Betriebsrat: Mitbestimmung bei Mitarbeiterbefragungen

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Wenn der Arbeitgeber persönliche Informationen über Mitarbeiter einholen will, muss er in vielen Fallen erst einmal den Betriebsrat fragen, ob der Betriebsrat mit dieser Mitarbeiterbefragung einverstanden ist. In diesem Artikel beantworten wir die wichtigsten Fragen zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Personalfragebögen und sonstigen Mitarbeiterbefragungen.

Wann sind Mitarbeiterbefragungen mitbestimmungspflichtig?

Gesetzlich geregelt ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Mitarbeiterbefragungen in § 94 Abs. 1 BetrVG. Dort heißt es:

“Personalfragebogen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats.”

Unter einem Personalfragebogen stellt man sich jetzt wahrscheinlich erst einmal ein Formular vor, das die Arbeitnehmer ausfüllen sollen. Die Vorschrift des 94 Abs. 1 BetrVG wird aber sehr viel weiter verstanden, und zwar so, dass sie letztlich auf alle Informationserhebungen des Arbeitgebers Anwendung finden kann, bei denen Personen, die sich beim Arbeitgeber auf einen Arbeitsplatz bewerben wollen oder Mitarbeiter, die im Betrieb bereits beschäftigt sind, Auskünfte über sich selbst geben sollen.

Eine Mitarbeiterbefragung durch den Arbeitgeber muss deshalb nicht unbedingt mit Hilfe eines Formulars erfolgen, damit hier ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Betracht kommt, sondern sie kann z.B. auch so ablaufen, dass jemand den Mitarbeitern die Fragen mündlich stellt und sich die Antworten notiert. Dabei ist es übrigens auch egal, wer die Fragen stellt, ob das also z.B. ein Vorgesetzter macht, ein Mitarbeiter aus der Personalabteilung oder eine vom Arbeitgeber beauftragte Fremdfirma.

In vielen Fällen benutzen Arbeitgeber aber ja tatsächlich Formulare, wenn sie Informationen über aktuelle oder potentielle zukünftige Mitarbeiter einholen wollen, sei es jetzt Formulare auf Papier, die mit einem Stift in der Hand ausgefüllt werden sollen, oder elektronische Formulare über eine Internetseite oder eine Seite im betrieblichen Intranet, die am Bildschirm ausgefüllt werden.

Klassische Beispiele sind hier ein Bewerberfragebogen, also ein Formular, das Bewerber ausfüllen sollen, die sich auf einen bestimmten Arbeitsplatz bewerben oder ein Personalfragebogen für die Lohnbuchhaltung, mit dem der Arbeitgeber die Informationen abfragen will, die er für die Gehaltsabrechnungen benötigt.

Was den Gegenstand der Fragen und den Zweck der Befragung angeht, gibt es aber praktisch keine Grenze, um eine mitbestimmungspflichtige Mitarbeiterbefragung des Arbeitgebers annehmen zu können, die erst einmal vom Betriebsrat abgesegnet werden muss. Es kommen alle Frageaktionen in Betracht, mit denen der Arbeitgeber persönliche Informationen über Mitarbeiter einholen will.

Weitere Beispiele für mitbestimmungspflichtige “Personalfragebögen” wären eine Mitarbeiterbefragung, mit denen der Arbeitgeber bei Mitarbeitern vorhandene Qualifikationen abfragen will, oder wenn der Arbeitgeber Befragungen dazu durchführen will, ob und unter welchen Umständen Mitarbeiter bereit sind, andere Tätigkeiten zu übernehmen oder z.B. im Home-Office zu arbeiten, man könnte hier unendlich viele weitere Beispiele bilden.

Eine wichtige Beschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gibt es dann aber doch: Der Betriebsrat hat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mitzubestimmen bei Mitarbeiterbefragungen, die anonym erfolgen, bei denen der Arbeitgeber also nicht erkennen kann, welcher Mitarbeiter die Fragen wie beantwortet hat.

Was ist die Aufgabe des Betriebsrats bei Mitarbeiterbefragungen?

Wenn der Arbeitgeber über eine Mitarbeiterbefragung Informationen von Bewerbern oder Arbeitnehmern einholen will, dann hat der Betriebsrat eigentlich zwei Aufgaben. Erst einmal soll der Betriebsrat kontrollieren, ob der Arbeitgeber die entsprechenden Fragen überhaupt stellen darf, das heißt, ob diese Fragen also überhaupt rechtlich zulässig sind.

Es gibt z.B. bestimmte Fragen, die ein Arbeitgeber Bewerbern um einen Arbeitsplatz normalerweise nicht stellen darf. Dazu gehören beispielsweise Fragen nach einer bestehenden Schwangerschaft, nach der Religionszugehörigkeit oder nach einer Gewerkschaftsmitgliedschaft. Es ist Aufgabe des Betriebsrats, solche schon aus rechtlichen Gründen unzulässige Fragen herauszufiltern.

Und die zweite Aufgabe, die der Betriebsrat hat: Der Betriebsrat hat ja ganz generell die Aufgabe, sich für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mitarbeiter einsetzen und zu diesem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter gehört auch das Recht, gegenüber dem Arbeitgeber nur die persönlichen Informationen über sich selbst preisgeben zu müssen, an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat, und dann eigentlich auch nur in dem Fall, dass das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer Information das Interesse der Mitarbeiter an der Geheimhaltung dieser Information überwiegt.

Bei einem Formular, mit dem der Arbeitgeber persönliche Informationen über Mitarbeiter abfragen will und bei sonstigen mitbestimmungspflichtigen Mitarbeiterbefragungen hat der Betriebsrat deshalb die Aufgabe, zu prüfen, ob der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an den von ihm gewünschten Informationen hat und wenn ja, ob dieses Interesse des Arbeitgebers das Interesse der Mitarbeiter an der Geheimhaltung dieser Information überwiegt.

Wie nimmt der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht wahr?

Wenn der Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Mitarbeiterbefragung durchführen will, dann muss er darüber den Betriebsrat informieren, dem Betriebsrat sein Formular bzw. seinen Fragenkatalog vorlegen und dazu die Zustimmung des Betriebsrats beantragen.

Und der Betriebsrat müsste sich dann mit dem Formular bzw. Fragenkatalog befassen und sich entscheiden, ob er diesem so zustimmen will, ob er die Frageaktion komplett ablehnen will oder ob er einzelne Fragen gestrichen oder geändert haben will und der Betriebsrat müsste dem Arbeitgeber dann eine entsprechende Rückmeldung geben.

Ganz wichtig: Erst nachdem sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die zu stellenden Fragen geeinigt haben, darf das entsprechende Formular bzw. der Fragenkatalog zum Einsatz kommen. Der gleiche Ablauf würde übrigens gelten, wenn der Arbeitgeber einen Fragenkatalog ändern will. Auch die Änderung eines Fragenkatalogs ist mitbestimmungspflichtig und darf erst umgesetzt werden, nachdem der Betriebsrat die Änderung abgesegnet hat.

Was wäre jetzt aber in dem Fall, dass nicht der Arbeitgeber, sondern der Betriebsrat einen Fragebogen ändern oder gar nicht mehr zum Einsatz kommen lassen will, und zwar einen Fragebogen, der bereits seit längerer Zeit im Betrieb eingesetzt wird und dem der Betriebsrat seinerzeit auch ausdrücklich zugestimmt hatte?

Die Antwort ist ganz einfach: Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einem Personalfragebogen kündigen, wenn er es sich anders überlegt hat und nicht mehr damit einverstanden ist, dass der Fragebogen eingesetzt wird. Wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zu einem Personalfragebogen gekündigt hat, dann darf dieser Personalfragebogen nach Ablauf der Kündigungsfrist vom Arbeitgeber nicht mehr eingesetzt werden. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat keine abweichende Kündigungsfrist vereinbart haben.

Was ist, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen können?

Wir hatten ja schon gesagt, dass der Arbeitgeber eine Mitarbeiterbefragung erst durchführen darf, bzw. einen entsprechenden Fragebogen erst einsetzen darf, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung dazu erteilt hat.

Was ist jetzt aber, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer Mitarbeiterbefragung nicht erteilt, weil sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf die zu stellenden Fragen einigen konnten, der Arbeitgeber die Mitarbeiterbefragung aber trotzdem durchführen will?

Der Arbeitgeber hat in diesem Fall die Möglichkeit, die Einigungsstelle einzuschalten. Und dann würde die Einigungsstelle für Arbeitgeber und Betriebsrat rechtsverbindlich darüber entscheiden, welche Fragen der Arbeitgeber stellen darf und welche nicht.

Was ist, wenn der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt?

Wenn der Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Mitarbeiterbefragung ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführt, ist diese Befragung unzulässig. Die Arbeitnehmer wären nicht zur Beantwortung der Fragen verpflichtet und falls sie die Fragen bereits beantwortet haben sollten, dann könnten sie vom Arbeitgeber die Löschung der erhobenen Daten verlangen.

Der Betriebsrat könnte vom Arbeitgeber außerdem verlangen, die Verwendung des Fragebogens bzw. die Durchführung der Befragung zu unterlassen und diesen Unterlassungsanspruch, den der Betriebsrat hat, den könnte er sogar mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen.

Kann der Betriebsrat auch selbst Mitarbeiterbefragungen durchsetzen?

Anders als bei vielen anderen Mitbestimmungsrechten hat der Betriebsrat bei Mitarbeiterbefragungen kein Initiativrecht. Er kann also vom Arbeitgeber nicht die Durchführung von Mitarbeiterbefragungen verlangen, die der Arbeitgeber selbst nicht durchführen will.

Was ein Betriebsrat aber machen kann: Er kann eigene Mitarbeiterbefragungen durchführen, wenn er von den Mitarbeitern Informationen einholen will, die er für seine Betriebsratsarbeit verwenden will. Im Unterschied zu vom Arbeitgeber durchgeführten Befragungen, bei denen Mitarbeiter zu einer Beantwortung der vom Arbeitgeber gestellten Fragen verpflichtet sind, wären die Mitarbeiter hier aber nicht dazu verpflichtet, die Fragen des Betriebsrats zu beantworten, wenn sie das nicht wollen.

Video: Wer ist zuständig - Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat?

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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