Betriebsrat: Schulungen und Fortbildungen für Mitarbeiter durchsetzen

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Betriebsrat: Schulungen für Mitarbeiter duchsetzen

Es gibt Situationen, in denen es sehr sinnvoll sein kann, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen anbieten, damit die Arbeitnehmer ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten auffrischen oder erweitern können. Das kann z.B. ein Englisch-Kurs für Mitarbeiter sein, die beruflich auf englisch kommunizieren müssen. Oder eine Schulung zu bestimmten Software-Anwendungen, die die Arbeitnehmer einsetzen, wie z.B. Microsoft 365. Man könnte hier natürlich noch unendlich viele weitere Beispiele finden.

Jetzt ist es aber so, dass viele Arbeitgeber häufig leider nicht von sich aus auf die Idee kommen, sinnvolle Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter anzubieten oder sie lehnen entsprechende Vorschläge von Mitarbeitern sogar kategorisch ab.

Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht der Betriebsrat hier Druck auf den Arbeitgeber ausüben kann und der Betriebsrat den Arbeitgeber nicht vielleicht sogar dazu zwingen kann, Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter anzubieten.

Die Möglichkeit, eine Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahme auch dann durchzusetzen, wenn der Arbeitgeber das ablehnt, den Arbeitgeber also zur Durchführung einer solchen Maßnahme auch gegen seinen Willen zu zwingen, hat ein Betriebsrat aber leider nicht immer, sondern nur unter ganz bestimmten im Gesetz festgelegten Voraussetzungen, die nicht so häufig vorliegen.

Als Grundsatz gilt, dass ein Arbeitgeber erst einmal ohne Betriebsrat mitbestimmungsfrei allein entscheiden kann, ob Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt werden

Seit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes im Jahr 2021 gibt es aber für den Betriebsrat eine weitere Möglichkeit, um erheblichen Druck auf den Arbeitgeber aufzubauen, damit der Arbeitgeber “freiwillig” Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter anbietet oder durchführt. Wie diese Möglichkeit genau aussieht und funktioniert, das erklären wir in diesem Artikel.

Bevor wir aber dazu kommen, sehen wir uns erst einmal an, unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat den Arbeitgeber auch gegen dessen Willen tatsächlich dazu zwingen kann, eine Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahme für Mitarbeiter durchzuführen.

Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen erzwingen

Unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat den Arbeitgeber auch gegen dessen Willen zur Durchführung einer Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahme zwingen kann, ist in § 97 Abs. 2 BetrVG geregelt. Es handelt sich dabei um insgesamt 3 Voraussetzungen, die vorliegen müssen:

Erste Voraussetzung: Die Tätigkeit von Arbeitnehmern muss sich entweder bereits geändert haben oder sie muss sich in Zukunft ändern.

Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn Arbeitnehmer andere Werkzeuge oder Maschinen oder andere Software-Anwendungen einsetzen müssen als bisher. 

Zweite Voraussetzung: Die Änderung der Tätigkeit der Arbeitnehmer muss eine Folge von Maßnahmen sein, die der Arbeitgeber geplant oder bereits durchgeführt hat.

Das ist immer dann der Fall, wenn die Tätigkeitsänderung auf irgendein Handeln oder irgendeine Aktivität des Arbeitgebers zurückzuführen ist. Wenn die Arbeitnehmer beispielsweise andere Werkzeuge oder Maschinen oder andere Software-Anwendungen einsetzen müssen, dann ist diese Voraussetzung natürlich unproblematisch erfüllt, weil dies ja vom Arbeitgeber veranlasst worden ist.

Und dann gibt es noch eine dritte Voraussetzung: Die aktuell vorhandenen Kenntnisse oder Fähigkeiten der Arbeitnehmer reichen nicht aus, damit die Arbeitnehmer ihre Aufgaben erledigen können.

Dabei ist aber jetzt nicht unbedingt erforderlich, dass die Arbeitnehmer ihre Aufgaben gar nicht mehr erledigen können. Jedenfalls nach meinem Rechtsverständnis – und das findet sich so auch in der juristischen Literatur – wäre diese Voraussetzung auch dann erfüllt, wenn die Arbeitnehmer ihre Aufgaben zwar noch erledigen können, aber nur mit Mühe oder mit notdürftiger Improvisation.

Wenn diese 3 Voraussetzungen erfüllt sind, dann kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, dass Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer durchgeführt werden.

Und wenn sich der Arbeitgeber hier weigern sollte, dann könnte der Betriebsrat die Einigungsstelle einschalten und dann würde die Einigungsstelle entscheiden, ob und welche Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Und diese Entscheidung der Einigungsstelle wäre für den Arbeitgeber rechtsverbindlich, der Arbeitgeber müsste die Entscheidung der Einigungsstelle zwingend umsetzen.

Wenn die gerade besprochenen 3 Voraussetzungen nicht vorliegen, dann kann der Betriebsrat den Arbeitgeber nicht gegen dessen Willen dazu zwingen, eine Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahme durchzuführen. Der Arbeitgeber kann dann mitbestimmungsfrei allein entscheiden, ob eine Schulung durchgeführt wird.

Es kann aber natürlich trotzdem sehr sinnvoll und wünschenswert sein, Schulungen und Fortbildungen auch dann durchzuführen, wenn sich z.B. die Tätigkeit von Arbeitnehmer nicht ändert, z.B. einfach aus dem Grund, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeit nach einer entsprechenden Schulung einfach besser erledigen können.

“Freiwillige” Schulungen durchsetzen

Ich hatte ja schon angedeutet, dass ein Betriebsrat auch dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Erzwingen von Schulungsmaßnahmen nicht vorliegen, der Betriebsrat eine ziemlich gute Möglichkeit hat, solche Maßnahmen trotzdem beim Arbeitgeber durchzusetzen.

Diese Möglichkeit ist erst im Jahr 2021 mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz neu in das Betriebsverfassungsgesetz reingekommen und sie findet sich in § 96 Absätze 1 und 1a.

In § 96 Absatz 1 ist in den Sätzen 2 und 3 erst einmal vorgesehen, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge zu Fragen der Berufsbildung machen kann und der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über diese Fragen beraten muss. Und zu Fragen der Berufsbildung gehört u.a. auch die Frage, ob Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter angeboten oder durchgeführt werden sollen.

Und jetzt kommt das Entscheidende: In dem neu ins Gesetz eingefügten Absatz 1a heißt es: 

“Kommt im Rahmen der Beratung nach Absatz 1 eine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung nicht zustande, können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen.”

Das bedeutet: Wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber vorgeschlagen hat, dass bestimmte Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen und der Arbeitgeber solche Maßnahmen ablehnt, dann kann der Betriebsrat ein Einigungsstellenverfahren einleiten. 

Am Ende könnte zwar die Einigungsstelle dem Arbeitgeber nicht gegen dessen Willen vorschreiben, dass Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt müssen, weil es im Gesetz ja nur heißt, dass die Einigungsstelle eine Einigung der Parteien zu versuchen hat und nicht, dass die Einigungsstelle am Ende auch entscheidet.

Aber allein schon durch die Möglichkeit, ein Einigungsstellenverfahren einleiten zu können, kann der Betriebsrat ganz erheblichen Verhandlungsdruck auf den Arbeitgeber aufbauen.

Das liegt daran, dass ein Einigungsstellenverfahren ziemlich hohe Kosten verursacht, die der Arbeitgeber tragen muss. Für ein Einigungsstellenverfahren muss man immer mit Kosten in Höhe von mindestens einigen Tausend Euro rechnen. Und da wäre es natürlich viel besser, dieses Geld gleich in die vom Betriebsrat geforderten Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahme zu stecken.

Wenn der Arbeitgeber also eine vom Betriebsrat geforderte Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahme ablehnt, dann könnte der Betriebsrat dem Arbeitgeber signalisieren, dass er ein Einigungsstellenverfahren einleiten wird und dass damit ziemlich hohe Kosten auf den Arbeitgeber zukommen werden und dass es doch viel besser wäre, dieses Geld für die Einigungsstelle zu sparen und gleich in die Schulung der Mitarbeiter zu investieren.

Insbesondere in den Fällen, in denen die zu erwartenden Kosten des Einigungsstellenverfahrens die Kosten übersteigen, die durch die Schulung der Mitarbeiter entstehen würden, sollte sich ein vernünftiger Arbeitgeber dann eigentlich dazu entscheiden, lieber die vom Betriebsrat geforderte Schulungsmaßnahme anzubieten. 

Video: So kann der Betriebsrat Fortbildungen für Mitarbeiter durchsetzen

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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