Betriebsratsmitglied: Zugang zu E-Mails des Betriebsrats

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E-Mail-Postfach des Betriebsrats: Eigene Zugangsdaten für jedes Betriebsratsmitglied?

Nach dem Gesetz hat jedes Betriebsratsmitglied das Recht, sich jederzeit alle Unterlagen des Betriebsrats anzusehen. Zu diesen Unterlagen gehören nicht nur Unterlagen in Papierform, wie z.B. die Protokolle der Betriebsratssitzungen, sondern auch Unterlagen in elektronischer Form wie z.B. E-Mails, PDF-Dateien, Excel-Tabellen usw.

In der Praxis wird dieses Einsichtsrecht der Betriebsratsmitglieder leider nicht immer so umgesetzt, wie es das Gesetz eigentlich verlangt. Probleme gibt es hier häufig gerade in großen Betriebsratsgremien, und zwar für die Betriebsratsmitglieder, die einer sogenannten Minderheitsliste angehören.

Das liegt daran, dass die Liste, die im Betriebsrat über eine absolute Mehrheit verfügt, praktisch die Organisationsgewalt über die gesamte Betriebsratsarbeit hat und nicht immer unbedingt das allergrößte Interesse daran hat, die Minderheit im Betriebsrat zu 100% in die Betriebsratsarbeit einzubeziehen.

Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 31. Juli 2023

Es gibt schon einige Gerichtsentscheidungen – auch des Bundesarbeitsgerichts – zu der Frage, inwiefern einzelne Betriebsratsmitglieder ein Zugriffsrecht auf E-Mails des Betriebsrats haben. 

Das Bundesarbeitsgericht hat schon im Jahr 2009 entschieden, dass Betriebsratsmitglieder das Recht haben, jederzeit auf elektronischem Weg in die in einem E-Mail-Konto des Betriebsrats eingehenden und ausgehenden E-Mails Einsicht nehmen zu können.

In einer vor kurzem veröffentlichten Entscheidung hatte sich das Hessische Landesarbeitsgericht aber mal wieder mit der Frage zu befassen, inwieweit einzelne Betriebsratsmitglieder ein Recht darauf haben, einen eigenen Zugang zu dem E-Mail-Postfach des Betriebsrats eingerichtet zu bekommen.

In dem vom Hessischen Landesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Betriebsrat ein allgemeines E-Mail-Postfach, an das an den Betriebsrat gerichtete E-Mails geschickt werden konnten.

Direkten Zugriff auf das E-Mail-Postfach hatte aber ausschließlich das Sekretariat des Betriebsrats. Wenn in dem Postfach eine Nachricht einging, dann leitete das Betriebsrat-Sekretariat diese Nachricht weiter an einen bestimmten Adressatenkreis, z.B. an die Mitglieder eines bestimmten Ausschusses des Betriebsrats.

Jetzt gab es einige Betriebsratsmitglieder, die wohl häufig nicht zu dem Adressatenkreis gehörten, an den das Betriebsrat-Sekretariat die in dem E-Mail-Postfach eingehenden Nachrichten weiterleitete und diese Betriebsratsmitglieder wollten deshalb einen eigenen Zugang zu diesem E-Mail-Postfach haben, um sich dort eingehende E-Mails direkt ansehen zu können. 

Der Betriebsrat lehnte diesen Wunsch allerdings ab, woraufhin die Betriebsratsmitglieder beim Arbeitsgericht ein Verfahren mit dem Ziel einleiteten, dass das Arbeitsgericht  dem Betriebsrats aufgibt, ihnen einen eigenen Zugang zu dem E-Mail-Postfach zur Verfügung zu stellen.

Vor dem Landesarbeitsgericht begründete der Betriebsrat seine Ablehnung unter anderem damit, dass auch der Betriebsratsvorsitzende und der Stellvertreter keinen Zugang zu dem Postfach hätten, sondern nur das Sekretariat des Betriebsrats, das dort eingehende E-Mails entsprechend weiterleiten würde.

Es sei auch technisch gar nicht möglich, für bestimmte Nutzer ein Leserecht für das E-Mail-Postfach einzurichten. 

Und ein weiteres Argument des Betriebsrats war, dass in dem E-Mail-Postfach auch Nachrichten eingehen würden, die eigentlich gar nicht für den Betriebsrat gedacht waren.

Bevor wir gleich dazu kommen, wie das Landesarbeitsgericht den Fall entschieden hat, schauen wir uns jetzt erst einmal diese Argumente des Betriebsrats an.

Das Argument, dass ausschließlich das Betriebsrat-Sekretariat Zugriff auf das Postfach hat und noch nicht einmal der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter, ist natürlich kein überzeugendes Argument. Jedes Betriebsratsmitglied hat aus § 34 Abs. 3 BetrVG ein eigenes Recht, auf Datenträgern gespeicherte Daten des Betriebsrats auf elektronischem Weg zu lesen. 

Bei E-Mails, die in einem allgemeinen E-Mail-Postfach des Betriebsrats gespeichert sind, auf die das Betriebsrat-Sekretariat Zugriff hat, kann man nicht ernsthaft bestreiten, dass es sich dabei um gespeicherte Daten des Betriebsrats handelt.

Dass der Betriebsratsvorsitzende und der Stellvertreter aktuell kein eigenes Zugriffsrecht haben, steht dem Leserecht, das jedes einzelne Betriebsratsmitglied kraft Gesetzes hat, nicht entgegen.

Das Argument, es sei technisch nicht möglich, für bestimmte Nutzer ein Leserecht für das E-Mail-Postfach einzurichten, überzeugt mich auch nicht.

In der Entscheidungsbegründung des Landesarbeitsgerichts ist nicht angegeben, welches Programm der Betriebsrat für die Verwaltung seines E-Mail-Postfachs eingesetzt hat, aber bei dem sehr gängigen E-Mail-Programm Outlook kann man z.B. relativ einfach ein ausschließliches Leserecht für Dritte einrichten. Notfalls müsste der Betriebsrat eine entsprechende Software-Lösung einsetzen, bei der das eben möglich ist.

Dann noch kurz zu dem weiteren Argument des Betriebsrats, dass in dem E-Mail-Postfach zum Teil auch Nachrichten eingehen würden, die eigentlich gar nicht für den Betriebsrat gedacht sind:

Auch das ist allerdings kein Argument, das man dem Einsichtsrecht eines Betriebsratsmitglieds in das E-Mail-Postfach des Betriebsrats entgegenhalten kann. Denn es ist ja eigentlich Sache des Absenders, seine E-Mail an den richtigen Adressaten zu schicken und E-Mails, die nicht für den Betriebsrat gedacht sind, die sollte man auch nicht an die allgemeine E-Mail-Adresse des Betriebsrats senden.

Jedenfalls kann man mit diesem Argument nicht das gesetzliche Recht von Betriebsratsmitgliedern aushebeln, jederzeit Einsicht in die Betriebsratsunterlagen nehmen zu dürfen, wozu eben auch an den Betriebsrat gerichtete E-Mails gehören.

Wie hat das Landesarbeitsgericht entschieden?

Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag der Betriebsratsmitglieder auf Gewährung eines direkten Zugriffs auf das E-Mail-Postfach stattgegeben und dem Betriebsrat aufgegeben, den Betriebsratsmitgliedern entsprechende Zugangsdaten wie Login und Passwort für das E-Mail-Postfach zur Verfügung zu stellen.

Eine richtige Entscheidung, wenn man sich den Sinn und Zweck des gesetzlichen Einsichtsrechts der Betriebsratsmitglieder in die Betriebsratsunterlagen ansieht, der ja insbesondere darin besteht, dass sich jedes Betriebsratsmitglied ohne zeitliche Verzögerung über die Betriebsratsarbeit informieren können soll.

Video: E-Mail-Postfach des Betriebsrats: Eigene Zugangsdaten für jedes Betriebsratsmitglied?

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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