Ein Beschluss allein reicht nicht – nur wenn alle formellen Voraussetzungen erfüllt sind, entfaltet er rechtliche Wirkung. Erfahre in diesem Artikel, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Betriebsratsbeschluss auch wirksam ist.
von Rechtsanwalt Dr. jur. Henning Kluge
Nur ein rechtswirksamer Beschluss kann auch Rechtsfolgen auslösen. Deshalb ist es wichtig, dass ein Betriebsrat bei der Beschlussfassung immer darauf achtet, dass sämtliche Voraussetzungen eingehalten sind, die für die Rechtswirksamkeit eines Beschlusses vorliegen müssen.
Die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses sind:
- Der Beschluss muss auf einer Betriebsratssitzung gefasst worden sein.
- Die Betriebsratsmitglieder müssen rechtzeitig zu der Betriebsratssitzung eingeladen worden sein.
- Für ein verhindertes Betriebsratsmitglied muss das zuständige Ersatzmitglied eingeladen worden sein.
- Der Betriebsrat muss bei der Abstimmung beschlussfähig gewesen sein.
- Beim Abstimmungsvorgang darf es keine groben Verstöße gegen Vorschriften oder Grundsätze einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung gegeben haben.
- Der Beschluss darf keinen gesetzeswidrigen Inhalt haben.
- Bei bestimmten Themen bedarf ein Beschluss der Schriftform.
Weitere Voraussetzungen müssen vorliegen, wenn ein Beschluss auf einer Betriebsratssitzung gefasst wird, die als Video- oder Telefonkonferenz oder als hybride Sitzung durchgeführt wird.
Beschlussfassung auf einer Betriebsratssitzung
Ein Betriebsratsbeschluss kann nur auf einer Betriebsratssitzung gefasst werden. Eine wirksame Beschlussfassung außerhalb einer Betriebsratssitzung ist nicht möglich.
Unzulässig ist insbesondere eine Beschlussfassung im sogenannten Umlaufverfahren. Bei einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren wird der Beschluss auf schriftlichem Weg gefasst. Dabei wird ein Beschlussvorschlag allen stimmberechtigten Personen zur Abstimmung übermittelt. Die stimmberechtigten Personen geben ihre Stimme anschließend schriftlich ab (z. B. per E-Mail). Eine wirksame Beschlussfassung auf diese Art und Weise ist für einen Betriebsrat nicht möglich.
Beispiel:
Der Betriebsratsvorsitzende informiert die Betriebsratsmitglieder per E-Mail über einen Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Einstellung eines neuen Mitarbeiters. Der Betriebsratsvorsitzende teilt den Betriebsratsmitgliedern dabei mit, dass über folgenden Antrag abgestimmt werden soll:
„Der Betriebsrat verweigert seine Zustimmung zu der Einstellung des neuen Mitarbeiters.”
Jedes Betriebsratsmitglied soll per E-Mail antworten, ob es mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen oder sich enthalten will. Die Betriebsratsmitglieder geben daraufhin ihre Stimme per E-Mail ab. Der Betriebsrat hat hier keinen wirksamen Beschluss gefasst.
Einladung der Betriebsratsmitglieder zu der Betriebsratssitzung
Eine weitere Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses ist, dass sämtliche Betriebsratsmitglieder zu der Betriebsratssitzung eingeladen worden sind, auf der der Beschluss gefasst wird. Sind nicht alle Betriebsratsmitglieder eingeladen worden, sind die auf der Sitzung gefassten Beschlüsse grundsätzlich unwirksam.
Die Einladung eines Betriebsratsmitglieds zu der Sitzung ist nur dann nicht erforderlich, wenn es als “verhindert” gilt. Ein Betriebsratsmitglied gilt insbesondere dann als “verhindert”, wenn der Betriebsratsvorsitzende davon ausgehen kann, dass ein Betriebsratsmitglied deshalb nicht an einer Betriebsratssitzung teilnehmen wird, weil es
- krank ist,
- Urlaub hat,
- sich in Elternzeit befindet oder
- sich deshalb dazu entschieden hat, nicht an der Betriebsratssitzung teilzunehmen, weil es dringend als Arbeitskraft gebraucht wird.
Die Einladung zu der Sitzung muss rechtzeitig erfolgen. Dazu muss den Betriebsratsmitgliedern der Sitzungstermin so frühzeitig bekannt gegeben werden, dass diese ihre Teilnahme an der Sitzung organisieren können. Auch wenn ein Betriebsratsmitglied zu einer Sitzung zwar eingeladen worden ist, die Einladung aber nicht rechtzeitig erfolgt ist, sind die auf der Sitzung gefassten Beschlüsse grundsätzlich unwirksam.
Mit wie viel Vorlaufzeit die Betriebsratsmitglieder zu einer Sitzung eingeladen werden müssen, damit die Einladung als rechtzeitig angesehen werden kann, lässt sich nicht pauschal sagen. Eine bestimmte nach Stunden oder Tagen bemessene Mindestfrist gibt es für die Einladung zu einer Betriebsratssitzung nicht. Es muss nur sichergestellt sein, dass die einzelnen Betriebsratsmitglieder so frühzeitig von der Sitzung erfahren, dass sie an der Sitzung teilnehmen können. Wie viel Zeit dafür erforderlich ist, hängt insbesondere auch von der persönlichen Situation der einzelnen Betriebsratsmitglieder ab.
Eine relativ kurzfristige Einladung kann rechtzeitig sein, wenn die Betriebsratssitzung während der Arbeitszeit sämtlicher Betriebsratsmitglieder stattfindet und sämtliche Betriebsratsmitglieder am Tag der Sitzung im Betrieb vor Ort sind.
Eine längere Einladungsfrist kann insbesondere dann einzuhalten sein, wenn am Tag der Sitzung nicht alle Betriebsratsmitglieder vor Ort sind, sondern wenn einzelne Betriebsratsmitglieder erst aus weiterer Entfernung anreisen müssen, um an der Sitzung teilnehmen zu können. Eine Einladung mit mehr Vorlaufzeit kann auch dann anzuraten sein, wenn bei einzelnen Betriebsratsmitgliedern für die Zeit der Sitzungsteilnahme eine Vertretung am Arbeitsplatz organisiert werden muss.
Es ist zu empfehlen, in der Regel mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei oder besser noch vier Tagen zu einer Betriebsratssitzung einzuladen. In bestimmten Situationen, vor allem dann, wenn der Betriebsrat ein eilbedürftiges Thema zu behandeln hat, wird das aber gar nicht möglich sein und dann kann auch mit einer entsprechend kürzeren Frist zu einer Betriebsratssitzung eingeladen werden.
Weitere Einzelheiten zur Einladung der Betriebsratsmitglieder zu den Betriebsratssitzungen finden sich in unserer Broschüre “Die Betriebsratssitzung” (ISBN 978-3-96597-015-1).
Wirksame Beschlussfassung trotz nicht rechtzeitiger Einladung
Wenn ein Betriebsratsmitglied, das zu der Sitzung hätte eingeladen werden müssen, nicht oder nicht rechtzeitig eingeladen worden ist, kann auf der Sitzung allerdings dann ein wirksamer Beschluss gefasst werden, wenn das Betriebsratsmitglied trotzdem zu der Sitzung erscheint und daran teilnimmt. Denn in diesem Fall hat sich der Fehler der nicht ordnungsgemäßen Einladung nicht ausgewirkt.
Beispiel:
Der Betriebsratsvorsitzende lädt ein Betriebsratsmitglied gar nicht zu einer Betriebsratssitzung ein und ein weiteres Betriebsratsmitglied erst 15 Minuten vor dem Beginn der Sitzung. Diese beiden Betriebsratsmitglieder hatten es allerdings schon vorher mitbekommen, dass eine Betriebsratssitzung stattfinden wird. Sie erscheinen deshalb zu der Sitzung und nehmen an ihr teil. Auf der Sitzung können wirksame Beschlüsse gefasst werden. Der Fehler der nicht rechtzeitigen Einladung der beiden Betriebsratsmitglieder hat sich nicht ausgewirkt.
Es ist sogar denkbar, auf einer Betriebsratssitzung, zu der kein einziges Betriebsratsmitglied eingeladen worden ist, rechtswirksame Beschlüsse zu fassen. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass sämtliche Betriebsratsmitglieder zu der Sitzung erschienen sind und an ihr teilnehmen.
Beispiel:
Ein Betriebsrat besteht aus drei Mitgliedern. Die drei Betriebsratsmitglieder treffen sich zufällig in der Pause und diskutieren ein Betriebsratsthema. Sie entscheiden spontan, zu diesem Thema einen Beschluss zu fassen. Sie gehen dazu ins Betriebsratsbüro und halten eine Betriebsratssitzung ab. Obwohl der Betriebsratsvorsitzende die Betriebsratsmitglieder zu dieser Sitzung nicht eingeladen hat, können auf dieser Sitzung rechtswirksame Beschlüsse gefasst werden, da alle drei Betriebsratsmitglieder anwesend sind und an der Sitzung teilnehmen.
Einladung von Ersatzmitgliedern zu der Betriebsratssitzung
Wenn ein Betriebsratsmitglied nicht an einer Sitzung teilnehmen wird, weil es als “verhindert” gilt, muss das zuständige Ersatzmitglied zu der Sitzung eingeladen werden. Auch die Einladung dieses Ersatzmitglieds ist Voraussetzung dafür, dass auf der Sitzung rechtswirksame Beschlüsse gefasst werden können. Wenn ein Ersatzmitglied nicht zu der Sitzung eingeladen worden ist, obwohl es hätte eingeladen werden müssen, sind grundsätzlich sämtliche auf der Sitzung gefasste Beschlüsse unwirksam.
Wenn der Betriebsratsvorsitzende allerdings so kurzfristig davon erfährt, dass ein Betriebsratsmitglied an der Teilnahme an der Betriebsratssitzung “verhindert” ist, dass der Betriebsratsvorsitzende das Ersatzmitglied nicht mehr rechtzeitig einladen kann, scheitert die Wirksamkeit der auf der Sitzung gefassten Beschlüsse nicht an der fehlenden Einladung des Ersatzmitglieds.
Wenn ein Ersatzmitglied zu einer Betriebsratssitzung einzuladen ist, muss auch das richtige Ersatzmitglied eingeladen werden. Auch die Einladung eines falschen Ersatzmitglieds führt grundsätzlich dazu, dass sämtliche auf der Sitzung gefasste Beschlüsse unwirksam sind.
In welchen Situationen ein Ersatzmitglied zu einer Betriebsratssitzung eingeladen werden muss und welches Ersatzmitglied einzuladen ist, ist ausführlich in unserer Broschüre “Die Betriebsratssitzung” beschrieben (ISBN 978-3-96597-015-1).
Wirksame Beschlussfassung trotz nicht rechtzeitiger Einladung eines Ersatzmitglieds
Wenn ein Ersatzmitglied nicht zu der Betriebsratssitzung eingeladen worden ist, obwohl es hätte eingeladen werden müssen, kann auf der Sitzung allerdings wie im Falle der Nichteinladung eines Betriebsratsmitglieds dann ein wirksamer Beschluss gefasst werden, wenn das Ersatzmitglied trotzdem zu der Sitzung erscheint und daran teilnimmt. Denn in diesem Fall hat sich der Fehler der nicht erfolgten Einladung nicht ausgewirkt.
Bekanntgabe des Beschlussthemas über die Tagesordnung
Eine weitere Grundvoraussetzung für die Rechtswirksamkeit eines vom Betriebsrat gefassten Beschlusses ist, dass den Betriebsratsmitgliedern rechtzeitig vor der Betriebsratssitzung das Beschlussthema als Tagesordnungspunkt der Sitzung mitgeteilt wurde. Der Grund dafür ist, dass sich die Betriebsratsmitglieder auf die Beschlussfassung vorbereiten können. Die Bekanntgabe eines Themas unmittelbar vor der Sitzung oder sogar erst auf der Sitzung selbst ist nicht rechtzeitig.
Beispiel:
Der Betriebsratsvorsitzende hat eine Betriebsratssitzung für den 9. Juni um 10:00 Uhr einberufen. Mit einer E-Mail teilt der Betriebsratsvorsitzende den Betriebsratsmitgliedern eine Stunde vor der Sitzung um 09:00 Uhr mit, dass eine Anhörung des Arbeitgebers zu einer außerordentlichen Kündigung ein weiterer Tagesordnungspunkt der Sitzung sein soll. Die Bekanntgabe eines Beschlussthemas eine Stunde vor dem Beginn einer Betriebsratssitzung ist nicht rechtzeitig. Der Betriebsrat kann auf der Sitzung deshalb grundsätzlich keinen rechtswirksamen Beschluss zu diesem Thema fassen.
Es ist aber möglich, dass der Betriebsrat auch zu einem Thema, das den Betriebsratsmitgliedern nicht rechtzeitig als Tagesordnungspunkt der Sitzung mitgeteilt wurde, einen rechtswirksamen Beschluss fasst. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sämtliche an der Sitzung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder mit einer Beschlussfassung zu diesem Thema einverstanden sind. Wenn auch nur ein Betriebsratsmitglied dagegen ist, kann zu dem nicht rechtzeitig mitgeteilten Thema kein rechtswirksamer Beschluss gefasst werden.
Beispiel:
In dem vorherigen Beispiel fragt der Betriebsratsvorsitzende auf der Betriebsratssitzung die erschienenen Betriebsratsmitglieder, ob sie damit einverstanden sind, dass auf der Sitzung auch zu der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung, über die der Betriebsratsvorsitzende kurz vor der Sitzung informiert hat, ein Beschluss gefasst werden soll. Alle erschienenen Betriebsratsmitglieder erklären sich ausdrücklich damit einverstanden. Der Betriebsrat kann damit zu der außerordentlichen Kündigung einen rechtswirksamen Beschluss fassen, obwohl dieses Beschlussthema nicht rechtzeitig vor der Sitzung bekannt gegeben worden ist.
Beschlussfähigkeit des Betriebsrats
Eine weitere entscheidende Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses ist, dass der Betriebsrat bei der Beschlussfassung beschlussfähig ist. Der Betriebsrat ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt.
Beispiel:
Ein Betriebsratsgremium, das aus 9 Betriebsratsmitgliedern besteht, ist beschlussfähig, wenn an der Beschlussfassung 5 oder mehr Betriebsratsmitglieder teilnehmen. 4 Betriebsratsmitglieder würden nicht ausreichen, weil 4 nicht mindestens die Hälfte von 9 ist.
Wenn auf einer Betriebsratssitzung nicht mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder anwesend ist, weil mehrere Betriebsratsmitglieder unentschuldigt fehlen, kann der Betriebsrat auf dieser Sitzung mangels Beschlussfähigkeit keine rechtswirksamen Beschlüsse fassen.
Beispiel:
Ein Betriebsrat besteht aus 9 Mitgliedern. Zur Betriebsratssitzung sind aber nur 4 Mitglieder erschienen. 5 Betriebsratsmitglieder fehlen unentschuldigt. Der Betriebsrat kann auf dieser Sitzung keine rechtswirksamen Beschlüsse fassen, weil er nicht beschlussfähig ist.
Die Beschlussfähigkeit muss bei jeder einzelnen Abstimmung des Betriebsrats bestehen. Dass zu Beginn einer Betriebsratssitzung mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder anwesend ist, ist weder erforderlich noch ausreichend. Ein Betriebsrat kann am Anfang einer Sitzung mangels einer ausreichenden Zahl anwesender Betriebsratsmitglieder nicht beschlussfähig sein. Im Verlauf der Sitzung kann er aber noch beschlussfähig werden, wenn später weitere Mitglieder hinzukommen. Umgekehrt kann trotz Anwesenheit aller Betriebsratsmitglieder zu Beginn einer Betriebsratssitzung bei einer späteren Beschlussfassung die Beschlussfähigkeit fehlen, wenn Betriebsratsmitglieder die Sitzung vorzeitig verlassen oder an einer Abstimmung nicht die erforderliche Zahl an Mitgliedern teilnimmt.
Bei der Beantwortung der Frage, ob die Beschlussfähigkeit gegeben ist, zählen nur die Betriebsratsmitglieder mit, die auch an der Beschlussfassung teilnehmen. Ein Betriebsratsmitglied nimmt nur dann an einer Beschlussfassung teil, wenn es mit „Ja“ stimmt, mit „Nein“ stimmt oder sich enthält. Wenn ein Betriebsratsmitglied bei der Abstimmung einfach nur anwesend ist, aber weder mit „Ja“ stimmt, noch mit „Nein“ stimmt und sich der Stimmabgabe auch nicht enthält, nimmt dieses Betriebsratsmitglied nicht an der Beschlussfassung teil. Es ist dann auch bei der Frage der Beschlussfähigkeit nicht mitzuzählen.
Beispiel:
Ein Betriebsrat besteht aus 9 Mitgliedern. 5 Betriebsratsmitglieder sind auf einer Betriebsratssitzung anwesend, 4 fehlen ohne ausreichenden Entschuldigungsgrund. Der Betriebsrat wäre in dieser Situation grundsätzlich beschlussfähig, weil mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder anwesend ist und an einer Beschlussfassung teilnehmen kann.
Wenn jetzt aber bei einer Abstimmung 3 Betriebsratsmitglieder mit „Ja“ stimmen und eines mit „Nein“ und das fünfte anwesende Betriebsratsmitglied seine Teilnahme an der Abstimmung verweigert, also weder mit „Ja“ stimmt, noch mit „Nein“ stimmt, noch erklärt, dass es sich enthält, dann zählt dieses Betriebsratsmitglied bei der Frage der Beschlussfähigkeit nicht mit. Es haben dann nur 4 Betriebsratsmitglieder an der Abstimmung teilgenommen und 4 sind bei einem 9-köpfigen Betriebsrat nicht mindestens die Hälfte. Der Betriebsrat war hier deshalb nicht beschlussfähig und hat keinen wirksamen Beschluss gefasst.
Wenn das fünfte Betriebsratsmitglied bei der Abstimmung stattdessen erklärt hätte, dass es sich enthält, wäre es bei der Frage der Beschlussfähigkeit mitzuzählen gewesen. Dann hätten insgesamt 5 Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilgenommen. Der Betriebsrat wäre dann also beschlussfähig gewesen.
Bei der Berechnung der Anzahl der Betriebsratsmitglieder, die an einer Abstimmung teilnehmen müssen, damit die Beschlussfähigkeit vorliegt, ist grundsätzlich von der Anzahl der Betriebsratsmitglieder auszugehen, die ursprünglich gewählt worden sind. Wenn also beispielsweise ein 9-köpfiger Betriebsrat gewählt worden ist, müssen mindestens 5 Betriebsratsmitglieder an der Abstimmung teilnehmen. Ist ein 7-köpfiger Betriebsrat gewählt worden, müssen es mindestens 4 sein.
Wenn die Anzahl der Betriebsratsmitglieder aber unter Berücksichtigung des Nachrückens sämtlicher vorhandener Ersatzmitglieder unter die Anzahl der ursprünglich gewählten Betriebsratsmitglieder gesunken ist, weil ein Betriebsratsmitglied oder mehrere vorzeitig aus ihrem Amt ausgeschieden sind, ist für die Beschlussfähigkeit bis zur Neuwahl des Betriebsrats die Zahl der noch verbliebenen Betriebsratsmitglieder entscheidend.
Beispiel:
Bei der Express Logistik GmbH wurde ursprünglich ein 9-köpfiger Betriebsrat gewählt. Durch das Ausscheiden eines Betriebsratsmitglieds ist die Zahl der Mitglieder des Betriebsrats dauerhaft auf 8 gesunken. Ersatzmitglieder waren nicht vorhanden. Bis zur Neuwahl ist der Betriebsrat beschlussfähig, wenn mindestens 4 Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen.
Auch wenn der Betriebsrat nur vorübergehend nicht mit der ursprünglich gewählten Anzahl an Betriebsratsmitgliedern besetzt ist, weil ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder zeitweilig verhindert sind und nicht ausreichend Ersatzmitglieder zur Verfügung stehen, um den Betriebsrat auf die volle Zahl an Mitgliedern aufzufüllen, kommt es für die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats auf die Zahl der noch zur Verfügung stehenden Mitglieder an.
Beispiel:
Der Betriebsrat der Express Logistik GmbH besteht aus 9 Mitgliedern. Es gibt 2 Ersatzmitglieder. Insgesamt gibt es also 11 Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder. Von diesen insgesamt 11 Betriebsratsmitgliedern und Ersatzmitgliedern sind 2 verhindert, weil sie krank sind und ein weiteres ist verhindert, weil es Urlaub hat. Es sind also insgesamt nur noch 8 Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder übrig. Der Betriebsrat wäre in dieser Situation mit 4 Mitgliedern beschlussfähig, obwohl es sich eigentlich um ein 9-köpfiges Betriebsratsgremium handelt.
Eine förmliche Feststellung der Beschlussfähigkeit ist nicht erforderlich. Die Beschlussfähigkeit ergibt sich automatisch aus der Anzahl der abgegebenen Ja-Stimmen, Nein-Stimmen und Enthaltungen, die vom Betriebsratsvorsitzenden nach der Abstimmung festzuhalten sind.
Keine groben Verstöße bei der Beratung und Abstimmung
Ein Betriebsratsbeschluss kann unwirksam sein, wenn bei der Beratung oder bei der Abstimmung über das Beschlussthema gegen Vorschriften oder Grundsätze einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung verstoßen worden ist. Dies kann z. B. der Fall sein
- bei offener statt geheimer Abstimmung,
- bei einem Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzung,
- bei einer Stimmabgabe durch eine nicht stimmberechtigte Person.
Wir haben beispielsweise bereits gesehen, dass das Gesetz in bestimmten Fällen vorschreibt, dass über einen Beschlussantrag geheim abgestimmt werden muss. Wenn die Abstimmung in diesen Fällen nicht geheim, sondern offen durchgeführt wird, ist der Beschluss unwirksam.
Ein Beschluss kann auch dann unwirksam sein, wenn während des Abstimmungsvorgangs Personen anwesend sind, die kein Teilnahmerecht an diesem Teil der Betriebsratssitzung haben. Es liegt dann ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzung vor. Die Anwesenheit einer nicht anwesenheitsberechtigten Person während der Abstimmung führt allerdings nur dann zur Unwirksamkeit des Beschlusses, wenn mindestens ein Betriebsratsmitglied vor der Abstimmung gegen die Anwesenheit dieser Person protestiert hat und die Abstimmung dann trotzdem in deren Anwesenheit durchgeführt worden ist.
Ein Beschluss kann auch dann unwirksam sein, wenn an einer Beschlussfassung Personen mitgewirkt haben, die dazu nicht berechtigt waren, es sei denn, dieser Fehler hat offensichtlich keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis.
Beispiel:
Ein Betriebsratsmitglied sagt seine Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mit der Begründung ab, es habe einfach keine Lust auf die Sitzung. Mit dieser Begründung gilt das Betriebsratsmitglied nicht als “verhindert”, sodass der Betriebsratsvorsitzende für dieses Betriebsratsmitglied kein Ersatzmitglied zu der Sitzung einladen darf. Der Betriebsratsvorsitzende lädt trotzdem ein Ersatzmitglied ein. Das Ersatzmitglied nimmt auch an einer Beschlussfassung teil. Bei der Abstimmung gibt es 4 Ja-Stimmen und 3 Nein-Stimmen. Der Beschluss ist unwirksam, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Teilnahme des nicht teilnahmeberechtigten Ersatzmitglieds auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat.
Kein Gesetzesverstoß
Ein Betriebsratsbeschluss ist auch dann unwirksam, wenn er einen gesetzwidrigen Inhalt hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Beschluss gegen ein Gesetz oder einen Tarifvertrag verstößt. Ein solcher Beschluss ist unwirksam und kann keine Rechtswirkung entfalten.
Beispiel:
Das Betriebsratsmitglied Lars Lässig fehlt wiederholt unentschuldigt auf den Betriebsratssitzungen. Der Betriebsrat fasst daraufhin folgenden Beschluss:
„Das Betriebsratsmitglied Lars Lässig wird wegen des wiederholten unentschuldigten Fehlens auf Betriebsratssitzungen aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.”Dieser Beschluss verstößt gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Nach den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes kann ein Betriebsratsmitglied nur durch das Arbeitsgericht aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, nicht durch einen Betriebsratsbeschluss. Der Beschluss ist deshalb unwirksam.
Ausnahmsweise: Schriftform
Grundsätzlich müssen Betriebsratsbeschlüsse nicht schriftlich festgehalten werden, damit sie wirksam sind. Es ist zwar vorgeschrieben, dass jeder Betriebsratsbeschluss in das Protokoll der Betriebsratssitzung aufzunehmen ist. Die Aufnahme in das Sitzungsprotokoll ist aber keine Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Beschlusses.
Für bestimmte Betriebsratsbeschlüsse schreibt das Gesetz allerdings ausnahmsweise die Schriftform vor. Das ist der Fall bei
- dem Erlass und der Änderung einer Geschäftsordnung,
- der Übertragung einer Aufgabe zur selbständigen Erledigung auf einen Ausschuss oder eine Arbeitsgruppe*,
- der Übertragung einer Aufgabe auf den Gesamtbetriebsrat* und
- der Übertragung einer Aufgabe des Wirtschaftsausschusses auf einen Ausschuss des Betriebsrats*.
* gilt entsprechend für den Widerruf der Aufgabenübertragung
Wenn bei diesen Beschlüssen die Schriftform nicht gewahrt ist, ist der Beschluss nicht wirksam.
Zur Wahrung der Schriftform muss der Text des Beschlusses schriftlich festgehalten und vom Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben werden. Die Schriftform ist aber auch dann gewahrt, wenn der Beschluss in das Protokoll der Betriebsratssitzung aufgenommen und dieses vom Betriebsratsvorsitzenden und einem weiteren Betriebsratsmitglied unterschrieben wird.
Wenn der Betriebsrat seine Sitzungsprotokolle ordnungsgemäß anfertigt, ergibt sich ein Unterschied zwischen Beschlüssen, die der Schriftform bedürfen und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, lediglich beim Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses. Beschlüsse, die nicht der Schriftform bedürfen, sind sofort nach dem Abschluss der Abstimmung in Kraft. Beschlüsse, die der Schriftform bedürfen, sind dagegen erst dann in Kraft, wenn das Sitzungsprotokoll erstellt worden ist oder wenn der Beschluss aufgeschrieben und vom Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben worden ist.
Zusätzliche Voraussetzungen bei einer Beschlussfassung auf einer virtuellen Sitzung
Wenn ein Beschluss auf einer Betriebsratssitzung gefasst wird, die per Video- oder Telefonkonferenz oder als hybride Sitzung durchgeführt wird, sind weitere Voraussetzungen einzuhalten, damit die auf der Sitzung gefassten Beschlüsse wirksam sind.
Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit von rein virtuellen und hybriden Betriebsratssitzungen ist, dass es dazu eine Regelung in der Geschäftsordnung des Betriebsrats gibt. Gibt es keine derartige Regelung in der Geschäftsordnung, sind sämtliche Beschlüsse, die der Betriebsrat auf einer solchen Sitzung fasst, unwirksam.
Das Gleiche gilt, wenn die in der Geschäftsordnung zur Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung geregelten Voraussetzungen, unter denen eine Sitzung als Video- oder Telefonkonferenz oder als hybride Sitzung durchgeführt werden darf, nicht vorliegen und trotzdem eine solche Sitzung durchgeführt wird. Auch in diesem Fall wären sämtliche auf der Sitzung gefassten Beschlüsse unwirksam.
Wenn ein Viertel der Betriebsratsmitglieder der Durchführung einer Betriebsratssitzung per Video- oder Telefonkonferenz oder als hybride Sitzung widerspricht, darf die Betriebsratssitzung nicht in dieser Form durchgeführt werden. Wird sie dennoch per Video- oder Telefonkonferenz oder als hybride Sitzung durchgeführt, sind sämtliche auf der Sitzung gefassten Beschlüsse unwirksam.