Virtuelle und hybride Betriebsratssitzungen

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Grundsätzlich sollen Betriebsratssitzungen in Präsenz stattfinden, doch unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Video- oder Telefonkonferenzen möglich. Doch welche Bedingungen müssen dafür erfüllt sein? Welche Rolle spielt die Geschäftsordnung des Betriebsrats? Und wie lässt sich die Vertraulichkeit der Sitzung gewährleisten? In diesem Artikel erfährst du alles Wichtige rund um virtuelle und hybride Sitzungen – inklusive praktischer Hinweise zur Umsetzung.

von Rechtsanwalt Dr. jur. Henning Kluge

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Betriebsratssitzungen grundsätzlich als reine Präsenzsitzungen stattfinden, bei denen alle Teilnehmer physisch vor Ort anwesend sind. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Betriebsratssitzung aber auch als Video- oder Telefonkonferenz stattfinden. Möglich ist auch eine hybride Sitzung, also eine Sitzung, die in Präsenz stattfindet, bei der sich aber einzelne Teilnehmer per Video oder Telefon dazuschalten können.

Voraussetzungen für virtuelle und hybride Sitzungen

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Betriebsratssitzung als reine Video- oder Telefonkonferenz und als hybride Sitzung sind identisch. Es müssen die folgenden drei Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Es muss eine Regelung zur Durchführung virtueller oder hybrider Sitzungen in der Geschäftsordnung des Betriebsrats geben.
  2. Es muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.
  3. Es darf keinen Widerspruch von mindestens einem Viertel der Betriebsratsmitglieder geben.

Regelung in der Geschäftsordnung des Betriebsrats

Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit einer Betriebsratssitzung per Video- oder Telefonkonferenz und für das Dazuschalten von einzelnen Teilnehmern zu einer Präsenzsitzung ist eine entsprechende Regelung in der Geschäftsordnung des Betriebsrats. Ohne eine solche Regelung in der Geschäftsordnung darf der Betriebsrat eine Betriebsratssitzung weder als reine Video- oder Telefonkonferenz noch als hybride Sitzung durchführen.

Die Regelung in der Geschäftsordnung muss die Voraussetzungen für die Durchführung von Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz oder als hybride Sitzung festlegen und dabei den Vorrang der Präsenzsitzung sichern. Der Vorrang der Präsenzsitzung kann beispielsweise dadurch gesichert werden, dass die Anzahl der Sitzungen, die als virtuelle oder hybride Sitzung durchgeführt werden können, begrenzt wird. In der Geschäftsordnung könnte z. B. stehen, dass maximal 4 Sitzungen pro Jahr als Videokonferenz durchgeführt werden dürfen. Eine weitere Möglichkeit zur Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung besteht darin, virtuelle oder hybride Sitzungen nur unter der Voraussetzung zuzulassen, dass der Betriebsrat ein besonders eilbedürftiges Thema behandeln muss. Eine Regelung zum Vorrang der Präsenzsitzung könnte auch vorsehen, dass virtuelle oder hybride Sitzungen unter der Voraussetzung zulässig sind, dass Gründe des Gesundheitsschutzes es erforderlich machen, ein persönliches Treffen der Betriebsratsmitglieder zu vermeiden.

Muster für die Regelung von virtuellen und hybriden Betriebsratssitzungen in der Geschäftsordnung:

Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz

(1) Zulässigkeit von Sitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz

1. Die Sitzungen des Betriebsrats finden grundsätzlich als Präsenzsitzungen statt. Bis zu … [Anzahl] Sitzungen pro Kalenderjahr können jedoch mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden.

2. Darüber hinaus kann eine Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine schnelle Beschlussfassung des Betriebsrats erforderlich macht und eine Präsenzsitzung nicht rechtzeitig durchgeführt werden kann.

3. Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 können Sitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, wenn und solange eine epidemische Lage von nationaler oder landesweiter Tragweite festgestellt ist.

4. Für die Durchführung einer Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz wird das Video-/Telefonkonferenztool … [Bezeichnung] eingesetzt.

5. Bei Vorliegen der Voraussetzungen, die für die Durchführung einer Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz erfüllt sein müssen, entscheidet der Betriebsratsvorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen, ob die Sitzung als Präsenzsitzung oder mittels Video bzw. Telefonkonferenz durchgeführt wird.

(2) Einladung zu einer Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz und Widerspruch

1. Wenn eine Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden soll, hat der Betriebsratsvorsitzende die Betriebsratsmitglieder in der Einladung zu der Sitzung darauf hinzuweisen, dass und in welcher Weise die Sitzung als Video- oder Telefonkonferenz stattfinden soll, sowie eine angemessene Frist zum Widerspruch zu setzen.

2. Die Sitzung wird nicht mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt, wenn mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen der von dem Betriebsratsvorsitzenden bestimmten Frist diesem gegenüber widerspricht.

(3) Wahrung der Nichtöffentlichkeit

1. Betriebsratsmitglieder, die mittels Video- oder Telefonverbindung an einer Betriebsratssitzung teilnehmen, müssen sicherstellen, dass während ihrer Teilnahme keine unbefugten Personen Kenntnis vom Inhalt der Sitzung nehmen können.

2. Die Betriebsratsmitglieder haben sich während der Dauer der Sitzung in einem
nichtöffentlichen Raum aufzuhalten, in dem nur Personen anwesend sind, die ein Recht zur Teilnahme an der Sitzung haben.

3. Die Betriebsratsmitglieder versichern gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden zu Beginn ihrer Teilnahme an der Sitzung zu Protokoll, dass sie sich in einem nichtöffentlichen Raum befinden, in dem nur teilnahmeberechtigte Personen anwesend sind. Der Betriebsratsvorsitzende nimmt die entsprechenden Erklärungen der Betriebsratsmitglieder zu Protokoll.

4. Wenn bei einem Betriebsratsmitglied während der Sitzungsteilnahme ein Zustand eintritt, bei dem die Vertraulichkeit der Sitzung nicht mehr gewährleistet ist, informiert das Betriebsratsmitglied unverzüglich den Betriebsratsvorsitzenden. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine nicht teilnahmeberechtigte Person den Raum betritt. Der Betriebsratsvorsitzende unterbricht daraufhin die Sitzung, bis die Vertraulichkeit wiederhergestellt ist.
5. Jede Form der Aufzeichnung einer mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführten Sitzung ist unzulässig. Unzulässig ist insbesondere das Anfertigen von Video- und Tonaufnahmen der Sitzung, aber auch das Anfertigen einzelner Bildschirmfotos („Screenshots“).

(4) Bestätigung der Teilnahme durch die Betriebsratsmitglieder

1. Die an der Sitzung mittels Video- oder Telefonverbindung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder bestätigen ihre Teilnahme gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden zu Beginn ihrer Teilnahme in Textform (zum Beispiel per E-Mail).

2. Betriebsratsmitglieder, die die Sitzung vorzeitig verlassen, teilen dies dem Betriebsratsvorsitzenden ebenfalls in Textform mit.

Sicherstellung, dass Dritte keine Kenntnis nehmen können

Weitere Voraussetzung für die Durchführung von virtuellen und hybriden Betriebsratssitzungen ist die Sicherstellung, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Dadurch soll die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen und damit die Vertraulichkeit der Sitzungen gewährleistet werden.

Damit die Vertraulichkeit einer Sitzung gewährleistet ist, muss der Betriebsrat bei der Durchführung virtueller und hybrider Betriebsratssitzungen ein Video- oder Telefonkonferenzsystem einsetzen, das entsprechend sicher ist. Insbesondere sollte das eingesetzte System die übertragenen Inhalte nach dem aktuellen Stand der Technik verschlüsseln. Beispiele für Videokonferenzlösungen, die diese Anforderungen erfüllen sollten, sind

  • Microsoft Teams
  • Zoom
  • Cisco Webex Meetings

Außerdem muss ausgeschlossen sein, dass Unbefugte auf das System zugreifen können. Deshalb sollte der Betriebsrat nicht mit einem System des Arbeitgebers arbeiten, sondern ein eigenes System verlangen, weil ansonsten der Arbeitgeber bzw. Mitarbeiter aus der IT-Abteilung des Arbeitgebers aufgrund ihrer Administratorenrechte die Möglichkeit haben könnten, auf Inhalte der Sitzungen zuzugreifen.

Darüber hinaus muss jedes Betriebsratsmitglied, das aus der Ferne an der Sitzung teilnimmt, in seinem eigenen Verantwortungsbereich dafür sorgen, dass die Vertraulichkeit der Sitzung gewahrt ist. Jedes Betriebsratsmitglied muss sicherstellen, dass während seiner Teilnahme keine unbefugten Personen Kenntnis vom Inhalt der Sitzung nehmen können. Dafür ist es in der Regel erforderlich, dass sich das Betriebsratsmitglied während der Sitzung in einem Raum aufhält, in dem keine Personen anwesend sind, die kein Teilnahmerecht an der Betriebsratssitzung haben. Wenn während der Sitzung eine nicht teilnahmeberechtigte Person den Raum betritt, muss das Betriebsratsmitglied den Betriebsratsvorsitzenden unverzüglich informieren.

Darüber hinaus ist zu empfehlen, dass sich der Betriebsratsvorsitzende von den einzelnen zugeschalteten Teilnehmern zu Beginn der Sitzung zu Protokoll versichern lässt, dass bei ihnen keine Personen mit im Raum sind, die kein Teilnahmerecht an der Betriebsratssitzung haben, und dass sie den Betriebsratsvorsitzenden unverzüglich informieren werden, wenn eine nicht teilnahmeberechtigte Person den Raum betreten sollte.

Kein Widerspruch von mindestens einem Viertel der Betriebsratsmitglieder

Eine Betriebsratssitzung darf nicht als reine Video- oder Telefonkonferenz oder als hybride Sitzung durchgeführt werden, wenn ein Viertel der Betriebsratsmitglieder dem fristgemäß widerspricht.

Die Frist für den Widerspruch wird vom Betriebsratsvorsitzenden festgelegt und sollte direkt in der Einladung zu der Sitzung angegeben werden. Die Frist muss angemessen sein, sie darf also nicht zu kurz sein. Die Frist sollte in der Regel mindestens 24 Stunden betragen. Andererseits sollte die Frist aber auch nicht erst ganz kurz vor dem Sitzungstermin enden, weil die Betriebsratsmitglieder nach einer eventuellen Umstellung der Sitzung auf eine reine Präsenzsitzung noch genug Zeit haben müssen, um vor Ort zu der Sitzung zu erscheinen.

Eine besondere Form ist für den Widerspruch nicht vorgeschrieben. Der Widerspruch kann z. B. auch mündlich erfolgen.

Verbot der Aufzeichnung

Es ist wichtig zu beachten, dass jede Form der Aufzeichnung einer Betriebsratssitzung, die als Video- oder Telefonkonferenz oder als hybride Sitzung durchgeführt wird, unzulässig ist. Insbesondere das Anfertigen von Video- und Tonaufnahmen der Sitzung ist nicht erlaubt, aber auch das Anfertigen einzelner Bildschirmfotos (“Screenshots”) ist verboten.

Freie Wahl der Teilnahmeform bei einer hybriden Sitzung

Wenn eine Präsenzsitzung durchgeführt wird, aber zusätzlich die Möglichkeit besteht, dass sich Betriebsratsmitglieder per Video oder Telefon zu der Sitzung dazuschalten, kann jedes Betriebsratsmitglied selbst entscheiden, ob es in Präsenz vor Ort an der Sitzung teilnimmt oder sich von einem anderen Ort dazuschaltet. Ein Betriebsratsmitglied darf nicht angewiesen werden, aus Kostengründen auf eine Teilnahme vor Ort zu verzichten.

Video: Betriebsratssitzungen per Videokonferenz

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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