibt, der diese Ungleichbehandlung rechtfertigt, dann verstößt der Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und der Betriebsrat müsste aktiv werden.

Um prüfen zu können, ob der Arbeitgeber den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Bezahlung der Arbeitnehmer einhält, muss er genau wissen, welche Gehaltszahlungen der Arbeitgeber an die einzelnen Arbeitnehmer leistet.

Und es gibt auch noch einen weiteren Grund, warum es für den Betriebsrat wichtig ist, sich die Gehälter der Kollegen ansehen zu dürfen. Der Betriebsrat hat nach dem Gesetz ja auch die Aufgabe, mit dem Arbeitgeber ein transparentes und gerechtes Lohnsystem auszuhandeln. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist. Und um sich überlegen zu können, ob der Betriebsrat diese Aufgabe in Angriff nehmen will und er mit dem Arbeitgeber über Änderungen am bestehenden Lohnsystem bzw. am bestehenden Gehaltsgefüge verhandeln will, muss der Betriebsrat erst einmal wissen, wie hoch die aktuell gezahlten Gehälter bei den einzelnen Mitarbeitern überhaupt sind. 

Wie müssen die Gehaltslisten aussehen?

Damit der Betriebsrat die nötigen Informationen bekommt, die er für die gerade beschriebenen Aufgaben braucht, müssen die Gehaltslisten bestimmte Anforderungen erfüllen.

Wenn sich die Gehälter aus einem Grundgehalt und weiteren Vergütungsbestandteilen zusammensetzen, wie z.B. Zuschlägen, Prämien oder Sonderzahlungen, dann müssen die Gehälter entsprechend aufgeschlüsselt sein, damit der Betriebsrat in der Lage ist, Vergleiche anzustellen.

Auf welcher Rechtsgrundlage einzelne Gehaltsbestandteile gezahlt werden, ist dabei übrigens egal. Das Informationsrecht des Betriebsrats besteht unabhängig davon, ob es sich um Gehaltsbestandteile handelt, die zwischen dem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer individuell ausgehandelt worden sind, ob diese im Arbeitsvertrag vorgesehen oder mündlich versprochen worden sind, oder ob der Arbeitgeber diese aufgrund einer betrieblichen Übung, einer Gesamtzusage einer Betriebsvereinbarung oder aufgrund eines Tarifvertrags zahlt.

Zweiter wichtiger Punkt: In der Gehaltsliste müssen die einzelnen Arbeitnehmer namentlich aufgeführt sein, eine anonymisierte Liste ist nicht ausreichend. Mit einer anonymisierten Liste wäre der Betriebsrat nicht in der Lage, seine Überwachungsaufgaben zu erfüllen, die ich beschrieben habe.

Datenschutzvorschriften stehen dem nicht entgegen, weil es für die Einsichtnahme des Betriebsrats in die Gehaltslisten eine klare gesetzliche Rechtsgrundlage gibt. Der Arbeitgeber darf dem Betriebsrat die Einsichtnahme in die Gehaltslisten also nicht mit einem Hinweis auf den Datenschutz verweigern.

Das Einsichtsrecht besteht übrigens auch unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer mit der Einsichtnahme durch den Betriebsrat einverstanden sind. Der Betriebsrat hat also auch dann das Recht, sich die Gehaltslisten anzusehen, wenn einzelne Arbeitnehmer oder sogar alle Arbeitnehmer gesagt haben sollten, dass sie es nicht wollen, dass der Betriebsrat sich ihre Gehälter ansieht. 

Wie läuft die Einsichtnahme in die Gehaltslisten ab?

Anders als bei anderen Unterlagen, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Verfügung stellen muss, muss der Arbeitgeber die Gehaltslisten nicht aushändigen, sondern nur vorlegen. Wenn der Arbeitgeber die Gehaltslisten vorliegt, haben die Betriebsratsmitglieder nicht das Recht, diese Listen mitzunehmen, wenn der Arbeitgeber das nicht erlaubt, sondern sie dürfen nur an Ort und Stelle Einsicht nehmen.

Die Einsicht nehmenden Betriebsratsmitglieder müssen aber die Gelegenheit bekommen, sich die Gehaltslisten in Ruhe anzusehen und – wenn die Einsichtnahme von mehreren Betriebsratsmitgliedern gemeinsam durchgeführt wird – sich über die Listen auch  ungestört austauschen können. Deshalb darf z.B. gegen den Willen des Betriebsrats kein “Aufpasser” des Arbeitgebers bei der Einsichtnahme anwesend sein.

Bei der Auswertung der Gehaltslisten dürfen sich die Betriebsratsmitglieder Notizen machen, sie dürfen aber keine Kopien oder Fotografien von den Listen anfertigen und sie dürfen diese auch nicht vollständig abschreiben. Auch das ist ein Unterschied zu anderen Unterlagen, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Verfügung stellen muss. Von anderen Unterlagen darf sich der Betriebsrat normalerweise auch Kopien anfertigen. 

Wenn die Ausschussmitglieder bzw. das beauftragte Betriebsratsmitglied die Einsichtnahme in die Gehaltslisten vorgenommen haben, sind sie im Anschluss dazu verpflichtet, die dabei gewonnenen Erkenntnisse an die anderen Betriebsratsmitglieder weiterzugeben, damit dann der Betriebsrat als Gremium darüber beraten und entscheiden kann, ob und inwieweit er aufgrund der erhaltenen Informationen tätig werden will. Am besten erfolgt die Weitergabe der Informationen zeitnah auf der nächsten Betriebsratssitzung.

Video: Gehälter der Kollegen prüfen: Das muss der Betriebsrat zur Einsicht in die Gehaltslisten wissen!

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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