Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Sozialeinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG)

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Der Betriebsrat hat ein echtes Mitbestimmungsrecht im Zusammenhang mit sogenannten Sozialeinrichtungen. In diesem Artikel beantworten wir die wichtigsten Fragen zu diesem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Sozialeinrichtungen, unter anderem die Fragen, was mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtungen überhaupt sind, wie weit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hier reicht und was die Folgen sind, wenn der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt.

Was sind Sozialeinrichtungen?

Sozialeinrichtungen sind – jetzt mal etwas vereinfacht ausgedrückt – Einrichtungen, die ein Arbeitgeber – ohne dazu verpflichtet zu sein – freiwillig schafft, um den Mitarbeitern etwas Gutes zu tun.

Das klassische Beispiel für eine mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtung ist eine Kantine, in der die Mitarbeiter essen können. Aber auch Pausenräume, die z.B. mit einer Kaffeemaschine und einer Mikrowelle ausgestattet sind, sind mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtungen und dasselbe gilt sogar auch für Verkaufsautomaten wie z.B. Getränkeautomaten.

Weitere Beispiele für mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtungen wären

  • Betriebskindergärten,
  • Sportanlagen,
  • Mitarbeiterparkplätze auf dem Firmengelände und
  • E-Ladesäulen, an denen Mitarbeiter ihre Elektro-Autos oder Fahrräder aufladen können.

Damit etwas, was der Arbeitgeber den Mitarbeitern anbietet oder zur Verfügung stellt, eine mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtung sein kann, muss es aber etwas sein, was schon irgendwie auf Dauer angelegt ist, denn wenn etwas nicht auf Dauer angelegt ist, dann kann man nicht von einer “Einrichtung” sprechen. Ein Betriebsausflug oder eine Weihnachtsfeier wäre deshalb z.B. keine mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtung.

Was ist vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst?

Erstmal einmal ein Punkt, der aus Betriebsratssicht leider etwas enttäuschend ist:  Bei einer Sozialeinrichtung kann der Arbeitgeber in einem ersten Schritt immer erst einmal ohne Betriebsrat mitbestimmungsfrei allein darüber entscheiden, ob eine bestimmte Sozialeinrichtung überhaupt geschaffen werden soll, ob es also z.B. eine Kantine überhaupt geben soll. Der Betriebsrat hat bezogen auf das “Ob” einer Sozialeinrichtung leider kein Mitbestimmungsrecht, der Betriebsrat kann also den Arbeitgeber z.B. nicht zur Errichtung einer Kantine zwingen, wenn der Arbeitgeber keine Kantine haben will. Genausowenig könnte der Betriebsrat den Arbeitgeber beispielsweise dazu zwingen, auf dem Firmengelände vorhandene Parkplätze für die Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen.

Der Betriebsrat ist bei einer Sozialeinrichtung erst im zweiten Schritt mit im Boot, wenn es darum geht, das “Wie” der Sozialeinrichtung zu regeln, insbesondere wenn es um die Frage geht, wie die Sozialeinrichtung ausgestattet sein soll und wie sie betrieben und benutzt werden soll.

Bei einer Kantine würde dazu z.B. die Frage nach den Öffnungszeiten gehören, aber auch die Frage, welches Essen dort angeboten wird. Außerdem würde z.B. auch die Frage dazu gehören, ob die Kantine lediglich zur Einnahme von Mahlzeiten benutzt werden darf oder ob sie nicht auch für andere Nutzungen durch die Arbeitnehmer zur Verfügung steht, z.B. für private Veranstaltungen.

Auch die Festsetzung der Kantinenpreise wäre mitbestimmungspflichtig. Was in diesem Zusammenhang aber wichtig ist. Weil der Arbeitgeber ohne den Betriebsrat mitbestimmungsfrei allein entscheiden kann, ob er überhaupt eine Sozialeinrichtung schaffen will, kann er auch mitbestimmungsfrei allein darüber entscheiden, wie viel Geld er dafür zur Verfügung stellen will. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung der Kantinenpreise wäre deshalb durch das Budget begrenzt, das der Arbeitgeber für die Kantine zur Verfügung stellen will. Der Betriebsrat kann deshalb z.B. nicht günstigere Kantinenpreise durchsetzen, wenn das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Budget dafür einfach nicht ausreicht.

Was die Verteilung des Budgets angeht, das der Arbeitgeber für eine Sozialeinrichtung zur Verfügung stellt, ist der Betriebsrat aber voll in der Mitbestimmung. Der Betriebsrat entscheidet also gemeinsam und gleichberechtigt mit dem Arbeitgeber darüber mit, wofür genau Geld ausgegeben wird.

Der Betriebsrat hat auch bei der Ausstattung einer Sozialeinrichtung mitzubestimmen, aber auch hier spielt das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Budget eine große Rolle. Wenn wir als Beispiel hier mal einen Pausenraum nehmen, dann hätte der Betriebsrat eigentlich mitzubestimmen bei der Frage, ob dieser Pausenraum z.B. mit einem Kaffeeautomaten, einer Mikrowelle, einer Spülmaschine und vielleicht sogar auch mit einem Billardtisch ausgestattet wird. Mit welchen Dingen ein Pausenraum ausgestattet werden kann, hängt aber natürlich ganz entscheidend davon ab, wie viel Geld für die Ausstattung des Pausenraums zur Verfügung steht, und über die Höhe dieses Budgets kann der Arbeitgeber ohne den Betriebsrat mitbestimmungsfrei allein entscheiden.

Weil der Arbeitgeber über die Höhe des Budgets mitbestimmungsfrei allein entscheiden kann, kann er auch über Kürzungen des Budgets allein entscheiden. Ein Arbeitgeber, der z.B. bislang monatlich immer ein bestimmtes Budget für die Kantine zur Verfügung gestellt hat, könnte deshalb sagen, dass er zukünftig nur noch die Hälfte des bisherigen Budgets ausgeben will und der Betriebsrat könnte diese Kürzung mit seinem Mitbestimmungsrecht nicht verhindern. Was die genaue Verwendung des gekürzten Budgets angeht, wäre der Betriebsrat aber wieder in der Mitbestimmung, er könnte also darüber mitentscheiden, wofür genau das verbleibende Geld verwendet werden soll.

Zu den weiteren Fragen, bei denen der Betriebsrat bei einer Sozialeinrichtung mitzubestimmen hat, würde dann insbesondere auch noch die Frage gehören, welche Mitarbeiter die Sozialeinrichtung nutzen dürfen. Hier sind die Mitarbeiterparkplätze auf dem Firmengelände ein gutes Beispiel. Wenn der Arbeitgeber entschieden hat, dass die Parkplätze auf dem Firmengelände von den Mitarbeitern genutzt werden dürfen, es aber vielleicht nicht genug Parkplätze für alle Mitarbeiter gibt, dann wäre die Frage, welche Mitarbeiter welche Parkplätze wann nutzen dürfen, vom Betriebsrat mitzuentscheiden. Und hier hätte der Betriebsrat dann insbesondere die Aufgabe, darauf zu achten, dass es bei der Verteilung der Parkplätze gerecht zugeht.

Was den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Sozialeinrichtungen angeht, zum Abschluss noch ein letzter Hinweis: Weil der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei allein entscheiden kann, ob er eine Sozialeinrichtung überhaupt schaffen will, kann er auch den umgekehrten Fall allein entscheiden, also dass es eine Sozialeinrichtung, die aktuell existiert, zukünftig nicht mehr geben soll. Der Betriebsrat könnte deshalb mit seinem Mitbestimmungsrecht also z.B. nicht verhindern, dass der Arbeitgeber eine Kantine, die es bislang immer gegeben hat, dauerhaft schließt.

Was bedeutet es, dass der Betriebsrat bei einer Sozialeinrichtung mitzubestimmen hat?

Dass der Betriebsrat bei Sozialeinrichtungen mitzubestimmen hat, bedeutet, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat hier bei allen mitbestimmungspflichtigen Fragen zunächst einmal einigen müssen, bevor entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden dürfen. Arbeitgeber und Betriebsrat stehen sich hier gleichberechtigt auf Augenhöhe gegenüber.

Das gilt sowohl in dem Fall, dass der Arbeitgeber eine Sozialeinrichtung neu schaffen will als auch in dem Fall, dass der Arbeitgeber bei einer schon bestehenden Sozialeinrichtung etwas mitbestimmungspflichtiges ändern will, also wenn der Arbeitgeber z.B. bei einer Kantine die Preise erhöhen will, oder wenn er für die Mitarbeiter neue Regeln zur Nutzung der Parkplätze auf dem Firmengelände aufstellen will.

Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen können, dann wäre die Einigungsstelle dafür zuständig, für Arbeitgeber und Betriebsrat eine rechtsverbindliche Entscheidung zu treffen. Die Einigungsstelle kann sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Betriebsrat eingeschaltet werden.

Der Betriebsrat hat bei dem Thema Sozialeinrichtungen auch ein Initiativrecht. Das bedeutet, der Betriebsrat kann von sich aus Änderungen an schon bestehenden Sozialeinrichtungen anstoßen, insbesondere was die Ausstattung und was die Regeln für die Benutzung der Sozialeinrichtung angeht. Dieses Initiativrecht besteht allerdings nur in Bezug auf die Fragen, die auch wirklich mitbestimmungspflichtig sind. Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber also mit Hilfe seines Initiativrechts nicht dazu zwingen, eine Sozialeinrichtung zu schaffen, die der Arbeitgeber nicht will, denn die Frage, ob es eine bestimmte Sozialeinrichtung überhaupt geben soll, die ist ja nicht mitbestimmungspflichtig.

Und woran man auch denken muss: Der Arbeitgeber kann ja auch das Budget, das er für eine Sozialeinrichtung zur Verfügung stellen will, mitbestimmungsfrei allein festlegen, der Betriebsrat wird deshalb mit seinem Initiativrecht in der Regel keine Maßnahmen durchsetzen können, die das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Budget sprengen. Der Betriebsrat wird z.B. den Arbeitgeber mit seinem Initiativrecht nicht dazu zwingen können, einen Billardtisch für den Pausenraum anzuschaffen, wenn das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Budget dafür einfach nicht ausreicht.

Was der Betriebsrat mit seinem Initiativrecht aber durchsetzen könnte, wäre eine Neuverteilung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Budgets. Es würde deshalb z.B. durchaus die Chance bestehen, dass der Betriebsrat mit seinem Initiativrecht eine Senkung der Kantinenpreise durchsetzen kann, wenn dafür vielleicht an anderer Stelle gespart wird.

Was sind die Folgen, wenn der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt?

Die Frage, welche Folgen es hat, wenn der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht verletzt, das der Betriebsrat hat, was die Ausstattung und die Benutzung einer Sozialeinrichtung angeht, stellt sich insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber die Nutzungsmöglichkeit einer Sozialeinrichtung einschränkt oder zum Nachteil der Arbeitnehmer verändert, wenn also der Arbeitgeber z.B. ohne Zustimmung des Betriebsrats einseitig die Kantinenpreise erhöhen will, oder wenn der Arbeitgeber Parkplätze auf dem Firmengelände, die bislang allen Mitarbeitern offenstanden, nur noch von ihm ausgewählten Mitarbeitern zur Verfügung stellen will.

Wenn der Arbeitgeber derartige Maßnahmen ohne die Zustimmung des Betriebsrats durchführt und damit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt, dann kann das Rechtsfolgen sowohl im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und den betroffenen Arbeitnehmern haben als auch im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat.

Im Verhältnis zu den betroffenen Arbeitnehmern ist die Rechtsfolge, dass die Maßnahme des Arbeitgebers unwirksam ist, wenn sie für die Arbeitnehmer nachteilig ist. Wenn der Arbeitgeber also z.B. die Kantinenpreise erhöhen würde und der Betriebsrat dieser Preiserhöhung nicht zugestimmt hat, dann wäre diese Preiserhöhung unwirksam. Und wenn der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats Parkplätze auf dem Firmengelände nur noch ausgewählten Mitarbeitern zur Verfügung stellt, wäre die entsprechende Anweisung gegenüber den anderen Mitarbeitern unwirksam und diese dürften weiterhin auf dem Firmengelände parken.

Im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat wäre die Rechtsfolge einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, dass der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat. In meinem Beispiel, in dem der Arbeitgeber einseitig die Kantinenpreise erhöhen will, könnte der Betriebsrat also vom Arbeitgeber verlangen, diese Preiserhöhung nicht vorzunehmen. Und in meinem Beispiel mit den Parkplätzen könnte der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, weiterhin alle Mitarbeiter auf dem Firmengelände parken zu lassen. Diese Ansprüche könnte der Betriebsrat notfalls auch mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen.

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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