Dem Betriebsrat können in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich zwei verschiedene Rollen zukommen. Er kann entweder Antragsteller oder Antragsgegner sein. Als Antragsteller geht es dem Betriebsrat regelmäßig darum, dem Arbeitgeber vom Gericht ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen aufgeben zu lassen (z.B. Unterlassung der Anordnung von Überstunden). Antragsgegner ist der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber das Gerichtsverfahren eingeleitet hat, z.B. mit dem Ziel, die vom Betriebsrat nicht erteilte Zustimmung zu einer bestimmten von ihm beabsichtigen Maßnahme (z.B. Einstellung eines Arbeitnehmers) durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.
Für die Gerichtsverfahren, die zwischen dem Arbeitgeber auf der einen und dem Betriebsrat auf der anderen Seite geführt werden, gibt es bei den Arbeitsgerichten eine eigene Verfahrensart, die als Beschlussverfahren bezeichnet wird. Demgegenüber wird das Verfahren vor dem Arbeitsgericht, bei dem sich auf der einen Seite der Arbeitgeber und auf der anderen Seite der einzelne Arbeitnehmer gegenüberstehen als Urteilsverfahren bezeichnet. Die unterschiedlichen Bezeichnungen kommen daher, dass das Arbeitsgericht in der einen Verfahrensart am Ende des Prozesses durch die Verkündigung eines Beschlusses und in der anderen Verfahrensart durch die Verkündigung eines Urteils entscheidet. Auch sonst gibt es zwischen den beiden Verfahrensarten aber bedeutende Unterschiede.
Wann sollte der Betriebsrat das Arbeitsgericht einschalten?
Ob der Betriebsrat in einem bestimmten Fall vor das Arbeitsgericht ziehen sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Frage, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Gerichtsverfahren auch zugunsten des Betriebsrats ausgehen wird. Da es hierbei in der Regel um nicht einfach zu beantwortende Rechtsfragen geht, sollte sich ein Betriebsrat vor der Beschlussfassung über die Einleitung eines Arbeitsgerichtsverfahrens grundsätzlich von einem entsprechend spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen.
Neben der Frage der Erfolgsaussicht muss der Betriebsrat aber auch sämtliche weiteren Umstände berücksichtigen, die für oder gegen die Einleitung eines Gerichtsverfahrens sprechen können. So sollten vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe in der Regel zunächst sämtliche außergerichtlichen Möglichkeiten zur Beilegung des Konflikts ausgenutzt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt aber z.B. dann, wenn der Arbeitgeber eine Pflichtverletzung wiederholt immer wieder begeht und der Betriebsrat deshalb davon ausgehen muss, dass weitere außergerichtliche Aufforderungen und Verhandlungen nicht mehr erfolgversprechend sind. Auch in besonders eilbedürftigen Fällen kann ausnahmeseise die sofortige Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe angebracht sein.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nicht schon bei jeder kleinsten Pflichtverletzung des Arbeitgebers ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden sollte. Denn ein Gerichtsverfahren kann das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat belasten. Bei bloßen Bagatellverstößen des Arbeitgebers gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten stehen Nutzen und Folgen eines Gerichtsverfahrens dann häufig in keinem angemessenen Verhältnis.
Andererseits ist dem Betriebsrat vom Gesetzgeber ausdrücklich die Aufgabe zugewiesen worden, darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen usw. einhält (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Deshalb ist es rechtlich gesehen nicht unproblematisch, wenn der Betriebsrat den Arbeitgeber, der die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes verletzt, gewähren lässt und sehenden Auges Rechtsverstöße hinnimmt. Daher sollte der Betriebsrat auch bei weniger schwerwiegenden Pflichtverstößen des Arbeitgebers, wenn diese immer wieder vorkommen, notfalls die Einleitung eines Arbeitsgerichtsverfahrens in Erwägung ziehen.
Über die Frage, ob der Betriebsrat ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht einleitet oder nicht, entscheidet er durch einen Beschluss. Für diesen Beschluss genügt die einfache Stimmenmehrheit.
Die Einleitung eines Arbeitsgerichtsverfahren
Die Einleitung eines Arbeitsgerichtsverfahrens durch den Betriebsrat erfolgt durch die Einreichung einer Antragsschrift beim Arbeitsgericht. In dieser Antragsschrift muss der Einreichende einen bestimmten Antrag formulieren, aus dem für das Arbeitsgericht hervorgeht, was genau gewollt ist. Außerdem muss der Antrag in der Antragsschrift begründet werden, indem der Lebenssachverhalt, auf den der Antrag gestützt wird, möglichst konkret wiedergegeben wird.
Die Einreichung der Antragsschrift sollte beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht erfolgen. Örtlich zuständig ist das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb liegt.
Mit der Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens sollte der Betriebsrat einen Rechtsanwalt beauftragen. Die entstehenden Rechtsanwaltsgebühren sind grundsätzlich vom Arbeitgeber zu tragen (§ 40 Abs. 1 BetrVG). Da es sich bei dem Betriebsverfassungsrecht um ein sehr spezielles Rechtsgebiet handelt, mit dem sich Rechtsanwälte in ihrer Ausbildung normalerweise nicht auseinandersetzen, sollte der Betriebsrat darauf achten, nur einen solchen Rechtsanwalt zu beauftragen, der sich auf das Betriebsverfassungsrecht und die Vertretung von Betriebsräten spezialisiert hat bzw. der in diesem Bereich vertiefte Rechtskenntnisse und Erfahrungen hat.
Das weitere Verfahren
Nach der Einreichung der Antragsschrift wird diese dem Antragsgegner und den ggf. weiteren Beteiligten vom Arbeitsgericht förmlich zugestellt.
In der Regel wird vom Arbeitsgericht zeitgleich ein sogenannter Gütetermin anberaumt, der zumeist einige wenige Wochen nach Einreichung der Antragsschrift stattfindet. Ein Gütetermin ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Ob ein solcher stattfindet, entscheidet das Gericht.
Ein Gütetermin ist ein (erster) Termin vor dem Arbeitsgericht, in dem die Beteiligten den Fall unter Leitung eines Richters – zumeist eher oberflächlich – erörtern. Zu dem Gütetermin wird in der Regel der Betriebsratsvorsitzende und ein Vertreter des Arbeitgebers geladen. Dies gilt auch dann, wenn Betriebsrat und Arbeitgeber anwaltlich vertreten sind.
In dem Gütetermin werden insbesondere die Möglichkeiten erörtert, den Rechtsstreit durch eine gütliche Einigung der beizulegen. Gelingt eine gütliche Einigung, schließen die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich, der vom Arbeitsgericht protokolliert wird. Mit dem Abschluss des Vergleichs ist der Rechtsstreit dann bereits rechtskräftig beendet. Haben die Beteiligten in dem Vergleich Verpflichtungen übernommen (in der Regel der Antragsgegner), handelt es sich um einen echten Vollstreckungstitel, mit dem Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung der übernommenen Verpflichtungen eingeleitet werden können.
Kann im Gütetermin keine gütliche Einigung zwischen erzielt werden, wird die Sitzung vom Gericht geschlossen und ein zweiter Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits anberaumt. Dieser zweite Termin wird als Kammertermin bezeichnet. Der Grund für diese Bezeichnung liegt darin, dass – im Gegensatz zum Gütetermin – an diesem Termin die vollständig besetzte Kammer des Arbeitsgerichts teilnimmt. Diese besteht aus einem Berufsrichter und zwei Laienrichtern.
Zur Vorbereitung des Kammertermins werden den Beteiligten vom Gericht Fristen gesetzt, innerhalb derer sie Schriftsätze bei Gericht einreichen sollen, in denen der Sachverhalt und die Rechtslage aus ihrer Sicht darzustellen ist. Dadurch soll der Kammertermin umfassend schriftlich vorbereitet werden.
Der Kammertermin findet in der Regel ca. 3 bis 5 Monate nach dem Gütetermin statt. In der mündlichen Verhandlung wird der Rechtsstreit unter Leitung des vorsitzenden Richters anhand des Sachverhalts und der Rechtsansichten, die die Beteiligten in ihren Schriftsätzen vorgebracht haben, erörtert und zunächst wieder nach gütlichen Einigungsmöglichkeiten gesucht. Kommt eine gütliche Einigung zustande, wird diese vom Gericht als Vergleich protokolliert und der Rechtsstreit ist beendet. Können sich die Beteiligten auch im Kammertermin nicht gütlich einigen, entscheidet das Gericht den Rechtsstreit grundsätzlich noch am selben Tag, allerdings erst nach Schließung der Sitzung, durch einen Beschluss. Mit diesem Beschluss ist das Verfahren in der ersten Instanz beendet.
Die Entscheidungen der Arbeitsgerichte in erster Instanz sind nicht immer richtig. Häufig kann man über die Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung jedenfalls unterschiedlicher Auffassung sein. Wenn die unterlegene Seite mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht einverstanden ist, kann sie gegen diese Beschwerde beim Landesarbeitsgericht einlegen. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde beträgt einen Monat und beginnt mit der Zustellung der Entscheidungsbegründung durch das Arbeitsgericht.