Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht im Zusammenhang mit der Urlaubsgewährung. Er hat nach dieser Vorschrift bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, bei der Aufstellung des Urlaubsplans und unter bestimmten Voraussetzungen auch bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer mitzubestimmen.
Warum hat der Betriebsrat beim Urlaub mitzubestimmen?
Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen. Den Urlaub antreten darf ein Arbeitnehmer aber erst, nachdem der Arbeitgeber ihn bewilligt hat.
Was die zeitliche Lage seines Urlaubs angeht, kann ein Arbeitnehmer zwar Wünsche äußern. Die Entscheidung, ob der Urlaub wie vom Arbeitnehmer gewünscht bewilligt wird, trifft aber der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann den Urlaubswunsch eines Arbeitnehmers ablehnen, wenn diesem dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen.
Damit der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über die Urlaubsgewährung seine eigenen Interessen nicht zu stark gewichtet und damit es gerecht zugeht, wenn die Urlaubswünsche verschiedener Arbeitnehmer miteinander konkurrieren, hat der Betriebsrat bei der Urlaubsgewährung mitzuentscheiden.
Gegenstand des Mitbestimmungsrechts
Bei dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Urlaub geht es um die Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs der Arbeitnehmer, also um die Beantwortung der Frage, wann welcher Arbeitnehmer seinen Urlaub antreten darf.
Nicht vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst ist die Anzahl der Urlaubstage, die den Arbeitnehmern zusteht. Die Anzahl der den Arbeitnehmern zustehenden Urlaubstage ergibt sich entweder aus ihren Arbeitsverträgen, aus einem Tarifvertrag oder aus dem Bundesurlaubsgesetz. Ebenfalls nicht mitbestimmungspflichtig ist die Höhe und die Berechnung des vom Arbeitgeber zu zahlenden Urlaubsentgelts.
Nach dem Gesetzeswortlaut hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei
- der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze,
- der Aufstellung des Urlaubsplans und
- der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird.
Allgemeine Urlaubsgrundsätze
Unter allgemeinen Urlaubsgrundsätzen sind allgemeine Regeln oder Richtlinien zu verstehen, nach denen der Arbeitgeber einzelnen Arbeitnehmern Urlaub gewährt.
Zu derartigen Regeln oder Richtlinien, nach denen Urlaub gewährt wird, gehören insbesondere Vorgaben über das Verfahren der Urlaubsgewährung (Bewilligungsverfahren). Solche Verfahrensregeln können z.B. vorsehen, dass
- sich die Arbeitnehmer in eine Urlaubsliste eintragen müssen,
- die Arbeitnehmer ihren Urlaub bis zu einem bestimmten Stichtag beantragen müssen,
- ein bestimmtes Formular für den Urlaubsantrag verwendet werden muss,
- der Arbeitgeber innerhalb einer bestimmten Frist über einen Urlaubsantrag entscheiden muss.
Da es sich bei Regeln über das Verfahren der Urlaubsgewährung um allgemeine Urlaubsgrundsätze handelt, sind diese mitbestimmungspflichtig.
Es kann Situationen geben, in denen mehrere Arbeitnehmer in einem bestimmten Zeitraum Urlaub haben wollen, aber nicht allen Arbeitnehmern der Urlaub für diesen Zeitraum bewilligt werden kann, weil ansonsten der Betrieb nicht aufrecht erhalten werden kann. In solchen Situationen muss entschieden werden, welcher Arbeitnehmer den Urlaub in dem gewünschten Zeitraum bewilligt bekommt und welcher nicht. Damit es bei einer solchen Entscheidung transparent und gerecht zugeht, können Kriterien festgelegt werden, nach denen die Entscheidung getroffen werden muss. Es kann z.B. festgelegt werden, dass Urlaubswünsche von Arbeitnehmern mit schulpflichtigen Kindern während der Schulferien Vorrang haben. Auch solche Kriterien für die Behandlung konkurrierender Urlaubswünsche von Arbeitnehmern stellen allgemeine Urlaubsgrundsätze dar, die mitbestimmungspflichtig sind.
Weitere Beispiele für mitbestimmungspflichtige allgemeine Urlaubsgrundsätze sind Urlaubssperren und Betriebsferien. Mit Regeln über Urlaubssperren kann festgelegt werden, dass alle Arbeitnehmer des Betriebs oder bestimmte Arbeitnehmergruppen in einem bestimmten Zeitraum keinen Urlaub gewährt bekommen. Mit der Einführung von Betriebsferien wird der umgekehrte Fall entschieden, und zwar dass alle Arbeitnehmer des Betriebs in einem bestimmten Zeitraum Urlaub gewährt bekommen.
Urlaubsplan
Unter dem “Urlaubsplan” im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ist die genaue zeitliche Festlegung des Urlaubs der einzelnen Arbeitnehmer im Urlaubsjahr zu verstehen.
Die Grundlage für die Erstellung des Urlaubsplans bilden normalerweise die von den Arbeitnehmern eingereichten Urlaubswünsche bzw. die Urlaubsliste, in die die Arbeitnehmer ihre Urlaubswünsche eingetragen haben. Aus den eingereichten Urlaubswünschen wird der Urlaubsplan angefertigt. Durch die Eintragung eines Urlaubs in den Urlaubsplan wird festgelegt, dass dem Arbeitnehmer der entsprechende Urlaub gewährt wird.
Der Betriebsrat hat sowohl bei der Aufstellung als auch bei späteren Änderungen des Urlaubsplans ein Mitbestimmungsrecht.
Festlegung des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer
In bestimmten Fällen hat der Betriebsrat auch bei der Festlegung des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer mitzubestimmen. Dies ist dann der Fall, wenn sich ein Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber nicht auf die Festlegung der zeitlichen Lage seines Urlaubs einigen kann, sei es, weil der Arbeitgeber dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers aus betrieblichen Gründen nicht entsprechen will, oder weil die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. In einem solchen Fall haben Arbeitgeber und Betriebsrat dann den Urlaub des Arbeitnehmers gemeinsam festzulegen.
Ausübung des Mitbestimmungsrechts durch den Betriebsrat
Der Betriebsrat hat bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, bei der Aufstellung und des Urlaubsplans und bei der Festlegung des Urlaubs für einzelnen Arbeitnehmer in dem Fall, dass sich der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber nicht über seinen Urlaub einigen kann, ein echtes Mitbestimmungsrecht. Das bedeutet, der Betriebsrat kann bei diesen Themen gleichberechtigt mit dem Arbeitgeber mitentscheiden.
Allgemeine Urlaubsgrundsätze
Bevor der Arbeitgeber eine Regelung aufstellen darf, die zu den allgemeinen Urlaubsgrundsätzen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zählt, muss er zunächst einmal den Betriebsrat nach seinem Einverständnis fragen. Er darf die Regelung erst aufstellen und umsetzen, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat darauf geeinigt haben.
Beispiel
Der Arbeitgeber möchte seine Arbeitnehmer auffordern, ihre Urlaubswünsche bis spätestens zum 30. November für das kommende Urlaubsjahr einzureichen, um frühzeitig einen Urlaubsplan aufstellen zu können. Die Anweisung, Urlaubswünsche bis zu einem bestimmten Stichtag anzumelden, ist eine Vorgabe, die einen allgemeinen Urlaubsgrundsatz im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG darstellt. Der Arbeitgeber darf diese Anweisung deshalb erst erteilen, nachdem der Betriebsrat zugestimmt hat.
Der Betriebsrat hat in Bezug auf allgemeine Urlaubsgrundsätze auch ein Initiativrecht. Der Betriebsrat kann deshalb auch von sich aus aktiv werden und dem Arbeitgeber bestimmte Regelungen vorschlagen, die für die Urlaubsgewährung gelten sollen.
Beispiel
Der Betriebsrat möchte erreichen, dass über Urlaubsanträge von Arbeitnehmern zeitnah entschieden wird. Er schlägt deshalb dem Arbeitgeber die Regelung vor, dass über einen Urlaubsantrag innerhalb von 2 Wochen entschieden werden muss und dass bei Nichteinhaltung dieser Frist der Urlaub als bewilligt gilt. Auch eine solche Regelung gehört zu den mitbestimmungspflichtigen allgemeinen Urlaubsgrundsätzen. Die Regelung wird allerdings erst dann rechtsverbindlich, wenn sich der Arbeitgeber damit einverstanden erklärt hat.
Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei allgemeinen Urlaubsgrundsätzen ist keine besondere Form vorgeschrieben. Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf bestimmte Regeln zu Urlaubsgewährung geeinigt haben, können sie dazu eine Betriebsvereinbarung abschließen. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist jedenfalls dann sinnvoll, wenn es sich um umfangreiche Regelungen handelt.
Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat bei dem Thema allgemeine Urlaubsgrundsätze nicht einigen können, haben beide Seiten die Möglichkeit, die Einigungsstelle einzuschalten. Dies gilt sowohl dann, wenn der Betriebsrat nicht mit Regeln zur Urlaubsgewährung einverstanden ist, die der Arbeitgeber vorgeschlagen hat, als auch dann, wenn der Arbeitgeber einen Vorschlag des Betriebsrats abgelehnt hat. Die Einigungsstelle würde dann für den Arbeitgeber und den Betriebsrat verbindlich über die vorgeschlagenen Regeln zur Urlaubsgewährung entscheiden.
Urlaubsplan
Bei der Aufstellung des Urlaubsplans kann der Betriebsrat bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts so vorgehen, dass er zunächst einmal dem Arbeitgeber die Erstellung eines Entwurfs des Urlaubsplans überlässt. Anschließend prüft der Betriebsrat den vom Arbeitgeber angefertigten Entwurf.
Wenn der Betriebsrat mit dem Entwurf des Arbeitgebers einverstanden ist, informiert er darüber den Arbeitgeber und der Urlaubsplan kann anschließend in Kraft treten. Falls der Betriebsrat mit dem Urlaubsplan nicht einverstanden ist, müsste er mit dem Arbeitgeber über die von ihm gewünschten Änderungen verhandeln.
Der Urlaubsplan darf erst in Kraft treten, nachdem sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf den Urlaubsplan geeinigt haben. Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf den Urlaubsplan einigen können, haben beide Seiten die Möglichkeit, die Einigungsstelle einzuschalten. Dann würde die Einigungsstelle – für den Arbeitgeber und den Betriebsrat rechtsverbindlich – über den Urlaubsplan entscheiden.
Festlegung des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer
Wenn sich ein Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber nicht auf die Festlegung der zeitlichen Lage seines Urlaubs einigen kann, haben Arbeitgeber und Betriebsrat den Urlaub des Arbeitnehmers gemeinsam festzulegen. Bei ihrer gemeinsamen Entscheidung müssen Arbeitgeber und Betriebsrat das Interesse des Arbeitnehmers an dem von ihm gewünschten Urlaub auf der einen Seite und die entgegenstehenden Interessen anderer Arbeitnehmer und/oder die entgegenstehenden betrieblichen Interessen auf der anderen Seite gegeneinander abwägen und danach den Urlaub des betroffenen Arbeitnehmers festlegen.
Auch bei der Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs eines einzelnen Arbeitnehmers würde auf Antrag einer Seite wieder die Einigungsstelle entscheiden, falls sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen können.
Folgen einer Missachtung des Mitbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber
Wenn der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats
- eine Regelung aufstellt oder eine Anweisung erteilt, die einen allgemeinen Urlaubsgrundsatz darstellt oder
- einen Urlaubsplan aufstellt oder ändert oder
- die zeitliche Lage des Urlaubs eines einzelnen Arbeitnehmers festlegt, obwohl der betroffene Arbeitnehmer damit nicht einverstanden ist,
und die fehlende Zustimmung des Betriebsrats auch nicht durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist, verletzt der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG.
Dem Betriebsrat steht bei einer drohenden Verletzung seines Mitbestimmungsrechts ein Unterlassungsanspruch zu. Er kann vom Arbeitgeber verlangen, es zu unterlassen, die mitbestimmungspflichtige Regelung zu erlassen bzw. die mitbestimmungspflichtige Maßnahme umzusetzen. Diesen Unterlassungsanspruch kann der Betriebsrat, wenn nötig, auch mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen.
Sofern der Arbeitgeber die Regelung oder Maßnahme bereits erlassen bzw. umgesetzt hat und diese noch in der Welt ist, kann der Betriebsrat verlangen, dass der Arbeitgeber sie zurücknimmt. Auch eine solche Rücknahme kann der Betriebsrat, falls erforderlich, mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen.
Beispiel
Der Arbeitgeber fordert die Arbeitnehmer auf, ihre Urlaubswünsche bis spätestens zum 30. November für das kommende Urlaubsjahr einzureichen. Der Betriebsrat hatte einer solchen Stichtagsregelung nicht zugestimmt. Der Betriebsrat verlangt deshalb vom Arbeitgeber, die Aufforderung zur Einreichung des Urlaubs bis zum 30. November wieder zurückzunehmen. Falls der Arbeitgeber seine Aufforderung nicht zurücknehmen sollte, könnte der Betriebsrat dem Arbeitgeber vom Arbeitsgericht aufgeben lassen, die Aufforderung zurückzunehmen.
In dringenden Fällen kann der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen und Maßnahmen zur Urlaubsgewährung auch in einem gerichtlichen Eilverfahren durchsetzen und dazu den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht beantragen. Auf diesem Weg kann der Betriebsrat innerhalb weniger Tage oder Wochen eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung herbeiführen.