Der Arbeitgeber muss für jede Einstellung die Zustimmung des Betriebsrats einholen (§ 99 BetrVG). Das betrifft nicht nur klassische Neueinstellungen, sondern auch zahlreiche weitere Personalmaßnahmen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt als Einstellung erkennbar sind. Dieser Beitrag erläutert, in welchen Konstellationen eine mitbestimmungspflichtige Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG vorliegt – und der Arbeitgeber daher verpflichtet ist, die Zustimmung des Betriebsrats zu beantragen.
von Rechtsanwalt Dr. jur. Henning Kluge
Die Frage, was eine Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG ist, zu der der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats einholen muss, ist komplexer, als es den Anschein hat. Grund dafür ist, dass zum Teil auch solche Personalmaßnahmen des Arbeitgebers als Einstellungen gelten, die dem Betriebsrat vorzulegen sind, die auf den ersten Blick nicht unbedingt als Einstellung erkennbar sind. Das liegt daran, dass es sich bei dem Begriff Einstellung in § 99 BetrVG um einen rechtstechnischen Begriff handelt, der nicht in jeder Hinsicht mit dem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmt.
Der Standardfall
Der klassische Fall einer Einstellung ist leicht zu erkennen: Eine Person, die bisher nicht im Betrieb tätig ist, soll künftig dort arbeiten und erhält dafür erstmals einen Arbeitsvertrag mit dem Betriebsinhaber. Diese Konstellation stellt die gängigste Form der Einstellung dar und ist zugleich der häufigste Fall, der dem Betriebsrat zur Mitbestimmung vorgelegt wird.
Die Art des Arbeitsvertrags spielt dabei keine Rolle. Eine Einstellung liegt auch dann vor, wenn der neue Arbeitnehmer keinen „normalen“ Arbeitsvertrag bekommen soll, sondern eine Sonderform eines Arbeitsvertrags wie z. B. einen
- Teilzeitarbeitsvertrag,
- befristeten Arbeitsvertrag,
- Aushilfsarbeitsvertrag,
- Arbeitsvertrag zur Arbeit auf Abruf,
- Probearbeitsvertrag oder
- Home-Office-Arbeitsvertrag.
Sonderfälle
Es gibt aber auch noch einige wichtige und auch gar nicht so selten vorkommende weitere Situationen, die von dem klassischen Fall einer Einstellung abweichen, in denen aber ebenfalls eine mitbestimmungspflichtige Einstellung nach § 99 gegeben ist. Auch zu diesen Personalmaßnahmen muss die Zustimmung des Betriebsrats beantragt werden.
Die praktisch wichtigsten Sonderfälle, in denen ebenfalls eine mitbestimmungspflichtige Einstellung vorliegt, sind:
- Der Einsatz eines Leiharbeitnehmers,
- der Wechsel eines Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb,
- die Bestellung einer externen Führungskraft,
- die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags,
- die Entfristung eines befristeten Arbeitsvertrags,
- die Verlängerung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers,
- die Beschäftigung zu Ausbildungszwecken und
- die Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis.
Einsatz eines Leiharbeitnehmers
Ein wichtiger Sonderfall einer Einstellung ist der Einsatz eines Leiharbeitnehmers im Betrieb. Bei einem Leiharbeitnehmer besteht die Besonderheit im Vergleich zu einem „normalen“ Arbeitnehmer darin, dass ein Leiharbeitnehmer keinen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber hat, für den er die eigentliche Arbeitsleistung erbringt, sondern mit einem anderen Arbeitgeber.
Beispiel:
Die Express Logistik GmbH setzt in ihrem Lager Leiharbeitnehmer ein, die dort die Arbeit von Lagermitarbeitern verrichten. Diese Leiharbeitnehmer haben keinen Arbeitsvertrag mit der Express Logistik GmbH, sondern mit einem Arbeitgeber, dessen Geschäft darin besteht, Arbeitnehmer an andere Arbeitgeber zu verleihen. Beispiele hierfür sind die Unternehmen Randstad, Adecco oder Manpower.
Obwohl die bei der Express Logistik GmbH als Lagermitarbeiter eingesetzten Leiharbeitnehmer keinen Arbeitsvertrag mit der Express Logistik GmbH abgeschlossen haben, sind diese Leiharbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich betrachtet von der Express Logistik GmbH eingestellt worden. Die Express Logistik GmbH musste für jeden einzelnen Leiharbeitnehmer zunächst die Zustimmung des Betriebsrats beantragen, bevor der Leiharbeitnehmer im Betrieb eingesetzt werden durfte.
Der Grund dafür, warum auch der Einsatz eines Leiharbeitnehmers eine Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG ist, besteht darin, dass es für das Vorliegen einer solchen Einstellung nicht darauf ankommt, mit wem ein Mitarbeiter einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Entscheidend ist, dass eine Person – rein tatsächlich betrachtet – Arbeitsleistungen für den Betrieb erbringen und zu diesem Zweck in den Betrieb eingegliedert werden soll.
Bei einem Leiharbeitnehmer ist das der Fall: Wenn ein Leiharbeitnehmer im Betrieb eingesetzt wird, erbringt dieser Leiharbeitnehmer Arbeitsleistungen für den Betrieb und er ist zu diesem Zweck in den Betrieb eingegliedert worden.
Beispiel:
In dem vorherigen Beispiel unterliegen die Leiharbeitnehmer dem Weisungsrecht der Express Logistik GmbH. Die Express Logistik GmbH kann mit ihrem Weisungsrecht gegenüber ihren Leiharbeitnehmern z. B. festlegen, an welchen Tagen sie arbeiten und welche Aufgaben sie in welcher Weise ausführen sollen.
Der Einsatz eines Leiharbeitnehmers ist deshalb immer eine mitbestimmungspflichtige Einstellung. Dies gilt auch dann, wenn der Einsatz lediglich für einige Tage vorgesehen ist.
Wechsel des Betriebs
Eine weitere Situation, die auf den ersten Blick eventuell nicht als Einstellung erscheint, betrifft den Wechsel eines Arbeitnehmers von einem Betrieb des Arbeitgebers in einen anderen.
Ein und derselbe Arbeitgeber kann mehrere Betriebe haben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Arbeitgeber mehrere Standorte hat.
Beispiel:
Die ABC Software GmbH hat einen Standort in Hamburg und einen Standort in München. Die beiden Standorte Hamburg und München gelten allein schon wegen ihrer räumlichen Entfernung als eigenständige Betriebe.
Wenn ein Arbeitnehmer von einem Betrieb des Arbeitgebers in einen anderen wechselt, gilt dies als Einstellung in den aufnehmenden Betrieb.
Beispiel:
In dem vorherigen Beispiel hat ein Softwareentwickler seinen Arbeitsplatz derzeit am Standort der ABC Software GmbH in Hamburg. Zukünftig soll dieser Arbeitnehmer am Standort München arbeiten. Der Wechsel an den Standort München ist eine Einstellung in den Betrieb München. Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Betriebsrats zu der Einstellung des Softwareentwicklers in den Betrieb München beantragen.
Dass der Wechsel eines Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb als Einstellung gilt, mag überraschen, da der Arbeitnehmer bereits einen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber hat und somit längst eingestellt war, bevor er den Betrieb wechselte. Der Grund dafür, warum der Wechsel eines Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb eine mitbestimmungspflichtige Einstellung ist, besteht auch hier darin, dass es für das Vorliegen einer Einstellung im Sinne von § 99 darauf ankommt, ob jemand in einen Betrieb eingegliedert werden soll, um für diesen Betrieb Arbeitsleistungen zu erbringen. Dies ist bei dem Wechsel eines Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb der Fall.
Bestellung einer „externen Führungskraft“
Auch bei der nächsten besonderen Situation einer Einstellung geht es um einen Arbeitgeber mit mehreren Betrieben. Wenn ein Arbeitgeber mehrere Betriebe hat und er einen Arbeitnehmer, der seinen Dienstsitz in einem dieser Betriebe hat, zum Vorgesetzten von Arbeitnehmern eines anderen Betriebs ernennt, gilt dies als Einstellung des Arbeitnehmers in den Betrieb, dem die unterstellten Arbeitnehmer angehören.
Grund dafür ist, dass der Arbeitnehmer nach der Ernennung zum Vorgesetzten von Arbeitnehmern des anderen Betriebs zukünftig Führungsaufgaben und damit Arbeitsleistungen für den anderen Betrieb erbringt. Dadurch wird der Arbeitnehmer auch in den anderen Betrieb eingegliedert.
Beispiel:
Die ABC Software GmbH hat einen Standort in Hamburg und einen Standort in München. Sowohl im Betrieb in Hamburg als auch im Betrieb München gibt es jeweils ein Vertriebsteam, das aus mehreren Vertriebsmitarbeitern und einem Teamleiter als Vorgesetztem besteht. Weil der Teamleiter des Vertriebsteams in Hamburg in Rente geht, entscheidet der Arbeitgeber, dass der Teamleiter des Vertriebsteams in München jetzt auch der Vorgesetzte der Vertriebsmitarbeiter in Hamburg werden soll.
Bei dieser Ernennung des Teamleiters aus München zum Vorgesetzten von Mitarbeitern in Hamburg handelt es sich betriebsverfassungsrechtlich um eine Einstellung des Teamleiters in den Betrieb in Hamburg, zu der die Zustimmung des Betriebsrats des Betriebs Hamburg eingeholt werden muss.
Die Ernennung eines Arbeitnehmers zum Vorgesetzten von Arbeitnehmern eines anderen Betriebs gilt sogar auch dann als Einstellung in diesen Betrieb, wenn der Arbeitnehmer seinen Dienstsitz in seinem ursprünglichen Betrieb behält.
Beispiel:
Im vorherigen Beispiel läge auch dann eine Einstellung in den Betrieb in Hamburg vor, wenn der Teamleiter seinen Dienstsitz in München behält und die Vertriebsmitarbeiter in Hamburg ausschließlich von dort aus führt, ohne jemals nach Hamburg zu reisen.
Verlängerung und Entfristung eines befristeten Arbeitsverhältnisses
Ein weiterer Sonderfall einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung liegt vor, wenn ein bereits im Betrieb tätiger Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag über das ursprünglich vorgesehene Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus weiterbeschäftigt werden soll. Das kann dadurch geschehen, dass der Arbeitnehmer eine Verlängerung seines Vertrags erhält oder das befristete in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt wird.
Auch bei der Verlängerung eines befristeten Vertrags und bei der Entfristung eines befristeten Vertrags kann es auf den ersten Blick überraschend sein, dass diese Fälle als Einstellungen gelten. Denn der Arbeitnehmer ist in diesen Fällen schon eingestellt und fängt nicht neu an, für den Betrieb zu arbeiten. Trotzdem gelten diese Fälle als Einstellungen, zu denen die Zustimmung des Betriebsrats beantragt werden muss. Grund dafür ist, dass der Arbeitnehmer länger als zunächst vorgesehen im Betrieb verbleiben soll und dadurch die Interessen der anderen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, die der Betriebsrat schützen soll, beeinträchtigt sein können. Man kann es auch so betrachten, dass durch die Verlängerung oder Entfristung ein Arbeitsplatz, der durch das Auslaufen des befristeten Vertrags eigentlich frei werden würde, erneut besetzt wird.
Verlängerung der Arbeitszeit
Bei der nächsten besonderen Situation einer Einstellung geht es wieder um Arbeitnehmer, die bereits im Betrieb beschäftigt sind, genauer gesagt um Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit aufstocken. Auch die Erhöhung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit kann eine mitbestimmungspflichtige Einstellung sein. Eine Einstellung kann insbesondere dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer von Teilzeit in Vollzeit wechselt.
Damit es sich bei der Erhöhung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers um eine Einstellung handelt, zu der die Zustimmung des Betriebsrats beantragt werden muss, müssen aber 2 Voraussetzungen gegeben sein:
- Die Arbeitszeit muss um mindestens 10 Stunden pro Woche erhöht werden.
- Die Erhöhung der Arbeitszeit muss für einen Zeitraum von mehr als einem Monat gelten.
Wird die Arbeitszeit um weniger als 10 Stunden pro Woche aufgestockt oder für einen Zeitraum von nicht mehr als einem Monat, liegt keine Einstellung vor.
Der Grund dafür, warum es sich bei einer Erhöhung der Arbeitszeit unter den genannten Voraussetzungen um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung handelt, obwohl der Arbeitnehmer bereits in den Betrieb eingegliedert ist, besteht darin, dass sich diese Eingliederung aus der Sicht der Belegschaft erheblich ändert, wenn sich ihr zeitlicher Umfang wesentlich erhöht. Man könnte es auch so betrachten, dass durch die Erhöhung der Arbeitszeit ein im Betrieb eigentlich vorhandener Teilzeitarbeitsplatz neu besetzt wird und man deshalb eine Einstellung annimmt.
Beschäftigung zu Ausbildungszwecken
Bei der nächsten besonderen Fallkonstellation einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung geht es um Personen, die zu Ausbildungszwecken im Betrieb beschäftigt werden, also z. B.
- Auszubildende,
- Praktikanten,
- die Teilnehmer an einem Trainee-Programm und
- Studierende, die ein duales Studium absolvieren.
Auch wenn eine Person zu Ausbildungszwecken im Betrieb anfängt zu arbeiten, handelt es sich dabei um eine Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG. Hier liegt die Besonderheit im Vergleich zu dem Standardfall einer Einstellung darin, dass die Person keinen regulären Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber erhält, sondern z. B. einen Berufsausbildungsvertrag, einen Praktikanten-Vertrag, einen Trainee-Vertrag oder einen Vertrag für ein duales Studium. Auch hier muss jedoch bei der Prüfung der Frage, ob eine Einstellung vorliegt, wieder das für das Vorliegen einer Einstellung entscheidende Kriterium geprüft werden: Wird die Person zur Erbringung von Arbeitsleistungen in den Betrieb eingegliedert? Das trifft jedenfalls auf Auszubildende, Trainees und Studierende eines dualen Studiums zu. Bei Praktikanten ist das aber nicht immer der Fall. Die Aufnahme eines Schülerpraktikanten ist z. B. normalerweise keine Einstellung im Sinne von § 99, weil ein Schülerpraktikant in der Regel keine Arbeitsleistungen für den Betrieb erbringt.
Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis
Ein weiterer Sonderfall einer Einstellung ist die Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis. Obwohl der Auszubildende bereits in den Betrieb integriert ist, gilt die Übernahme als Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG, sodass die Zustimmung des Betriebsrats beantragt werden muss.
Die Begründung hierfür ähnelt derjenigen bei der Verlängerung oder Entfristung eines befristeten Arbeitsvertrags. Ein Auszubildender ist zunächst nur für die Dauer seiner Ausbildung im Betrieb tätig. Mit der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis wird er über diese befristete Zeit hinaus im Betrieb verbleiben. Da dies Auswirkungen auf die Interessen der übrigen Beschäftigten haben kann, ist die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.