Erfahre in diesem Artikel, welche Mehrheiten bei der Beschlussfassung des Betriebsrats erforderlich sind – von der einfachen über die absolute bis zur Drei-Viertel-Mehrheit.
von Rechtsanwalt Dr. jur. Henning Kluge
Damit ein zur Abstimmung gestellter Beschlusstext als vom Betriebsrat angenommen gilt, muss eine bestimmte Anzahl von Betriebsratsmitgliedern mit „Ja“ für den Beschlusstext gestimmt haben. Wenn bei einer Abstimmung die erforderliche Anzahl an Ja-Stimmen nicht erreicht wird, hat der Betriebsrat den Antrag abgelehnt.
Wie viele Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ gestimmt haben müssen, damit ein zur Abstimmung gestellter Antrag als angenommen gilt, hängt von dem Beschlussthema ab. Unterschieden wird dabei zwischen einer
- einfachen Mehrheit und
- qualifizierten Mehrheit.
Einfache Mehrheit
In der Regel genügt eine einfache Stimmenmehrheit, damit ein zur Abstimmung gestellter Antrag als angenommen gilt. Die einfache Stimmenmehrheit ist erreicht, wenn die Mehrzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ für den Antrag gestimmt hat.
Beispiel:
Ein 9-köpfiger Betriebsrat stimmt über den folgenden Antrag ab:
„Der Betriebsrat stimmt dem vorliegenden Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit zu.”
5 Betriebsratsmitglieder stimmen mit „Ja“, 3 Betriebsratsmitglieder stimmen mit „Nein“, ein Betriebsratsmitglied enthält sich. Weil in diesem Fall die Mehrzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder mit Ja gestimmt hat, hat der Betriebsrat damit beschlossen, der Betriebsvereinbarung zuzustimmen.
Im Falle einer Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt, weil bei Stimmengleichheit nicht die Mehrzahl mit „Ja“ gestimmt hat.
Beispiel:
Es nehmen nur 8 Betriebsratsmitglieder an der Abstimmung teil. 4 Betriebsratsmitglieder stimmen mit „Ja“, 4 Betriebsratsmitglieder stimmen mit „Nein“. Der Antrag gilt als abgelehnt, weil nicht die Mehrzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ gestimmt hat.
Auch Betriebsratsmitglieder, die erklären, sich der Stimmabgabe zu enthalten, nehmen an der Abstimmung teil. Auch diese Betriebsratsmitglieder sind deshalb bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, ob die Mehrzahl mit „Ja“ für den Antrag gestimmt hat.
Beispiel:
Ein Betriebsrat stimmt über den folgenden Antrag ab:
„Der Betriebsrat stimmt dem vorliegenden Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit zu.”
4 Betriebsratsmitglieder stimmen mit „Ja“, 3 Betriebsratsmitglieder stimmen mit „Nein“, 2 Betriebsratsmitglieder enthalten sich. Damit haben insgesamt 9 Betriebsratsmitglieder an der Abstimmung teilgenommen. Weil nur 4 Betriebsratsmitglieder und damit nicht die Mehrzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ gestimmt hat, ist der Antrag abgelehnt. Der Betriebsrat hat nicht beschlossen, der Betriebsvereinbarung zuzustimmen.
Das vorherige Beispiel zeigt, dass sich eine Enthaltung im Ergebnis wie eine Nein-Stimme auswirkt.
Für die Frage, ob die einfache Stimmenmehrheit erreicht ist, kommt es nur auf die Anzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder an, nicht auf die Anzahl der insgesamt vorhandenen Betriebsratsmitglieder.
Beispiel:
Ein Betriebsrat hat 9 Mitglieder. An einer Abstimmung nehmen aber nur 5 Betriebsratsmitglieder teil. 3 Betriebsratsmitglieder stimmen mit „Ja“ für den Antrag, 2 stimmen mit „Nein“ dagegen. Der zur Abstimmung gestellte Antrag gilt als angenommen, da die Mehrzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ gestimmt hat.
Qualifizierte Mehrheit
In bestimmten Fällen reicht eine einfache Stimmenmehrheit nicht aus, damit ein zur Abstimmung gestellter Antrag als angenommen gilt. Für manche Entscheidungen des Betriebsrats sieht das Gesetz vor, dass diese mit einer qualifizierten Mehrheit getroffen werden müssen. In einigen Fällen schreibt das Gesetz eine absolute Mehrheit vor. Dann ist es erforderlich, dass die Mehrzahl der insgesamt vorhandenen Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ für den Antrag gestimmt hat, damit dieser als angenommen gilt. Dass die Mehrzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ gestimmt hat, ist für die Annahme des Antrags dann nicht unbedingt ausreichend.
Beispiel:
Ein 9-köpfiger Betriebsrat stimmt darüber ab, ob der Betriebsrat als Gremium zurücktritt. Ein Beschluss über den Rücktritt des Betriebsrats bedarf einer absoluten Mehrheit. Bei einem Betriebsrat, der aus 9 Mitgliedern besteht, sind für eine absolute Mehrheit immer mindestens 5 Ja-Stimmen erforderlich, egal wie viele Betriebsratsmitglieder an der Abstimmung teilnehmen.
Ein Unterschied zwischen der einfachen und der absoluten Mehrheit besteht nur dann, wenn nicht alle vorhandenen Betriebsratsmitglieder an der Abstimmung teilnehmen.
Beispiel:
Ein 9-köpfiger Betriebsrat stimmt darüber ab, ob der Betriebsrat als Gremium zurücktritt. An der Abstimmung nehmen nur 7 Betriebsratsmitglieder teil, weil die übrigen Betriebsratsmitglieder krank oder im Urlaub sind. 4 Betriebsratsmitglieder stimmen mit „Ja“ und 3 mit „Nein“.
Obwohl hier die Mehrzahl der an der Abstimmung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ für den Antrag gestimmt hat, gilt der Antrag nicht als angenommen. Denn für einen Rücktrittsbeschluss des Betriebsrats muss die Mehrzahl der insgesamt vorhandenen Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ gestimmt haben und bei einem 9-köpfigen Betriebsrat liegt die Mehrzahl der insgesamt vorhandenen Betriebsratsmitglieder bei 5.
Eine absolute Mehrheit ist in den folgenden Situationen erforderlich:
- Rücktritt des Betriebsrats
- Aufstellung und Änderung einer Geschäftsordnung
- Übertragung einer Aufgabe zur selbstständigen Erledigung auf einen Ausschuss oder eine Arbeitsgruppe*
- Übertragung einer Aufgabe auf den Gesamtbetriebsrat*
- Übertragung einer Aufgabe des Wirtschaftsausschusses auf einen Ausschuss des Betriebsrats*
* gilt entsprechend für den Widerruf der Aufgabenübertragung
In zwei Fällen sieht das Gesetz für einen Betriebsratsbeschluss sogar eine Drei-Viertel-Mehrheit vor und zwar für
- die Abberufung eines Betriebsratsmitglieds aus einem Ausschuss
- die Abberufung eines Betriebsratsmitglieds aus der Freistellung
falls die jeweilige Wahl der Betriebsratsmitglieder als Verhältniswahl stattgefunden hat.
In diesen Fällen müssen mindestens drei Viertel aller Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ gestimmt haben, damit der Abberufungsantrag als angenommen gilt.
Beispiel:
Ein Betriebsrat, der aus insgesamt 13 Mitgliedern besteht, stimmt über den folgenden Antrag ab:
„Das Betriebsratsmitglied Bernd Blender wird aus der Freistellung abberufen.“
Die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder hat seinerzeit als Verhältniswahl stattgefunden. Es ist deshalb erforderlich, dass mindestens drei Viertel der insgesamt vorhandenen Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ für den Antrag stimmen, damit dieser Antrag als angenommen gilt. Dazu müssen bei einem 13-köpfigen Betriebsrat mindestens 10 Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ stimmen.
Übersicht über die erforderlichen Mehrheiten
Bezeichnung | Wann erforderlich? |
Einfache Mehrheit |
|
Absolute Mehrheit |
|
Drei-Viertel-Mehrheit |
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* gilt entsprechend für den Widerruf der Aufgabenübertragung
** falls nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt