Wann kann der Betriebsrat einer Kündigung widersprechen?

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Wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen will, dann kann der Betriebsrat der Kündigung widersprechen, wenn es sich bei der Kündigung um eine ordentliche Kündigung handelt. Allerdings braucht der Betriebsrat für einen Widerspruch gegen eine Kündigung auch einen bestimmten Grund, der Betriebsrat kann einer Kündigung nicht aus jedem beliebigen Grund widersprechen, sondern nur aus ganz bestimmten im Gesetz festgelegten Gründen. Welche Gründe das sind, erfährst du hier.

Fehlerhafte Sozialauswahl

Nach dem ersten im Gesetz festgelegten Widerspruchsgrund kann der Betriebsrat einer Kündigung widersprechen, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Damit der Betriebsrat diesen Widerspruchsgrund haben kann, brauchen wir eine Situation, in der mehrere Arbeitnehmer für die Kündigung in Betracht kamen und der Arbeitgeber sich dann für die Kündigung eines bestimmten Arbeitnehmers entschieden hat. Eine solche Situation gibt es häufig bei betriebsbedingten Kündigungen.

Nehmen wir als Beispiel mal an, ein Arbeitgeber beschäftigt insgesamt 20 Mitarbeiter in der Produktion und der Arbeitgeber sagt jetzt, wegen der Anschaffung einer neuen Produktionsanlage braucht er zukünftig nur noch 15 Mitarbeiter in der Produktion. In einer solchen Situation kann der Arbeitgeber einen betriebsbedingten Kündigungsgrund für 5 Produktionsmitarbeiter haben.

Wenn der Arbeitgeber aus diesem Grund jetzt 5 Produktionsmitarbeitern kündigen will, dann muss der Arbeitgeber natürlich entscheiden, welche 5 von den insgesamt 20 Produktionsmitarbeitern die Kündigung bekommen sollen.

Und hier könnte der Betriebsrat der Kündigung eines vom Arbeitgeber ausgewählten Mitarbeiters dann mit der Begründung widersprechen, dass dieser Mitarbeiter – z.B. aufgrund seines Alters oder aufgrund seiner langen Betriebszugehörigkeit – sozial schutzwürdiger ist als ein anderer Produktionsmitarbeiter, der nicht auf der Liste der zu kündigenden Mitarbeiter steht.

Verstoß gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG

Der nächste im Gesetz festgelegte Grund, aus dem der Betriebsrat einer Kündigung widersprechen kann, liegt vor, wenn die Kündigung gegen eine sogenannte Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG verstoßen würde.

Auswahlrichtlinien für Kündigungen nach § 95 sind Regeln, die Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam vereinbart haben und nach denen die Arbeitnehmer ausgewählt werden sollen, die eine Kündigung bekommen sollen, und zwar auch wieder in Situationen, in denen mehrere Arbeitnehmer für eine Kündigung in Betracht kommen. Auch solche Auswahlrichtlinien spielen deshalb insbesondere bei betriebsbedingten Kündigungen eine Rolle.

Bei betriebsbedingten Kündigungen muss nach dem Kündigungsschutzgesetz eine Sozialauswahl vorgenommen werden, wenn für eine Kündigung mehr Arbeitnehmer in Betracht kommen als gekündigt werden sollen. Es darf am Ende nur den Arbeitnehmern gekündigt werden, die am wenigsten sozial schutzwürdig sind.

Und diese Sozialauswahl muss eigentlich von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam vorgenommen werden und das geschieht normalerweise dadurch, dass ein Punkteschema aufgestellt wird, das verschiedene Punktzahlen für die 4 vom Gesetz vorgegebenen sozialen Auswahlkriterien vergibt: Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung.

Für jeden Arbeitnehmer, der für die betriebsbedingte Kündigung in Betracht kommt, ergibt sich aus einem solchen Punkteschema dann eine bestimmte Punktzahl und gekündigt werden dürfen nur die Arbeitnehmer mit der geringsten Punktzahl.

Und falls sich der Arbeitgeber dann aber nicht an ein solches mit dem Betriebsrat vereinbartes Punkteschema halten sollte, dann könnte der Betriebsrat der Kündigung eines Arbeitnehmers widersprechen, dem nach dem Punkteschema eigentlich nicht gekündigt werden darf.

Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf anderem Arbeitsplatz

Der dritte im Gesetz vorgesehene Grund für den Betriebsrat für einen Widerspruch gegen eine Kündigung liegt vor, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte.

Hier haben wir die Situation, dass der Betriebsrat sagt: Falls es so sein sollte, dass der Arbeitnehmer, dem gekündigt werden soll, auf seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr eingesetzt werden kann oder eingesetzt werden soll, der Arbeitnehmer ja stattdessen auf einem anderen Arbeitsplatz weiterarbeiten kann und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer deshalb nicht kündigen muss.

Auch hierzu mal ein einfaches Beispiel: Wenn der Arbeitgeber einem Produktionsmitarbeiter kündigen will, weil die Produktionslinie, an der dieser Mitarbeiter arbeitet, dauerhaft stillgelegt werden soll, es aber auch noch andere Produktionslinien gibt, die nicht stillgelegt werden, dann könnte der Betriebsrat der Kündigung ggf. mit der Begründung widersprechen, dass der Mitarbeiter ja an einer anderen Produktionslinie weiterarbeiten kann.

Allerdings besteht der Widerspruchsgrund “Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderem Arbeitsplatz” für den Betriebsrat nur dann, wenn der Arbeitsplatz, auf dem der Arbeitnehmer nach Meinung des Betriebsrats weiterbeschäftigt werden kann, bereits vorhanden ist und auch frei ist.

Es wäre keine ausreichende Begründung des Betriebsrats, wenn er sagen würde, dass der Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann, dieser andere Arbeitsplatz aber mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt ist oder erst noch geschaffen werden muss.

In dem Beispiel mit dem Mitarbeiter, der an einer Produktionslinie arbeitet, die stillgelegt werden soll, hätte der Betriebsrat also nur dann einen Widerspruchsgrund, wenn er sagen könnte, dass an einer anderen Produktionslinie ein Arbeitsplatz frei ist.

Was hier aber ein wichtiger Punkt ist: Als freie Arbeitsplätze können auch Arbeitsplätze gelten, die aktuell mit Leiharbeitnehmern besetzt sind oder die mit Mitarbeitern besetzt sind, die nur einen befristeten Arbeitsvertrag haben.

Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Umschulung oder Fortbildung

Bei dem nächsten im Gesetz vorgesehenen Widerspruchsgrund, dem Grund Nummer 4, haben wir eigentlich die gleiche Ausgangslage wie bei dem gerade besprochenen Grund Nummer 3. Der Betriebsrat sagt, dass der Arbeitnehmer, dem gekündigt werden soll, doch auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.

Der Unterschied zu dem Widerspruchsgrund Nummer 3 besteht hier darin, dass der Arbeitnehmer noch nicht sofort auf dem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann, weil ihm dazu nötige Kenntnisse oder Fähigkeiten fehlen.

In einer solchen Situation hat der Betriebsrat dann einen Grund, um der Kündigung widersprechen zu können, wenn der Betriebsrat sagen kann, dass der Arbeitnehmer sich die nötigen Kenntnisse oder Fähigkeiten durch zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen aneignen kann.

Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unter geänderten Vertragsbedingungen

Auch bei dem 5. im Gesetz vorgesehenen Widerspruchsgrund haben wir eigentlich wieder die gleiche Ausgangslage wie beim Grund Nummer 3, der Betriebsrat sagt also, dass der Arbeitnehmer, dem gekündigt werden soll, zwar vielleicht nicht mehr auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann, aber doch auf einem anderen Arbeitsplatz.

Hier besteht der Unterschied zu dem Widerspruchsgrund Nummer 3 darin, dass erst einmal der Arbeitsvertrag des betroffenen Arbeitnehmers geändert werden müsste, bevor der Arbeitnehmer auf dem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann.

Auch hierzu mal ein Beispiel: Nehmen wir mal wieder den Produktionsmitarbeiter, der an einer Produktionslinie arbeitet, die stillgelegt werden soll und dieser Mitarbeiter ist nach seinem Arbeitsvertrag auch als Produktionsmitarbeiter eingestellt worden.

Und der Betriebsrat sagt hier in diesem Fall jetzt, es gibt zwar vielleicht keinen freien Arbeitsplatz mehr in der Produktion, wo der Kollege als Produktionsmitarbeiter weiterarbeiten könnte, aber es gibt einen freien Arbeitsplatz im Lager, wo der Kollege als Lagermitarbeiter weiter arbeiten könnte.

Damit der Kollege als Lagermitarbeiter weiter arbeiten kann, müsste aber erst einmal sein Arbeitsvertrag entsprechend geändert werden, es müsste dort statt einer Tätigkeit als Produktionsmitarbeiter eine Tätigkeit eines Lagermitarbeiter vereinbart werden und das würde natürlich nur dann gehen, wenn der betroffene Kollege auch damit einverstanden wäre.

Und deshalb ist Voraussetzung dafür, dass der Betriebsrat einer Kündigung widersprechen kann mit dem Hinweis auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz, die erst einmal eine Vertragsänderung erforderlich machen würde, dass sich der betroffene Arbeitnehmer mit dieser Vertragsänderung einverstanden erklärt hat.

Video: Die wichtigsten Fragen zur Tagesordnung einer Betriebsratssitzung

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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